OGH 8Ob130/08p

OGH8Ob130/08p13.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas P*****, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei Maria M*****, vertreten durch Dr. Markus Komarek, Rechtsanwalt in Hall, wegen Feststellung (3.500 EUR) und Einverleibung (3.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Februar 2008, GZ 2 R 246/07a‑18, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Juli 2008, GZ 2 R 246/07a‑20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 14. Februar 2007, GZ 4 C 835/05y‑14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0080OB00130.08P.1113.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer einer Liegenschaft (geschlossener Hof „P*****"), zu dessen Gutsbestand ua das landwirtschaftlich genutzte Grundstück 548/2 und die Parzelle 554, worauf sich seine Hofstelle befindet, gehören.

Die Beklagte ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft (geschlossener Hof „B*****"), zu deren Gutsbestand ua die landwirtschaftlich genutzte Parzelle 552/2 gehört, die in der Natur ein nicht asphaltierter, ca 3 m breiter Schotterweg ist, von dem eine Abzweigung in Richtung der Hofstelle des Klägers auf das Grundstück 554 führt. Zum Hof des Klägers besteht eine weitere Zufahrt über einen (westlich gelegenen) öffentlichen Weg. „Dieser Weg" (gemeint der Schotterweg) besteht seit zumindest 1963. Damals handelte es sich um einen Feldweg, der erst in den 80er‑Jahren ausgebaut und asphaltiert wurde.

Mit Bescheid vom 12. 6. 1987 wurde ein Flurbereinigungsverfahren der landwirtschaftlichen Grundstücke im Gebiet „W*****" eingeleitet. Im Zug dieses Verfahrens wurde das Grundstück 548 des Klägers in die Grundstücke 548/1 und 548/2 geteilt. Überdies wurden verschiedene kleinere Grundstücke zusammengelegt und daraus die Grundstücke 2028, 2032 und 2037 gebildet. Sowohl das Grundstück 554 des Klägers als auch das Grundstück 552/2 der Beklagten waren nicht in das Flurbereinigungsverfahren miteinbezogen.

Der Kläger und seine Rechtsvorgänger benützen den Weg der Beklagten auf dem Grundstück 552/2 seit mindestens 40 Jahren, um das Vieh auf die Felder zu treiben, das Heu zu verbringen und auf die Felder auf den Grundstücken 548/2 und 2028 zu gelangen. Außerdem diente der Weg als Schul- und Kirchweg sowie als Zufahrt zum Hof des Klägers. Der Weg auf Grundstück 552/2 wurde von den jeweiligen Eigentümern der beiden Höfe instand gehalten.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke 554, 548/2 und 2028 in EZ ***** GB ***** die Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens und Viehtriebs an Grundstück 552/2 in EZ ***** GB ***** zustehe, sowie die Beklagte schuldig zu erkennen, der Einverleibung dieser Dienstbarkeit auf ihrem Grundstück 552/2 zugunsten der oben angeführten Grundstücke zuzustimmen. Der auf dem Grundstück der Beklagten verlaufende Weg werde seit Menschengedenken für Zwecke des Hofs des Klägers begangen und befahren. Zwar bestehe nunmehr auch die Möglichkeit, direkt vom öffentlichen Weg zur Hofstelle des Klägers zuzufahren, dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass am Grundstück 552/2 der Beklagten ein längst ersessenes Geh- und Fahrrecht bzw Recht des Viehtriebs bestehe. Die Dienstbarkeit sei jedenfalls für die Grundstücke 554, 548/2 und 2028 des Klägers notwendig, nützlich und ersessen worden. Seit dem Jahr 2004 versuche die Beklagte jedoch, dem Kläger das Geh- und Fahrrecht auf dem gegenständlichen Weg streitig zu machen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass die Zufahrt zur Hofstelle des Klägers von Westen her über einen öffentlichen Weg erfolge. Der Kläger habe lediglich, um Zeit und Weg zu sparen, den Weg ihres Grundstücks 552/2 fallweise jeweils mit Erlaubnis der Beklagten mitbenützt. Das klägerische Grundstück 2028 sei im Flurbereinigungsverfahren durch Zusammenlegung gebildet worden, sodass zugunsten dieser Liegenschaft eine Begründung einer Servitut oder Ersitzung jedenfalls ausgeschlossen sei. Der Kläger habe im Flurbereinigungsverfahren auch kein Wegerecht über Grundstück 552/2 der Beklagten behauptet. Allenfalls bestehende Dienstbarkeitsrechte zugunsten des Grundstücks 548 (jetzt Teil des Grundstücks 2028 sowie Grundstück 548/2) seien untergegangen. Der Kläger sei auch nicht während der gesamten behaupteten Ersitzungszeit Eigentümer der angeblich berechtigten Grundstücke, insbesondere nicht des Grundstücks 2028, gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Rechtlich folgerte es, dass der Kläger bzw seine Rechtsvorgänger die klagsgegenständlichen Dienstbarkeiten ersessen hätten. Gemäß § 26 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (TFLG 1996) würden zwar Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der in § 480 ABGB (ua Ersitzung) genannten Titel gründen, im Zug einer Zusammenlegung bzw Flurbereinigung erlöschen. Dies gelte allerdings nur insoweit, als die in eine Flurbereinigung einbezogenen Grundstücke belastet seien. Das Grundstück 552/2 der Beklagten sei zu keiner Zeit in das Flurverfassungsverfahren miteinbezogen gewesen, weshalb die Dienstbarkeit auch nicht habe erlöschen können. Selbst wenn man der Rechtsauffassung der Beklagten folge, sei zumindest ein Wegerecht zugunsten des Grundstücks 554 jedenfalls ersessen worden, da dieses Grundstück des Klägers ebensowenig Teil des Flurbereinigungsverfahrens gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Beklagten das Ersturteil hinsichtlich der Feststellung der beantragten Dienstbarkeit am Grundstück der Beklagten zugunsten der Eigentümer der Grundstücke 554 und 548/2 sowie die Verpflichtung der Beklagten, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit zugunsten der zwei genannten Grundstücke einzuwilligen. Das Mehrbegehren festzustellen, dass auch dem Eigentümer des Grundstücks 2028 die klagsgegenständliche Dienstbarkeit zustehe und die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung derselben einzuwilligen, wies das Berufungsgericht hingegen ab. Der stattgebende Teil des Berufungsurteils ist - von der beklagten Partei unangefochten - in Rechtskraft erwachsen. Die Abweisung des Mehrbegehrens begründete das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst wie folgt:

Gemäß § 26 Abs 1 TFLG 1996 erlöschen Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der in § 480 ABGB genannten Titel gründen; sie seien jedoch von der Agrarbehörde ausdrücklich aufrecht zu erhalten oder neu zu begründen, wenn sie im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig seien. Zweck des Zusammenlegungsverfahrens sei die Beseitigung des Flurzwangs und lästiger Wegerechte auf fremdem Grund, die Zusammenfassung zersplitterter kleiner Grundstücke zu gut geformten und einheitlich bearbeitbaren Nutzflächen, die an zumindest einer Seite durch einen Weg erschlossen seien, was durch Anlegung eines nach Ausmaß und Qualität ausreichenden Wegenetzes erfolge solle. Auf der Zielsetzung und dem Wesen der Zusammenlegung, dass bei der Neuordnung des Zusammenlegungsgebiets Grunddienstbarkeiten und Reallasten möglichst weitgehend beseitigt werden sollen, beruhe § 6 Abs 1 FlVfGG, dem wiederum die Bestimmung des § 26 Abs 1 TFLG entspreche. Entgegen der früheren Rechtslage sei durch die Flurverfassungsgesetz‑Nov 1967, BGBl 1967/78 festgeschrieben worden, dass grundsätzlich alle Grunddienstbarkeiten und Reallasten von Gesetzes wegen aufgehoben seien, die Behörde jedoch verpflichtet sei, jene Grunddienstbarkeiten, die im öffentlichen Interesse aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin notwendig seien, ausdrücklich aufrecht zu erhalten oder neu zu begründen. Der Zusammenlegungsplan, der über das Ergebnis der Zusammenlegung zu erlassen sei, bringe demnach erschöpfend zum Ausdruck, welche Grunddienstbarkeiten und Reallasten nach der Neuordnung des Zusammenlegungsgebiets noch bestünden. Mit diesem Gesetzeszweck lasse sich die Auffassung, es sei zwischen Belastung oder Berechtigung bezüglich im Zusammenlegungsgebiet gelegener Grundstücke zu unterscheiden, nicht in Einklang bringen; eine derartige Unterscheidung sei dem Gesetz auch nicht zu entnehmen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei das Grundstück 2028 des Klägers im Zusammenlegungsverfahren geschaffen worden und zur Gänze im Zusammenlegungsgebiet gelegen. Grunddienstbarkeiten, die zugunsten einzelner oder aller Flächen dieses Grundstücks bestanden haben sollten, seien daher jedenfalls mit Rechtskraft des Zusammenlegungsplans gemäß § 26 Abs 1 TFLG erloschen. Der Berufung sei daher beizupflichten, dass der Kläger die Dienstbarkeit zugunsten seines Grundstücks 2028 zu Unrecht beanspruche.

Die Revision wurde für zulässig erklärt, weil das Berufungsgericht seine Rechtsansicht, wonach mit Rechtskraft des Teilungsplans hinsichtlich der in ein Zusammenlegungsgebiet fallenden Grundstücke alle nicht ausdrücklich aufrecht erhaltenen Dienstbarkeiten unabhängig davon erlöschen, ob die betroffenen Grundstücke berechtigt oder belastet seien, nicht auf ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs stützen könne.

Gegen den klageabweislichen Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher beantragt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben, in eventu es als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

In seiner Entscheidung 8 Ob 44/08s (EvBl‑LS 2008/5) hatte der Oberste Gerichtshof erst jüngst zu beurteilen, ob das Zusammenlegungsverfahren gemäß § 91 Abs 1 Oö FLG 1979 die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit unterbricht, wenn nur das dienende, nicht aber das herrschende Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen waren. Der diesbezüglich in RIS‑Justiz RS0123566 veröffentlichte Leitsatz, wonach „der Zweck der Zusammenlegung, Grunddienstbarkeiten und Reallasten weitgehend zu beseitigen, nur dann vollständig erreicht werden könne, wenn grundsätzlich auch jene Grunddienstbarkeiten entfallen, die an Grundstücken, die in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind, als dienende Grundstücke bestehen", hat aus den hierin ausführlich niedergelegten Erwägungen auch für den hier vorliegenden umgekehrten Fall, nämlich dass bloß das herrschende Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen war, gleichermaßen zu gelten.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in der zitierten Entscheidung unter Bezugnahme auf den mit dem hier anzuwendenden § 26 TFLG weitestgehend identen Gesetzeswortlaut des § 24 Oö FLG 1979, mit den Materialien zu § 6 FlVfGG 1951 sowie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - nach der von den in § 24 Abs 1 Oö FLG normierten Rechtsfolgen auch ein Grunddienstbarkeitsberechtigter betroffen sein könne, der nicht Eigentümer eines Grundstücks sei, das der Flurbereinigung unterzogen oder für dessen Zweck in Anspruch genommen worden sei (VwGH 98/07/0047; 95/07/0006) - ausführlich befasst. In weiterer Folge hat der Oberste Gerichtshof auch ausgeführt, dass die auf der Grundlage des FlVfGG erlassenen sonstigen Landesgesetze dem § 6 Abs 1 FlVfGG (nahezu) wortgleiche - und damit von der gleichen Tendenz getragene - Bestimmungen aufweisen, sich allerdings lediglich in § 25 Abs 1 Nö FLG (LGBl 1975/100) eine ausdrückliche Klarstellung finde, dass Grunddienstbarkeiten auch dann erlöschen, wenn nur das herrschende oder dienende Grundstück vom Zusammenlegungsverfahren erfasst sei. Der Oberste Gerichtshof führte dazu weiter wörtlich aus: „Das Fehlen einer derartigen Klarstellung im FlVfGG bzw den (übrigen) auf seiner Grundlage erlassenen Flurverfassungs‑Landesgesetzen ist ... wohl darauf zurückzuführen, dass sowohl der Bundes- als auch die Landesgesetzgeber bei der Regelung der Kommassierungen als selbstverständlich von jener Rechtslage ausgingen, die lediglich der niederösterreichische Landesgesetzgeber in § 25 leg cit ausdrücklich klarstellte, und die auch der VwGH in seiner zitierten (ständigen) Rechtsprechung anzuwenden pflegt."

Aus diesen Erwägungen ergibt sich daher in casu ebenfalls eindeutig, dass es nach den zitierten Vorschriften, wie dem hier verfahrensgegenständlichen § 26 TFLG, zum Erlöschen der Grunddienstbarkeiten unabhängig davon kommt, ob lediglich das dienende oder das herrschende Grundstück in das Kommassierungsverfahren einbezogen ist.

Auch mit seinen Ausführungen, dass die Auslegung des § 26 Abs 1 TFLG durch das Berufungsgericht schon deshalb unvertretbar sei, weil sie in unlösbarem Widerspruch zu § 26 Abs 2 TFLG stehe, sowie dem Argument, dass Abs 2 leg cit von „sonstigen Belastungen" spreche, weshalb die Auslegung, dass Abs 1 unter Grunddienstbarkeiten auch solche verstehe, die als Rechte mit Grundstücken verbunden seien, „geradezu denkunmöglich" sei, muss der Rechtsmittelwerber ebenfalls aufgrund der nachstehenden Erwägungen scheitern (vgl im Übrigen nochmals § 25 Abs 2 Nö FLG, worin insoweit wortgleich normiert wird, dass nur „sonstige Belastungen" und Eigentumsbeschränkungen aufrecht bleiben).

Die Revision ist daher insgesamt nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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