European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00127.21S.1129.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Nach § 21 Abs 2 Satz 1 RAO ist der Rechtsanwalt berechtigt, sich im Rahmen seiner Berufstätigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur als Rechtsanwalt zu bedienen, die seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt vorbehalten ist (elektronische Anwaltssignatur). Nach § 22 Abs 3 RAO hat sich der Präsident der Rechtsanwaltskammer zum Zweck der elektronischen Unterfertigung bei Führung der Geschäfte der Rechtsanwaltskammer seiner elektronischen Anwaltssignatur unter Beisetzung einer bildlichen Darstellung des Amtssiegels der Rechtsanwaltskammer und des Vermerks „als Präsident der Rechtsanwaltskammer“ zu bedienen.
[2] 1.2. § 22 Abs 3 RAO setzt eine „elektronische Unterfertigung“ durch den Präsidenten voraus. Im vorliegenden Fall erfolgte die Unterfertigung des – gegen die Verweigerung der Insolvenzeröffnung durch das Erstgericht erhobenen – Rekurses durch die Präsidentin der Antragstellerin – unter Hinzufügung des Amtssiegels der Antragstellerin sowie der Worte vor der Unterschrift „Für das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer“ – handschriftlich. Schon mangels elektronischer Unterfertigung kann das Fehlen des in § 22 Abs 3 RAO genannten Vermerks nicht schaden.
[3] 2.1. Nach § 28 Abs 2 RAO obliegen dem Ausschuss alle Aufgaben, die nicht durch Gesetz einem anderen Organ zugewiesen sind (Auffangtatbestand; dazu Rohregger in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 28 Rz 1 und 34). Die Stellung eines Insolvenzantrags wird vom Gesetz keinem anderen Organ zugewiesen.
[4] 2.2. Nach § 26 Abs 1 Satz 2 Geschäftsordnung für die Tiroler Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss zeichnet für den Ausschuss der Präsident. Dass die Präsidentin der Antragstellerin den – auf dem ERV‑Deckblatt den Anschriftcode der Antragstellerin aufweisenden und daher eindeutig von ihr im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten (2 Ob 133/16x [Pkt I.] mwN) und dabei zulässigerweise nach § 5 Abs 1 Satz 2 ERV 2006 als PDF angehängten – Rekurs „Für das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer“ unterfertigte, ist nicht zu beanstanden, handelt es sich doch beim Ausschuss um das zuständige Organ der Antragstellerin (vgl 6 Ob 186/08h [Pkt 3. aE]).
[5] 3.1. Nach Rechtsprechung und Lehre liegt Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen, und er sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann (RIS‑Justiz RS0064528; RS0065106; RS0052198 ua). Es kommt auf die Gesamtsituation im Einzelfall an (RS0052198 [T3]), sodass eine solche Entscheidung, wenn sie keine gravierende Fehlbeurteilung erkennen lässt, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, grundsätzlich nicht revisibel ist.
[6] 3.2. Die Annahme von Zahlungsunfähigkeit im vorliegenden Einzelfall bedarf keiner Korrektur. Die aus dem Rückstandsausweis der Antragstellerin ersichtlichen Verbindlichkeiten des Antragsgegners reichen bis in das Jahr 2018 zurück. Ihre Gesamthöhe von über 20.000 EUR ist nicht unbeträchtlich. Die vom Antragsgegner kompensando eingewendete Gegenforderung ist weder tituliert noch wird sie von der Antragstellerin anerkannt. Es ist nicht ersichtlich, wie der Antragsgegner – abseits der unzulässigen Methode „Loch auf, Loch zu“ (vgl RS0064528 [T2]) – alsbald (auch) die titulierte Forderung der Antragstellerin befriedigen kann. Er gestand in seiner Rekursbeantwortung durch den Hinweis, der Antragstellerin eine Ratenzahlung von 500 EUR angeboten zu haben und bereit gewesen zu sein, auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft zu verzichten, und die Anmerkung, dass sohin „rein theoretisch“ die Forderung der Antragstellerin innerhalb der nächsten vier Jahre beglichen worden wäre, inhaltlich zu, dass keine bloße Zahlungsstockung vorliegt.
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