OGH 8Ob117/07z

OGH8Ob117/07z28.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof.Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Johann P*****, gegen die beklagte Partei W***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Posch ua, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung (Streitwert 33.926,25 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. August 2007, GZ 2 R 143/07y-14, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 31. Mai 2007, GZ 2 Cg 187/06m-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.692 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 282 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8. 11. 2005 wurde über das Vermögen des Gemeinschuldners das Konkursverfahren eröffnet; der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Der Gemeinschuldner war im Zeitpunkt der Konkurseröffnung Mitglied (Genossenschafter) der Beklagten. Der Kläger kündigte diese Mitgliedschaft mit Schreiben vom 20. 6. 2006 gemäß § 5 der Satzung der Beklagten auf. Die Beteiligung des Gemeinschuldners bei der Beklagten entsprach einer Einlage von 4.150 Geschäftsanteilen zu je 7,50 EUR Nominale, insgesamt daher 31.125 EUR. Daneben weist das Beteiligungskonto des Gemeinschuldners per 08/2006 2.801,25 EUR an nicht behobenen Gewinnanteilen aus. Dabei handelt es sich um die dem Gemeinschuldner zuerkannten Gewinnanteile für die Geschäftsjahre 2003 bis 2005 in der Höhe von je 933,75 EUR, die von ihm nicht behoben und daher dem Geschäftsguthaben zugeschrieben worden waren. Das Geschäftsguthaben des Gemeinschuldners beträgt daher insgesamt 33.926,25 EUR.

Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass der Gemeinschuldner aufgrund der von ihm erklärten Kündigung per 31. 12. 2006 als Genossenschafter der Beklagten ausgeschieden ist.

Die Beklagte hat im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners eine dessen Auseinandersetzungsguthaben übersteigende Forderung (rund 1 Mio EUR) angemeldet, die in der Prüfungstagsatzung bestritten wurde.

Auf das Kündigungsschreiben des Masseverwalters antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 6. 7. 2006. Darin führte sie aus, dass das Geschäftsguthaben des Gemeinschuldners erst mit 1. 1. 2008 zur Auszahlung fällig sei und die Beklagte mit diesem Datum von ihrem Recht der Aufrechnung gemäß § 37 Abs 2 der Satzung Gebrauch machen werde. Eine Auszahlung des Geschäftsguthabens sei daher nicht möglich.

§ 37 Abs 2 der Satzung der Beklagten lautet:

„GESCHÄFTSANTEILE

...

2. Die auf den Geschäftsanteil geleisteten Einzahlungen zuzüglich der Zuschreibung von Gewinnanteilen gemäß § 44 Abs 2 und abzüglich etwaiger Verlustabschreibungen gemäß § 45 Abs 1 bilden das Geschäftsguthaben eines Genossenschafters. Die Abtretung oder Verpfändung desselben ist unzulässig und der Genossenschaft gegenüber unwirksam. Eine Aufrechnung des Geschäftsguthabens gegen Schulden des Genossenschafters bei der Genossenschaft zu deren Nachteil ist nicht gestattet. Der Genossenschaft gegenüber haftet das Geschäftsguthaben des Mitgliedes für einen etwaigen Ausfall, den die Genossenschaft im Konkurs oder im Ausgleichsverfahren des Mitgliedes erleidet.

... ."

Der Kläger begehrt in seinem (modifzierten) Klagebegehren die Feststellung, dass der beklagten Partei gegen den Anspruch der klagenden Partei auf Auszahlung eines Beteiligungsguthabens in Höhe von 31.125 EUR zuzüglich nicht behobener Gewinnanteile der Geschäftsjahre 2003 bis 2005 in Höhe von zusammen 2.801,25 EUR, zuzüglich eines Gewinnanteils für das Geschäftsjahr 2006 in noch unbekannter Höhe, ein Recht zur Aufrechnung mit Gegenforderungen, die vor Konkurseröffnung entstanden sind, und ein sonstiges, darüber hinausgehendes Recht zur bevorzugten Befriedigung aus diesem Anspruch nicht zustehe. Ferner erhob der Kläger ein Eventualbegehren, das einerseits auf Zahlung von 2.801,25 EUR an nicht behobenen Gewinnanteilen der Geschäftsjahre 2003 bis 2005 und andererseits auf Feststellung des Nichtbestehens des Aufrechnungsrechts im Umfang eines Beteiligungsguthabens von 31.125 EUR zuzüglich des Gewinnanteils 2006 gerichtet war.

Der Kläger brachte dazu im Wesentlichen vor:

Der Anspruch auf das Beteiligungsguthaben von 31.125 EUR sei mit dem satzungsmäßigen Ende der Mitgliedschaft des Gemeinschuldners am 31. 12. 2006 entstanden. Der Anspruch werde mit 1. 1. 2008 fällig werden. Der Anspruch auf Auszahlung der nicht behobenen Gewinnanteile für die Geschäftsjahre 2003 bis 2005 sei jeweils mit der Beschlussfassung der Generalversammlung in den darauf folgenden Jahren entstanden und werde ebenfalls - wie auch die Forderung des Klägers auf Auszahlung des noch in der Generalversammlung 2007 zu beschließenden Gewinnanteils für das Geschäftsjahr 2006 - mit 1. 1. 2008 fällig. Dass die Beklagte beharrlich den Standpunkt vertrete, sie werde diese Ansprüche nicht auszahlen, weil sie mit ihrer im Konkurs angemeldeten Forderung gegen den Gemeinschuldner aufrechnen werde, bewirke eine Unsicherheit des Rechtsverhältnisses, die das Feststellungsbegehren rechtfertige. Die Aufrechnung des Auseinandersetzungsanspruchs eines Gesellschafters mit einer Forderung der Gesellschaft sei gemäß § 20 Abs 1 KO unzulässig, weil die ab Konkurseröffnung entstehenden Forderungen des Gemeinschuldners den allen Gläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsfonds erhöhen sollten. Auch ein von der Beklagten behauptetes Recht auf sonstige bevorzugte Befriedigung stehe ihr nicht zu.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Ihre Forderung, die schon aus einem früheren Konkursverfahren resultiere, habe bereits lange vor dem nun anhängigen Konkursverfahren bestanden. Nach § 37 Abs 2 der Satzung der Beklagten stehe ihr ein Aufrechnungsrecht zu. Der Genossenschaft gegenüber hafte nämlich das Geschäftsguthaben des Mitglieds für einen Ausfall, den die Genossenschaft im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren des Mitglieds erleide. Entgegen der Auffassung des Klägers entstehe der Anspruch auf das Geschäftsguthaben infolge des Ausscheidens des Gemeinschuldners als Genossenschafter nicht erst mit Rechtswirksamkeit des Ausscheidens. Der Gemeinschuldner habe als Genossenschafter schon vor seinem Austritt einen grundsätzlich übertragbaren, von seinen Privatgläubigern pfändbaren und auch privat verpfändbaren Anspruch gehabt. Lediglich die Konkretisierung der Höhe nach bleibe der Bilanz des Ausscheidungsjahres vorbehalten. Daraus folge, dass dem Gemeinschuldner als Genossenschafter der Beklagten bereits vor Konkurseröffnung ein bedingt bestehender Anspruch auf das Geschäftsguthaben zugestanden sei. Da die Forderung der Beklagten nicht erst innerhalb der letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung erworben worden sei, sei eine Aufrechnung gemäß § 19 KO zulässig. Selbst wenn aber der Anspruch des Klägers erst nach Konkurseröffnung entstanden sei, sei die Klage nicht berechtigt: Das Geschäftsguthaben des Gemeinschuldners könne als Vermögenswert für die Konkursmasse noch nicht realisiert werden, da es erst zum 1. 1. 2008 fällig sei. Für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt das Konkursverfahren bereits aufgehoben sei, sei die Beklagte in jedem Fall zur Aufrechnung berechtigt. Derzeit sei aber noch nicht absehbar, ob das Konkursverfahren zum 1. 1. 2008 noch anhängig sein werde. Dauere das Konkursverfahren über diesen Zeitpunkt hinaus an, könne der Masseverwalter die Leistungsklage erheben. Die Aufrechnung gemäß § 20 KO sei nur dann ausgeschlossen, wenn der Konkursgläubiger erst nach Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder die Forderung des Gläubigers gegen den Gemeinschuldner erst nach Konkurseröffnung erhoben worden wäre. Beides treffe nicht zu, weshalb die Aufrechnung zulässig sei. Es komme nicht auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung an, sondern auf jenen, zu dem die Aufrechnungslage bereits objektiv bestanden habe.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 31. 5. 2007 sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Unter Berufung auf eine Entscheidung des LG Linz ging es davon aus, dass der Auseinandersetzungsanspruch des Gemeinschuldners bereits im Zeitraum vor der Konkurseröffnung entstanden und die Aufrechnung daher zulässig sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagehauptbegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Gemäß § 19 Abs 2 KO werde die Aufrechnung nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt war. Die Aufrechnung im Konkurs setze allerdings voraus, dass die Forderungen einander bereits bei Eröffnung des Konkurses aufrechenbar gegenüber gestanden seien. Nach § 20 Abs 1 erster Fall KO sei die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden sei.

Hier sei unstrittig, dass der Kläger die Mitgliedschaft des Gemeinschuldners iSd § 77 GenG mit Schreiben vom 20. 6. 2006 satzungsgemäß gekündigt habe, dass diese Kündigung mit Ende 2006 wirksam geworden sei und dass der Anspruch des Gemeinschuldners auf Auszahlung mit 1. 1. 2008 fällig werde.

Zur Kommanditgesellschaft habe der Oberste Gerichtshof seit SZ 56/128 wiederholt ausgesprochen, dass der Abfindungsanspruch des aus der Kommanditgesellschaft ausscheidenden Gesellschafters erst im Zeitpunkt seines Ausscheidens, also mit rechtskräftiger Konkurseröffnung, entstehe. Der Gesellschafter erlange erst mit dem Zeitpunkt seines Ausscheidens anstelle seiner dinglichen Berechtigung als Gesamthandeigentümer des Gesellschaftsvermögens den schuldrechtlichen Abfindungsanspruch, der zwar dem Gesellschaftsvertrag entspringe, aber erst mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft konkretisiert werde und sich nach den Verhältnissen der Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bestimme. Vor Beendigung der Auseinandersetzung sei ungewiss, ob der im Gesetz (und im Gesellschaftsvertrag) verankerte Abfindungsanspruch überhaupt zustehe. Er könne daher vor Feststellung auch nicht zur Aufrechnung verwendet werden. Ein Aufrechnungsvertrag, der gegen die zwingenden Bestimmungen über die Aufrechnung im Konkursverfahren verstoße, sei rechtsunwirksam. Die „Kerntheorie", nach der die Zulässigkeit der Aufrechnung damit begründet werde, dass mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags der Anspruch des Gesellschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben seinem Kern nach bzw bedingt vorhanden sei, habe der Oberste Gerichtshof abgelehnt.

Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den zu diesem Fragenkomplex ergangenen (unterschiedlichen) Lehrmeinungen zog das Berufungsgericht daraus für den hier zu beurteilenden Fall des Ausscheidens eines Genossenschafters folgende Konsequenzen:

Die Beklagte sei eine Genossenschaft mit beschränkter Haftung. Bei dieser handle es sich weder um eine Kapitalgesellschaft, noch um eine Personengesellschaft; sie verbinde vielmehr gewisse Elemente beider Gesellschaftsarten. Gemäß § 82 Abs 1 GenG könnten die Geschäftsanteile und die sonstigen aufgrund des Genossenschaftsverhältnisses zugeschriebenen Guthaben der Genossenschafter mit Bewilligung des Vorstands an andere übertragen werden, wenn nicht der Genossenschaftsvertrag anderes vorsehe. § 59 GenG räume dem Privatgläubiger des Genossenschafters die Kündigungsmöglichkeit für den Fall ein, dass die Zwangsvollstreckung in das sonstige Vermögen des Genossenschafters erfolglos bleibe; dies gelte auch für die Genossenschaft mit beschränkter Haftung. Der Privatgläubiger könne die Exekution auf das Auseinandersetzungsguthaben des Mitglieds bewirken. Der Genossenschafter habe somit schon vor seinem Austritt einen grundsätzlich übertragbaren, von seinen Privatgläubigern pfändbaren und auch privat verpfändbaren Anspruch. Die gesellschaftsrechtlichen Positionen des Kommanditisten einerseits und eines Mitglieds einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung andererseits seien sowohl hinsichtlich ihrer Haftung als auch hinsichtlich ihrer Ansprüche für den Fall ihres Ausscheidens in verschiedener Hinsicht vergleichbar:

Die persönliche Haftung des Kommanditisten für Gesellschaftsverbindlichkeiten sei auf den Betrag seiner Vermögenseinlage (Hafteinlage) beschränkt. Auch bei der Genossenschaft mit beschränkter Haftung hafte jeder Genossenschafter für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft nur bis zu einem bestimmten, im Voraus festgesetzten Betrag. Ende die Beteiligung eines Genossenschafters, ohne einem anderen unter Lebenden oder von Todes wegen übertragen zu werden, so habe das Mitglied oder seine Verlassenschaft Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Diese Forderung auf Zahlung einer Geldsumme umfasse aber nur das Geschäftsguthaben des Mitglieds nach dem Rechnungsabschluss für das Geschäftsjahr des Ausscheidens, jedoch keine Teilnahme am Reservefonds (den Rücklagen) und am sonstigen Vermögen der Genossenschaft (wobei aber anderes vereinbart werden könne). Eine durch Austritt realisierbare Beteiligung am Gesamtvermögen der Genossenschaft bestehe von Gesetzes wegen nicht. Das ausscheidende Mitglied habe auf seinen Anteil am Gesamtvermögen keinen Anspruch. Bei der Kommanditgesellschaft sei die ordentliche Austrittskündigung eines Kommanditisten unter Fortbestand der Gesellschaft zwar nicht die Regel, könne aber gesellschaftsvertraglich festgelegt sein. Auch § 135 HGB sehe die Kündigung der Gesellschaft durch einen Privatgläubiger vor, die grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft führe, doch könnten die übrigen Gesellschafter aufgrund eines entsprechenden Beschlusses erklären, dass die Gesellschaft von ihnen fortgesetzt werden solle. In diesem Fall scheide der betroffene Gesellschafter mit dem Ende des Geschäftsjahrs aus der Gesellschaft aus. Der Gläubiger könne sodann auf den Abfindungsanspruch des Gesellschafters greifen. Dies gelte gemäß § 177 HGB auch für Kommanditisten. Im Fall des Konkurses eines Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft gelte der Gemeinschuldner als mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung aus der Gesellschaft ausgeschieden. Demgegenüber stelle die Konkurseröffnung über das Vermögen des Genossenschafters keinen gesetzlich zwingenden Grund für die Ausschließung aus der Genossenschaft dar. Nach § 6 Abs 1 lit d der Satzung der Beklagten könne aber ein zahlungsunfähig gewordener Genossenschafter durch Vorstandsbeschluss ausgeschlossen werden. Daraus ergebe sich, dass der Anspruch des Genossenschafters auf sein Ausscheidensguthaben nicht (bereits) mit Konkurseröffnung entstehe, sondern erst durch den Ausschluss durch die Gesellschaft oder - wie hier - durch Austrittserklärung.

Von der Beklagten geltend gemachte Unterschiede zwischen Kommanditgesellschaft und Genossenschaft seien für die Frage der Entstehung des Abfindungsanspruchs nicht relevant.

Berücksichtige man überdies den Zweck des § 20 KO und den strengen Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger, bestehe kein Anlass, die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Kommanditgesellschaften und den Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht auch auf Genossenschaften anzuwenden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Genossenschafters im Zeitpunkt seines Ausscheidens entstehe. Die Aufrechnung der Beklagten gegen diesen Anspruch sei daher nicht zulässig. § 37 Abs 2 der Satzung sei insoweit unwirksam, weil die Bestimmungen über die Aufrechnung im Konkurs zwingend seien. Die Ausführungen der Beklagten, dass das Konkursverfahren ohne das hier anhängige Verfahren bereits hätte beendet werden müssen, seien hypothetisch. Tatsächlich sei unstrittig, dass das Konkursverfahren zum maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch anhängig sei. Rechtliche Erwägungen zur Aufrechenbarkeit nach Abschluss des Konkursverfahrens seien daher entbehrlich.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur hier zu entscheidenden Aufrechnungsproblematik beim Ausscheiden eines Genossenschafters Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Aufrechnung im Konkurs ist in den §§ 19, 20 KO geregelt. Danach lässt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich die bereits vorher bestandene Möglichkeit der Aufrechnung unberührt. Die Forderungen müssen sich also bei Konkurseröffnung bereits aufrechenbar gegenüber gestanden sein. Entsteht eine der Forderungen erst durch die oder nach der Konkurseröffnung, fehlt es an dieser Voraussetzung der Aufrechenbarkeit. Allerdings schadet die Bedingtheit oder Befristetheit einer Forderung nicht. Entscheidend ist hier somit, wann der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben des Genossenschafters entsteht. Geht man mit der Beklagten davon aus, dass der Anspruch schon während der aufrechten Mitgliedschaft des Gemeinschuldners und damit vor Konkurseröffnung bedingt iSd § 19 Abs 2 KO bestanden hat, so wäre eine Aufrechnung im vorliegenden Fall zulässig. Folgt man jedoch der vom Berufungsgericht geteilten Auffassung des Klägers, dass der Abfindungsanspruch erst mit Ausscheiden aus der Genossenschaft entsteht, ist eine Aufrechnung gemäß § 20 Abs 1 KO unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung für die Kommanditgesellschaft und auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Rechtsauffassung, dass der Abfindungsanspruch des aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafters erst im Zeitpunkt seines Ausscheidens entsteht und dass daher eine Aufrechnung zwischen diesem Abfindungsanspruch und mit einer Forderung der Gesellschaft gemäß § 20 Abs 1 KO unzulässig ist (RIS-Justiz RS0061727; SZ 56/128; zuletzt 2 Ob 240/01k). In der zu einer Kommanditgesellschaft ergangenen Leitentscheidung SZ 56/128 wurde dies damit begründet, dass der Abfindungsanspruch des Gemeinschuldners erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gemeinschuldners entstehe. Der ausscheidende Gesellschafter erlange anstelle seiner dinglichen Berechtigung als Gesamthandeigentümer des Gesellschaftsvermögens einen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch. Dieser gesetzliche Anspruch entspringe zwar dem Gesellschaftsvertrag, doch entstehe er erst durch das einseitige Ausscheiden des Gesellschafters in Umwandlung des bis dahin bestehenden Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben. Der Abfindungsanspruch sei zwar im Gesellschaftsvertrag und im Gesetz vorgezeichnet, doch konkretisiere er sich erst beim Ausscheiden des Gesellschafters nach Maßgabe der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt. Vor Beendigung dieser Auseinandersetzung sei es überhaupt ungewiss, ob dem Gesellschafter eine Geldforderung zusteht. Deshalb könne der Anspruch vor Feststellung der Abfindung auch nicht zur Aufrechnung verwendet werden. Vereinbarungen, durch die für den Fall eines späteren Konkurses zugunsten einzelner Gläubiger dennoch für solche Fälle die konkursmäßige Aufrechenbarkeit gesichert werden soll, seien unwirksam.

In der Lehre wurde dieser Auffassung teilweise zugestimmt (Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, 328 f mwN; Koppensteiner in Straube, HGB³ Art 7 Nr 15 Rz 17; Jabornegg in Jabornegg, HGB, § 138 Rz 31), teilweise wurde sie abgelehnt (König, Aufrechnung mit dem gesellschaftsrechtlichen Abfindungsanspruch im Konkurs des Gesellschafters, WBl 1987, 52; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht II4 237; Schubert in Konecny/Schubert, KO, §§ 19, 20 Rz 51, Gamerith in Buchegger/Bartsch/Pollak, KO, § 20 Rz 12; Pechmann, Fälle der unzulässigen Aufrechnung mit Konkursforderungen 33 f). In 2 Ob 240/01k hat sich der Oberste Gerichtshof mit der von Teilen der Lehre geübten Kritik und mit der - bei vergleichbarer Rechtslage - von der deutschen Rechtsprechung vertretenen „Kerntheorie" (BHG IX ZR 355/98 = ZIP 2000, 758 mwN), nach der Ansprüche des Gesellschafters auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in ihrem rechtlichen Kern bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vorhanden und daher aufrechenbar seien, ausführlich auseinandergesetzt. Er hielt aber an seiner Rechtsprechung fest. Insbesondere hat er die von den Kritikern vertretene „erweiterte Bedingungstheorie" abgelehnt. Eine Forderung sei dann bedingt, wenn ihr Entstehen oder ihr Erlöschen nach dem Parteiwillen von einem künftigen, ungewissen Ereignis abhängt (§§ 696, 897 ABGB). Das Fehlen einer gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung könne aber nicht schlechthin mit dem Vorhandensein einer Bedingung gleichgesetzt werden.

Von dieser Auffassung abzugehen, besteht für den Senat keine Veranlassung. Die Revisionswerberin stellt ihre Richtigkeit für die Kommanditgesellschaft auch gar nicht in Frage, meint aber, dass sie auf den Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Genossenschafters nicht übertragbar sei. Dem ist jedoch nicht beizupflichten. Das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass die Rechtsstellung des Kommanditisten mit jener des Genossenschafters in mehrfacher Hinsicht vergleichbar ist: Insbesondere ist die Haftung beider beschränkt, beiden steht bei ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft ein Anspruch auf Abfindung bzw auf ein Ausscheidensguthaben zu. Bei beiden Gesellschaften ist eine Kündigung durch einen Privatgläubiger möglich (siehe dazu die eingehende Begründung der zweiten Instanz). Die vom Berufungsgericht herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten werden in der Revision auch gar nicht bestritten. Die Revisionswerberin stützt sich aber einerseits darauf, dass der Genossenschafter schon vor seinem Austritt einen grundsätzlich übertragbaren, pfändbaren und verpfändbaren Anspruch gegen die Gesellschaft hat und andererseits darauf, dass das Ausscheidungsguthaben des Genossenschafters nur das Geschäftsguthaben, jedoch keine Teilnahme am Reservefonds, umfasst. Diese vom Berufungsgericht ohnedies bedachten Umstände stehen aber - wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt - der Anwendung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Kommanditgesellschaft auch auf den hier zu beurteilenden Fall nicht entgegen: Entscheidend ist, dass es sich auch bei der Genossenschaft - wie bei der Kommanditgesellschaft - beim Abfindungsanspruch des Genossenschafters um einen gesetzlichen Anspruch handelt, der zwar dem Gesellschaftsvertrag entspringt, aber erst durch das einseitige Ausscheiden des Gesellschafters entsteht. Nach § 55 Abs 1 GenG sind die ausgeschiedenen Genossenschafter „berechtigt zu verlangen, dass ihnen ihr Geschäftsanteil, wie er sich nach dem Rechnungsabschlusse für das Jahr, in welchem der Genossenschafter ausgeschieden ist, darstellt, einen Monat nach Feststellung dieses Rechnungsabschlusses ausgezahlt werde". Auch bei der Genossenschaft ist somit der Abfindungsanspruch zwar im Gesellschaftsvertrag und im Gesetz vorgezeichnet; er konkretisiert sich aber erst beim Ausscheiden des Gesellschafters nach Maßgabe der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft, sodass kein Grund besteht, die zur Kommanditgesellschaft entwickelte Rechtsprechung auf die Genossenschaft nicht anzuwenden. Der Rechtsauffassung der zweiten Instanz ist daher zuzustimmen.

Im Übrigen wäre im zu beurteilenden Fall auch nach der von der deutschen Rechtsprechung vertretenen „Kerntheorie" eine Aufrechnung nicht möglich. In seiner Entscheidung IX ZR 147/03 hat der BGH seine auf dieser Theorie beruhende Rechtsauffassung auch für die Genossenschaft bekräftigt. Er wies jedoch darauf hin, dass die Aufrechnung nur dann zulässig sei, wenn der Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens bei Eintritt der Rechtsbedingung von Rechts wegen ohne weiteres Zutun der Parteien - gleichsam automatisch - entsteht. Eine vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung könne diese Voraussetzung nicht herbeiführen (in diesem Sinn vgl auch König, WBl 1987, 53). Im hier zu beurteilenden Fall endete die Mitgliedschaft des Gemeinschuldners aber nicht ohne weiteres Zutun der Parteien („automatisch"), sondern durch die Kündigung des Masseverwalters. Auch nach der Kerntheorie wäre daher hier die Aufrechnung nicht zulässig.

Schließlich bestreitet die Revisionswerberin das Feststellungsinteresse des Klägers, weil das Konkursverfahren ohne das hier zu entscheidende Verfahren bereits hätte abgeschlossen werden müssen und der geltend gemachte Anspruch und die Frage der Aufrechnung nach Aufhebung des Konkurses anders zu beurteilen wären. Dem hat schon das Berufungsgericht zu Recht entgegen gehalten, dass die Beklagte damit gar nicht bestreitet, dass das Konkursverfahren nicht nur zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, sondern nach wie vor anhängig ist. Hypothetische Überlegungen darüber, unter welchen Voraussetzungen, zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Folgen es hätte aufgehoben werden können, sind daher nicht anzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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