Spruch:
Zur Verhandlung der Rechtssache wird anstelle des Landesgerichtes Graz das Handelsgericht Wien bestimmt.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Äußerung zum Delegierungsantrag der klagenden Partei selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit der ursprünglich beim Handelsgericht Wien als Wiederklage eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung einer Konkursforderung (Schadenersatzansprüche aus einem mangelhaft erfüllten Vertrag mit der Gemeinschuldnerin). Über diese Forderung sei beim Handelsgericht Wien ein Leistungsprozess anhängig; in diesem sei die hier geltend gemachte Schadenersatzforderung als Gegenforderung eingewendet worden.
Über Einrede des Beklagten sprach das Handelsgericht Wien seine Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache (auf Grund eines für diesen Fall gestellten Antrags der Klägerin) an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Nunmehr begehrt die Klägerin die Delegierung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien, weil das von diesem geführte Parallelverfahren weit fortgeschritten sei und fast alle im vorliegenden Prozess einzuvernehmenden Zeugen im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien bereits vernommen worden seien. Zudem sei der im Wiener Verfahren beigezogene (Wiener) Sachverständige mit der Sachlage bestens vertraut; sämtliche zu besichtigenden Gegenstände seien ebenfalls in Wien.
Die Beklagte sprach sich gegen die Delegierung aus, zumal sie zu einer Änderung der Zuständigkeitsordnung führen würde. Sie sei auch nicht zweckmäßig, weil die Beklagte weder die Beiziehung eines Sachverständigen noch die Einvernahme von Zeugen beantragt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist berechtigt.
Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichtes ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Zielsetzung der Delegation ist eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszuganges oder der Amtstätigkeit (vgl 5 Nd 518/00 uva). Ein Delegierungsantrag ist daher in der Regel nur dann zweckmäßig, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RIS-Justiz RS0053169). Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch Verbindung von Prozessen eine mehrfache Beweisaufnahme zu denselben Beweisthemen vermieden werden kann (JBl 1986, 53; 1 Nd 501/99; 4 Nc 6/03z). Im Allgemeinen soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und es soll keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (JBl 1986, 53; EFSlg 69.711 ua).
Im hier zu beurteilenden Fall sprechen aber Zweckmäßigkeitsüberlegungen dafür, die Rechtssache vor dem Handelsgericht Wien zu verhandeln:
Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt die Auffassung vertreten, dass ein Delegierungsantrag aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht nur dann berechtigt sein kann, wenn beide Parteien oder zumindest eine von ihnen und die überwiegende Zahl der Zeugen im Sprengel des Gerichtes wohnen, dessen Delegierung beantragt wird, sondern beispielsweise auch dann, wenn die Ansprüche, die mit verschiedenen Klagen bei verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden, untereinander im Zusammenhang stehen (6 Ob 88/65; JBl 1986, 53; vgl auch 7 Nd 515/82). Dies muss daher auch dann gelten, wenn in verschiedenen Verfahren vor verschiedenen Gerichten ein- und dieselbe Forderung (einmal als Haupt- einmal als Gegenforderung) geltend gemacht wird. Genau das ist aber - wie die Klägerin unwidersprochen behauptet - hier der Fall.
Dazu kommt, dass im hier zu beurteilenden Fall das in Wien anhängige Verfahren bereits weit gediehen ist, sodass die Klägerin mit Recht die Erwartung einer Nutzbarmachung der dort erzielten Verfahrensergebnisse für das hier zu beurteilende Verfahren betont. Dass im vorliegenden Verfahren außer der Bezugnahme auf den in Wien anhängigen Akt und einen weiteren Akt des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien noch keine Beweisaufnahmen beantragt wurden, trifft zu. Das hier zu beurteilende Verfahren ist aber in der Sache über den Austausch der verfahrenseinleitenden Schriftsätze nicht gediehen, wozu noch kommt, dass auch in diesen Schriftsätzen der Gegenstand des Verfahrens - wegen der Bezugnahme auf das Parallelverfahren - nur ansatzweise konkretisiert wird. Sollte es daher nicht zu einer (die Verbindung der Verfahren ermöglichenden) Delegierung kommen, müssten entsprechende Prozessbehauptungen aufgestellt und geeignete Beweismittel beantragt werden. Das dazu erstattete Vorbringen der klagenden Partei, dass fast alle aufzunehmenden Beweise bereits im Parallelverfahren durchgeführt wurden, blieb unwidersprochen.
Da der Beklagte im Zwischenstreit um die Delegierung (3 Nd 512/01; 4 Nd 501/98; 2 Ob 617/90) unterlegen ist, hat er die von ihm verzeichneten Kosten seiner (ablehnenden) Äußerung selbst zu tragen.
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