European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0080NC00026.20W.0930.000
Spruch:
Der Antrag der beklagten Partei, die Rechtssache an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zu delegieren, wird abgewiesen.
Begründung:
Der Kläger bezieht aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses zur Beklagten eine Betriebspension. Mit dem Vorbringen, die Beklagte habe die ihm zustehenden Pensionsleistungen einseitig unzulässig gekürzt, begehrt er mit seiner Stufenklage Rechnungslegung und Zahlung.
Die Beklagte bestritt in ihrem vorbereitenden Schriftsatz das Klagebegehren und stellte gleichzeitig den Antrag, die Rechtssache gemäß § 31 Abs 1 und 2 JN an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zu delegieren.
Nicht nur hätten die drei zum Beweis des Beklagtenvorbringens angebotenen Zeugen ihre Ladungsadresse im Sprengel dieses Gerichts, sondern es sei dort ein Parallelverfahren anhängig, in dem die selben Tat- und Rechtsfragen zu klären seien. In diesem Verfahren habe bereits eine vorbereitende Tagsatzung stattgefunden. Der Beklagten sei außerdem die Einbringung zahlreicher weiterer einschlägiger Klagen ehemaliger Angestellter beim Arbeits- und Sozialgericht Wien angekündigt worden.
Der Kläger sprach sich gegen den Antrag aus. Die Delegierung sei nicht zweckmäßig, zumal auch beim angerufenen Gericht mehrere gleichartige Parallelverfahren anhängig seien.
Das angerufene Gericht legte den Antrag mit der Stellungnahme vor, dass es sowohl für als auch gegen die beantragte Delegierung sprechende Gründe sehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
1. Eine Delegierung nach § 31 JN soll den Ausnahmefall darstellen; keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046441). Eine Delegierung ist dann zweckmäßig, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RS0053169).
2. Zweckmäßigkeitsgründe sind insbesondere der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (RS0046540) oder wenn Ansprüche, die mit verschiedenen Klagen bei verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden, untereinander im Zusammenhang stehen (RS0046528). Es ist dabei eine Abwägung vorzunehmen. Die Wohnsitze der beantragten Zeugen sind für die Annahme der erforderlichen Zweckmäßigkeit für sich allein nicht ausreichend (RS0046589 [T27]). Die Delegierung kann auch nicht nur darauf gestützt werden, dass bei einem anderen Gericht ein Verfahren anhängig sei, in welchem eine für das gegenständliche Verfahren präjudizielle Vorfrage zu entscheiden ist (RS0046134 [T2], RS0046303). Andererseits kann die Möglichkeit, mehrere ganz gleichgelagerte Verfahren zu verbinden und dadurch Verfahrensaufwand, etwa für Sachverständigengutachten, zu ersparen, für die Delegierung sprechen (RS0046589 [T11]).
3. Die Übertragung der Zuständigkeit muss im Interesse beider Parteien liegen (RS0046471); im Zweifel, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten beider Parteien beantwortet werden kann und eine von ihnen widerspricht, ist dieser in der Regel der Vorzug zu geben (RS0046589 [T4, T23, T26]).
4. Im vorliegenden Fall sind nach dem Vorbringen der Parteien sowohl beim angerufenen als auch beim anderen Gericht Parallelverfahren anhängig, wobei noch in keinem eine Tagsatzung zur Beweisaufnahme stattgefunden hat. Überlegungen der Verfahrensökonomie können daher derzeit zugunsten keines der beiden in Frage kommenden Gerichte den Ausschlag geben.
Allein der Umstand, dass drei beantragte Zeugen ihren Arbeitsort im Sprengel des Arbeits- und Sozialgerichts Wien haben, führt nicht dazu, dass die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens bejaht werden kann, zumal der Kläger selbst in Vorarlberg wohnt.
Der Antrag war daher abzuweisen.
Der im Zwischenstreit obsiegende Kläger hat für seine Stellungnahme keine Kosten verzeichnet (RS0036025).
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