OGH 7Ob7/89

OGH7Ob7/899.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred M***, Kfz-Mechaniker, Wien 16., Lindauergasse 25, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*** Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Schottenring 57, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 700.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4. November 1988, GZ 3 R 182/88-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 1. Dezember 1987, GZ 16 Cg 20/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.857,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.976,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat mit der beklagten Partei unter anderem eine Gewerbegesamtversicherung und eine Wohnhausgesamtversicherung abgeschlossen. Er begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei für einen am 8. November 1985 eingetretenen Brandschaden.

Die beklagte Partei behauptet Leistungsfreiheit wegen Verzuges des Klägers mit der Zahlung der Folgeprämien. Der Kläger beruft sich auf eine Zusage der beklagten Partei, ungeachtet des Prämienrückstandes Versicherungsschutz zu gewähren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen

Feststellungen hatten die Parteien für die zahlreichen

Versicherungen, die der Kläger bei der beklagten Partei genommen

hatte, eine besondere Form der Prämienzahlung über ein

Prämienverrechnungskonto vereinbart. Die Gesamtsumme der für alle

Versicherungen im Jahr zu zahlenden Prämien wurde jeweils

festgestellt und auf Monatsprämien umgerechnet. Die Monatsprämie

enthielt vereinbarungsgemäß aliquot die Anteile der einzelnen

Versicherungen, ohne daß die Zahlung der Monatsprämie einer

bestimmten Versicherung zuzurechnen war. Der Kläger, über dessen

Vermögen am 17. Juni 1983 der Konkurs eröffnet worden war, kam in

Zahlungsschwierigkeiten. Sein Betrieb wurde mit Zustimmung des

Konkursgerichtes weitergeführt. Die Erledigung der

Versicherungsangelegenheiten oblag seit jeher der Ehefrau des

Klägers. Auch der Masseverwalter beauftragte diese, alle Kontakte

mit der Versicherung weiter zu übernehmen. Am 16. Jänner 1985

richtete die beklagte Partei ein eingeschriebenes Schreiben an den

Kläger mit folgendem wesentlichen Inhalt: "Wie wir ..... feststellen

mußten, haben Sie die ...... am 22. Februar 1984 getroffene

Zahlungsvereinbarung nicht eingehalten. Es ist daher Terminsverlust

eingetreten ..... Die auf Ihrem Prämienverrechnungskonto aushaftende

Gesamtschuld ...... von S 225.209,-- ist sofort zur Gänze

fällig ....... Zur Bezahlung des gesamten Prämienrückstandes räumen

wir Ihnen gemäß §§ 39 und 91 Versicherungsvertragsgesetz ...... eine

Frist von einem Monat ein. Sollten Sie den Prämienrückstand innerhalb dieser Frist nicht bezahlen, so sind mit diesem Zahlungsverzug auf Grund des Gesetzes nachstehende Rechtsfolgen verbunden: Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig bezahlt, so kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens 2 Wochen, im Falle der Gebäudefeuerversicherung eine Zahlungsfrist von mindestens einem Monat bestimmen. Tritt der Versicherungsfall nach dem Ablauf der Frist ein und ist der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes mit der Zahlung der Prämie oder der geschuldeten Zinsen oder Kosten im Verzug, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei. Der Versicherer kann nach Ablauf der Frist, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung im Verzug ist, das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Wirkungen der Kündigung fallen fort, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder falls die Kündigung mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach dem Ablauf der Zahlungsfrist die Zahlung nachholt, soferne nicht der Versicherungsfall bereits eingetreten ist ..... Nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist wird die mit Ihnen getroffene Zahlungsvereinbarung gegenstandslos und Ihr Prämienverrechnungskonto aufgelöst. Die Prämienvorschreibung wird sodann für jeden Vertrag gesondert erfolgen." Wegen des anhaltenden Zahlungsverzuges wurde das Prämienkonto in der Folge aufgelöst. Am 21. Mai 1985 richtete die beklagte Partei an die Adresse des Klägers zwei gleichlautende, die Wohnhausgesamtversicherung Polizze Nr. K 2-S 061.528-9 und die Gewerbegesamtversicherung Polizze Nr. K 4-S 110.994-8 betreffende Mahnungen, die die offenen Prämien mit S 15.089,-- und S 47.772,-- auswiesen und folgenden wesentlichen Wortlaut haben: "Wir haben uns erlaubt, Sie vor einiger Zeit darauf aufmerksam zu machen, daß zu der obgenannten Versicherung eine Prämie fällig wurde. Da der fällige Prämienbetrag bis heute nicht bei uns eingegangen ist, räumen wir gemäß § 39 Versicherungsvertragsgesetz zur Zahlung des oben angeführten Betrages eine Frist von einem Monat ein. Sollten Sie den Prämienrückstand innerhalb dieser Frist nicht zahlen, so sind mit diesem Zahlungsverzug aufgrund des Gesetzes nachstehende Rechtsfolgen verbunden: § 39 VersVG (Auszug): Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, so kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens 2 Wochen bestimmen. Tritt der Versicherungsfall nach dem Ablauf der Frist ein und ist der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes mit der Zahlung der Folgeprämie oder der geschuldeten Zinsen oder Kosten im Verzug, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ....." Alle Briefe der beklagten Partei wurden wegen der Postsperre dem Masseverwalter zugestellt. Der Masseverwalter pflegte den Fortbestand des Unternehmens unmittelbar berührende Briefe an den Kläger, teils ungeöffnet, weiterzugeben. Etwa einmal monatlich holte die Ehefrau des Klägers die Post vom Masseverwalter ab. Die Schreiben der beklagten Partei vom 21. Mai 1985, Beilagen 1 und 2, holte die Ehefrau des Klägers etwa 4 Wochen nach dem 21. Mai 1985 beim Masseverwalter ab. Der Masseverwalter, der schon seinerzeit mit der beklagten Partei vereinbart hatte, daß die der Klage zugrunde liegenden Versicherungen, die für den Fortbestand des Unternehmens notwendig waren, in der bisherigen Form und unter den bisherigen Bedingungen weiterlaufen sollten, beauftragte die Ehefrau des Klägers dafür zu sorgen, daß das Rechts- und Leistungsverhältnis zwischen den Streitteilen ungestört weiter bestehe. Die Ehefrau des Klägers versuchte bei Peter K***, einem Direktor der beklagten Partei, eine Regelung des Zahlungsrückstandes zu erreichen, die dem Kläger keinen Schaden aus den Versicherungsverträgen bringe. Peter K*** äußerte zwar Verständnis für die finanziellen Probleme des Klägers, machte jedoch keine Zusage, daß ungeachtet der Prämienrückstände Versicherungsschutz gewährt würde. Er legte nahe, die Rückstände möglichst rasch abzudecken. Im Zeitpunkt des Brandes am 8. November 1985 waren die rückständigen Prämien noch nicht voll einbezahlt. Nach Abschluß eines Zwangsausgleiches wurde der Konkurs über das Vermögen des Klägers am 17. November 1986 gemäß § 157 KO aufgehoben.

Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß die behauptete Deckungszusage trotz Prämienrückstandes nicht erwiesen sei und schloß sich im übrigen dem Standpunkt der beklagten Partei an. Die beklagte Partei habe den Prämienrückstand unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen eingemahnt. Da der Versicherungsfall nach dem Ablauf der Frist eingetreten und der Kläger zum Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles noch in Verzug gewesen sei, sei die beklagte Partei leistungsfrei. Die Existenz des Prämienverrechnungskontos und dessen Auflösung bringe für den Kläger kein günstigeres Ergebnis. Es seien zwar, wie sich aus der Übung zwischen den Streitteilen und der Korrespondenz ergebe, Gesamtprämien aus sämtlichen Versicherungsverträgen errechnet worden, in den Monatsprämien seien jedoch auch Anteile der Versicherungsprämien für die gegenständlichen Versicherungen enthalten gewesen. Eine besondere Zahlungswidmung auf die gegenständlichen Versicherungen sei nicht einmal behauptet worden. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Abzulehnen ist der Standpunkt der Revision, die Mahnschreiben der beklagten Partei seien mangels Adressierung an den Masseverwalter unwirksam. Durch die Eröffnung des Konkurses wird gemäß § 1 KO das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Gemeinschuldners seiner freien Verfügung entzogen. Der Masseverwalter ist hinsichtlich dieses Vermögens gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners (RZ 1988/53; JBl. 1980, 159;

SZ 46/52 ua). Bei noch nicht voll erfüllten zweiseitigen Verträgen

kann der Masseverwalter nach § 21 Abs. 1 KO entweder anstelle des

Gemeinschuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung

verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. Auch Versicherungsverträge

sind im Konkurs des Versicherungsnehmers gleich von beiden Teilen

noch nicht vollständig erfüllten zweiseitigen Verträgen zu behandeln

(SZ 58/190 mwN). Hat sich daher der Versicherer nicht das Recht

ausbedungen, jederzeit während der Konkursdauer den Vertrag kündigen

zu können (§ 14 Abs. 1 VersVG), so steht dem Masseverwalter das

obgenannte Wahlrecht nach § 21 Abs. 1 KO zu. Bei Ausübung desselben

handelt der Masseverwalter aber immer nur anstelle des

Gemeinschuldners als dessen gesetzlicher Vertreter. Tritt daher der

Masseverwalter in einen Versicherungsvertrag ausdrücklich oder durch

schlüssige Erklärung ein, bleibt Versicherungsnehmer dennoch der

Gemeinschuldner (vgl. Bartsch-Pollak KO3 124). Daraus folgt, daß ein

Mahnschreiben des Versicherers nach § 39 Abs. 1 VersVG, um wirksam

zu sein, nicht an den Masseverwalter adressiert sein muß. Als

empfangsbedürftige Willenserklärung muß es nur dem Masseverwalter

als dem gesetzlichen Vertreter des Versicherungsnehmers im Sinne des

§ 862 a ABGB zugehen. Nach der Empfangstheorie genügt es, daß das

Schreiben in den Machtbereich des Masseverwalters gelangt ist

(vgl. SZ 53/28 mwN). Daß sämtliche Mahnschreiben der beklagten

Partei in den Machtbereich des Masseverwalters gelangt sind, steht

hier ebenso fest wie, daß der Masseverwalter den Eintritt in die

beiden, der Klage zugrunde liegenden Versicherungsverträge erklärt

hatte. Die bloße Adressierung der Mahnschreiben an den Kläger

entsprach aber dessen Stellung als Versicherungsnehmer.

Auch die Meinung der Revision, daß die Schreiben der beklagten Partei vom 25. Mai 1985 (Beilagen 2 und 3) ihrer Form nach nicht als qualifizierte Mahnungen im Sinne des § 39 Abs. 1 VersVG angesehen werden könnten, kann nicht geteilt werden. Richtig ist zwar, daß der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 28/162 = JBl. 1955, 602 (mit Besprechung von Albert Ehrenzweig) den Standpunkt eingenommen hat, die nur auf einer Allonge eines Erlagscheines enthaltene Mahnung entspräche nicht den Erfordernissen des § 39 VersVG. Der Oberste Gerichtshof hat aber in Anlehnung an die Besprechung dieser Entscheidung durch Ehrenzweig klargestellt, daß es auf die leichte Erkennbarkeit ankommt und daß daher eine Mahnung und Rechtsbelehrung, die - wie im vorliegenden Fall - oberhalb des Erlagscheines angebracht und als solche leicht erkennbar sind, genügen (VersR 1982, 864; vgl auch SZ 50/28).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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