OGH 3Ob314/55

OGH3Ob314/5515.6.1955

SZ 28/162

Normen

VersVG §39
VersVG §39

 

Spruch:

Ein Mahnschreiben, das sich nur auf einer Allonge eines Posterlagscheines befindet, entspricht nicht den Anforderungen, die das Gesetz voraussetzt, wenn es an die Nichtbeachtung der Mahnung die im § 39 VersVG, angeführten schwerwiegenden Folgen knüpft.

Entscheidung vom 15. Juni 1955, 3 Ob 314/55.

I.Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger hat mit der beklagten Partei über seinen Personenkraftwagen eine Vollkaskoversicherung auf die Dauer von zehn Jahren mit Versicherungsbeginn am 18. März 1952 abgeschlossen. Die am 18. März 1954 zur Zahlung fällige Folgeprämie wurde vom Kläger erst am 12. Mai 1954 bezahlt. Der Schadensfall ist am 10. Mai 1954 eingetreten. Mehr als 14 Tage vor dem Schadensfall ist dem Kläger die Mahnung der Beklagten zugekommen. In dem Mahnschreiben, das auf einer Allonge an den Posterlagschein angeschlossen war, wurde auf der Vorderseite der Kläger auf den Rückstand der Prämie aufmerksam gemacht und ihm zu deren Bezahlung eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, daß die Einhaltung der ihm gewährten Frist in seinem Interesse gelegen sei, weil das Gesetz an die Versäumnis der Frist einschneidende Rechtsfolgen knüpfe, "die auf der Rückseite dieses Schreibens abgedruckt sind". Das Mahnschreiben ist auf der Vorderseite durch eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschriften der zeichnungsberechtigten Vertreter der beklagten Partei im Sinne des § 39 Abs. 1 zweiter Halbsatz VersVG. unterfertigt. Die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges sind auf der Rückseite des Mahnschreibens angeführt, wobei insbesondere darauf hingewiesen wurde, daß die beklagte Anstalt nach dem Ablauf der Frist von der Verpflichtung zur Leistung frei und überdies berechtigt sei, das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kundigen, wenn der Kläger nach Ablauf der Frist mit der Zahlung noch im Verzug ist.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf Bezahlung von Reparaturkosten aus dem Schadensfall vom 10. Mai 1954 im Betrage von 17.834 S s. A. abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt.

Beide Untergerichte sind davon ausgegangen, daß die Mahnung der Beklagten den Bestimmungen des § 39 VersVG. entsprochen habe und daher voll wirksam gewesen sei. Daß die in den Absätzen 2 und 3 des § 39 VersVG. niedergelegten Rechtsfolgen in das Mahnschreiben selbst aufzunehmen seien und durch die Unterschrift gedeckt sein müßten lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des Gesetzes ableiten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es kann dahingestellt bleiben, ob es genügt, wenn im Text des Mahnschreibens nach § 39 VersVG. nur darauf hingewiesen wird, daß die Einhaltung der Nachfrist im Interesse des Gemahnten gelegen sei, weil das Gesetz an die Versäumnis der Frist einschneidende Rechtsfolgen knüpfe, und die Rechtsfolge selbst auch nur auf der Rückseite des Mahnschreibens angeführt wird, denn das Mahnschreiben kann schon aus anderen Erwägungen nicht als formgerecht angesehen werden.

Damit die schwerwiegenden Folgen des § 39 VersVG. (Leistungsfreiheit und Kündigungsrecht des Versicherers) eintreten, muß der Versicherungsnehmer in besonders eindringlicher Weise auf seine Verpflichtung hingewiesen werden. Das Gesetz verlangt nicht nur Schriftform, sondern überdies noch, daß das Mahnschreiben nicht in Druckbuchstaben, sondern durch Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift gefertigt wird. Durch die Vorschrift der Faksimileunterschrift soll der Versicherungsnehmer auf das Schreiben eindringlich aufmerksam gemacht werden, bei Verwendung von bloßen Druckbuchstaben könnte das Mahnschreiben leicht übersehen werden.

Dieser vom Gesetz beabsichtigte Zweck wird aber nur dann erreicht, wenn das Mahnschreiben sofort als solches erkennbar ist. Das ist aber nicht der Fall, wenn - wie dies seit einiger Zeit üblich zu werden beginnt - überhaupt kein besonderes Mahnschreiben versendet wird, sondern nur dem Posterlagschein, der dem Kunden zur Bedienung übermittelt wird, eine Allonge (perforiert oder nichtperforiert-) angeschlossen wird, die das Mahnschreiben enthält. Bei dieser Art, zu mahnen, besteht die Gefahr, daß die gewöhnlich als Drucksorte versendete Mahnung vom Versicherungsnehmer übersehen wird, weil ihm zunächst nur der dreiteilige Erlagschein auffällt, nicht aber das auf einer Allonge des Erlagscheines befindliche Mahnschreiben. Ein solches Mahnschreiben aber, das nicht einmal auf einer eigenen Drucksorte, sondern nur auf einer bloßen Allonge eines Posterlagscheines enthalten ist und deshalb der Aufmerksamkeit des Empfängers leicht entgehen kann, entspricht nicht den Anforderungen, die das Gesetz voraussetzt, wenn es an die Nichtbeachtung der Mahnung die im § 39 VersVG. angeführten, schwerwiegenden Folgen knüpft. Ein Mahnschreiben, das nicht als Blickfang die Aufmerksamkeit des im Verzug befindlichen Versicherungsnehmers auf sich zieht und hinter den Erlagschein völlig zurücktritt, kann nicht als hinreichend erachtet werden. Daß dieser Mangel der Mahnung vom Kläger nicht geltend gemacht wurde, ist irrelevant, da unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend gemacht wurde und der Oberste Gerichtshof daher verpflichtet ist, die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Unterinstanzen nach allen Richtungen hin von Amts wegen zu überprüfen.

Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß im vorliegenden Fall die Klage bereits aus formal-rechtlichen Erwägungen abgewiesen werden müsse. Da die Untergerichte, von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgehend, die Klage aus Rechtsgrunden abgewiesen haben, ohne auf den Sachverhalt weiter einzugehen, mußte der Revision Folge gegeben und die beiden untergerichtlichen Urteile zur weiteren Feststellung des Tatbestandes aufgehoben werden.

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