OGH 7Ob76/00b

OGH7Ob76/00b26.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Liselotte Q*****, vertreten durch Dr. Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Agnes Q*****, vertreten durch Dr. Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Dezember 1999, GZ 41 R 459/99z-29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt als Eigentümerin einer Wohnung deren Räumung durch die Beklagte. Sie habe die Wohnung seinerzeit ihrem Sohn prekaristisch überlassen. Die Beklagte habe sie als dessen Ehefrau mitbewohnt. Nach dem Auszug des Prekaristen sei sie in der Wohnung verblieben, die sie nun titellos benütze.

Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Ihr geschiedener Ehemann habe ihr und der gemeinsamen ehelichen Tochter nach Rücksprache mit der Klägerin ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht eingeräumt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte benütze die Wohnung titellos.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht war gegenteiliger Ansicht: Das Bittleiheverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Sohn, aus dem die Beklagte ihr Benützungsrecht herleite, sei nach wie vor aufrecht. In Stattgebung der Berufung wies das Gericht zweiter Instanz daher das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und dass die Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die "außerordentliche Revision" der Beklagten, die vom Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde.

Dies wäre im Hinblick auf den S 260.000 nicht übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes nur dann richtig gewesen, wenn es sich dabei - wie die Revisionswerberin offenbar annimmt - um eine Streitigkeit im Sinne des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO (idF WGN 1997) gehandelt hätte. Eine derartige unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeit über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages liegt hier jedoch nicht vor (vgl RIS-Justiz RS0046865 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Die Frage, ob eine Bestandstreitigkeit im Sinne der angeführten Gesetzesstelle gegeben ist, ist nach § 41 Abs 2 JN auf Grund der Angaben in der Klage zu prüfen (SZ 51/12). Darin wurde kein Bestandverhältnis behauptet, sondern die Räumung begehrt, weil die Wohnung titellos benützt werde. Damit ist kein Fall des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gegeben (Kodek in Rechberger2 Rz 2 zu § 502 ZPO; MietSlg 38.788; RIS-Justiz RS004865; vgl zuletzt etwa 2 Ob 360/99a und 9 Ob 107/99x).

Die Zulässigkeit der Revision ist daher im Hinblick auf den - grundsätzlich bindenden (§ 500 Abs 2 Z 1 lit a und b, Abs 3 und 4 ZPO; Kodek aaO Rz 3 zu § 500 mwN; RIS-Justiz RS0042437) - Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes nach § 502 Abs 3 ZPO idF WGN 1997 zu beurteilen. Danach ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar S 52.000 nicht aber insgesamt S 260.000 übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann allerdings die Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt allerdings die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruches duch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde.

Im Hinblick auf diese Rechtslage wäre der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen, da ein Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Berufungsgericht vorzulegen ist. Sollte das Erstgericht der Meinung sein, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei, so wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben, weil es dem Rechtsmittelschriftsatz an einem Inhaltserfordernis im Sinn des § 84 Abs 3 ZPO mangelte. Sollte die Rechtsmittelwerberin die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501).

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