OGH 7Ob70/17w

OGH7Ob70/17w27.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** R*****, vertreten durch die Lippitsch.Neumann Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. I***** M*****, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, und deren Nebenintervenientin Dr. T***** G*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 27.589,61 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Februar 2017, GZ 3 R 138/16p‑42, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00070.17W.0927.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht bei der Beantwortung der von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängenden und daher grundsätzlich nicht revisiblen Frage des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht (RIS-Justiz RS0026529 [insb T3, T18, T20–T22, T30, T31]) von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre.

2. Die Verletzung der ärztlichen Dokumentations‑ pflicht hat im Prozess (bloß) beweisrechtliche Konsequenzen, die dazu führen, dass dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationspflichtverletzung entsprechende Beweis‑ erleichterung zugute kommt. Die Beweiserleichterung bei fehlender Dokumentation hilft dem Patienten lediglich insoweit, als sie die Vermutung begründet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen wurde, sie begründet aber nicht die Vermutung objektiver Sorgfaltsverstöße (RIS-Justiz RS0026236 [T3, T6]). Die Frage nach der Verteilung der Beweislast bei Unterlassung einer Dokumentation kann erst dann bedeutsam werden, wenn die für den Verfahrensausgang als wesentlich erachteten Tatsachen nicht festgestellt werden können (RIS‑Justiz RS0026236 [T8]; RS0038270 [T6]).

Weder eine solche non-liquet-Situation noch ein Behandlungsfehler sind nach den Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, gegeben.

3. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass daraus nicht abgeleitet werden kann, der Nachweis einer nicht dokumentierten Maßnahme sollte nur durch eine „objektive Beweisführung“ zu erbringen oder die Vernehmung des Arztes als Beweismittel ausgeschlossen sein (vgl 6 Ob 37/06v; 6 Ob 86/05y).

4. Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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