OGH 7Ob649/86

OGH7Ob649/8611.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** W***, vertreten durch Dr. Arthur Brüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erika S***-A***, Private, Wien 20., Unterbergerstraße 2/6, vertreten durch Dr. Otto Köhler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 61.380 s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Mai 1986, GZ. 11 R 57/86-35, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. November 1985, GZ. 30 Cg 49/85-31, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten S 61.380,- s.A. mit der Begründung, die Schwester der Beklagten, Felicitas S***, eine frühere Bedienstete der Klägerin, habe durch Fälschung von Anträgen angeblich Blinder die Auszahlung von Blindenbeihilfen an diese Personen, in Wahrheit an sich selbst, erreicht. Sie sei deshalb rechtskräftig des Verbrechens des Betruges schuldig erkannt worden. Auch für die Beklagte sei von deren Bevollmächtigem Franz H*** ein Antrag auf Blindenbeihilfe gestellt worden. Diesen Antrag habe die Magistratsabteilung 12 bewilligt und in der Folge auf ein Konto der Beklagten insgesamt S 61.380,- an Blindenbeihilfe überwiesen. Die Beklagte sei um diesen Betrag bereichert.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben, wobei es feststellte, daß zwar über das Konto ausschließlich Felicitas S*** verfügt hat, die Beklagte jedoch Kenntnis von Umständen gehabt habe, die ihr die Machinationen ihrer Schwester nahelegen hätten müssen. Tatsächlich habe es sich um ein Konto gehandelt, das die Beklagte persönlich eröffnet hat. Schon mit dem Eingang auf diesem Konto sei die Beklagte bereichert gewesen.

Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes als nichtig aufgehoben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Es vertrat hiebei die Rechtsansicht, es werde ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch geltend gemacht, über den nur die Verwaltungsbehörde und nicht das Gericht zu entscheiden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß nach der neueren Rechtsprechung ein Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB dann nicht auf den ordentlichen Rechtsweg gehört, wenn das Rechtsverhältnis als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist, weil der eine Partner als Träger von Hoheitsgewalt aufgetreten ist bzw. auftritt (Rummel in Rummel, Rdz 28 vor § 1431). Daß die Gewährung der Blindenbeihilfe durch die Klägerin nicht auf Grund einer privatrechtlichen Verpflichtung, sondern im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Klägerin erfolgt, kann diese selbst nicht bestreiten. Auch die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Blindenbeihilfe ist gesetzlich geregelt (§ 7 Abs. 3 des Wiener Blindengesetzes, LGBl. Nr. 14/1969), bei der die Klägerin als Hoheitsträger auftritt. Privatrechtliche Ansprüche sind nämlich dadurch gekennzeichnet, daß sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist. Zum öffentlichen Recht gehören aber auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, daß auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen. Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des öffentlichen oder des Privatrechtes in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (SZ 56/33, SZ 52/79 ua.). Die Rückforderung des angeblich ohne Rechtsgrund Geleisteten ist, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ein öffentlich-rechtliches ist, kein privatrechtlicher Anspruch (SZ 56/33, SZ 52/79 u.a.). So wurde auch ausgesprochen, daß die Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Sozialversicherungsleistungen, die mit Leistungen der Blindenbeihilfe ohne weiters vergleichbar sind, nicht im Rechtsweg gefordert werden kann (SZ 51/161, SZ 41/24, SZ 32/143 ua.). Im vorliegenden Fall wird von der Klägerin eine zu Unrecht ausbezahlte Blindenbeihilfe zurückverlangt. Wie bereits dargestellt wurde, sind die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über derartige öffentlich-rechtliche Rückforderungsansprüche nicht berufen.

Inwieweit diese Gedankengänge auch dann zutreffen würden, falls sich die Einwendungen der Beklagten, nämlich sie habe mit der Bewilligung der Blindenbeihilfe an sie überhaupt nichts zu tun gehabt und ihr seien die Leistungen auch nicht zugeflossen, als richtig herausstellen sollten, muß hier nicht geprüft werden, weil bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges von den Klagsbehauptungen auszugehen ist. Auf die Einwendungen des Beklagten ist hiebei nicht Bedacht zu nehmen (SZ 48/3, SZ 47/108, SZ 44/165 ua.). Nach den Klagsbehauptungen hat aber die Beklagte durch einen Bevollmächtigten den Antrag auf Blindenbeihilfe gestellt. Dieser Antrag ist bewilligt worden, was zu der Auszahlung der Blindenbeihilfe an die Beklagte führte. Demnach geht die Klägerin in der Klage davon aus, daß der Beklagten bescheidmäßig eine Blindenbeihilfe bewilligt worden sei. Die Rückforderung der auf Grund des Bescheides geleisteten Zahlungen stellt demnach einen öffentlich-rechtlichen Anspruch dar. Auch das ergänzende Vorbringen der Klägerin in der Tagsatzung vom 11.5.1983 (S 13 des Aktes) enthält die ausdrückliche Behauptung, die Beklagte habe ein Konto eröffnet und ihre Schwester eine Vollmacht über das Konto eingeräumt. Da nur das Klagsvorbringen für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges maßgebend ist, hat das Berufungsgericht zutreffend die Unzulässigkeit des Rechtsweges ausgesprochen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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