European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0070OB00633.94.1123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Endurteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Endurteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit insgesamt S 16.613,76 (darin S 1.768,96 USt und S 6.000,‑- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist aufgrund des im Zwangsversteigerungsverfahren gegen Günther H* am 23.3.1990 erteilten Zuschlages Eigentümerin der Häuser S*gasse 2 und 2a in Graz. Die Beklagte war damals bereits die Mieterin beider Häuser. Im Haus S*gasse 2a befinden sich 10 Kleinwohnungen, die die Beklagte untervermietet hat. Das Haus S*gasse 2 wird von der Beklagten selbst benützt. Sie hat dieses Haus von Günther H* mit schriftlichem Mietvertrag vom 15.7.1987 auf unbestimmte Zeit gemietet. In diesem Mietvertrag wurde ein Hauptmietzins von S 6.000,‑- zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Die Betriebskosten und die laufenden öffentlichen Abgaben sollten monatlich in Pauschalbeträgen in gleichbleibender Höhe gegen einmalige jährliche Verrechnung entrichtet werden. In Punkt 20. des Mietvertrages wurde vereinbart, daß alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag uneingeschränkt auf Rechtsnachfolger und Erben übergehen. Eine Heizungsanlage war zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Die Beklagte ließ in der Folge auf ihre Kosten eine Heizungsanlage um insgesamt S 301.673,80 einbauen. Weil sie diese Investitionen tätigte, schlossen die Beklagte und Günther H* am 30.12.1987 eine schriftliche "Zusatzvereinbarung", wonach die Beklagte für das Haus Sterngasse 2 ein gemeinsam mit der Miete zu überweisendes monatliches Heizpauschale von (bloß) S 800,‑- zuzüglich USt zu entrichten hat.
Günther H* wurde in dem gegen ihn geführten Zwangsversteigerungsfahren mit Beschluß vom 21.10.1988 aufgefordert, dem Schätzungssachverständigen sämtliche schriftliche Mietverträge vorzulegen, die die beiden in Exekution gezogenen Häuser betreffen. Günther H*legte daraufhin zwar eine Kopie des Mietvertrages vom 15.7.1987 und die Untermietverträge bezüglich des Hauses S*gasse 2a vor, nicht aber die Zusatzvereinbarung vom 30.12.1987. Diese wurde auch beim Versteigerungstermin nicht erwähnt. Die klagende Partei hatte im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung keine Kenntnis von der Zusatzvereinbarung. Per 28.1.1993 betrug die Differenz zwischen dem Heizpauschale von S 960,‑- (inkl USt) und den Heizkosten für das Haus S*gasse 2 auf Basis von 51,4 % der Gesamtnutzfläche bei Einbeziehung des Hauses S*gasse 2a S 90.029,‑‑.
Die klagende Partei begehrte nach mehreren Klagsausdehnungen und Klagseinschränkungen, die insbesondere auf Teilzahlungen der Beklagten zurückzuführen waren, diesen nunmehr allein strittigen Betrag (5 C 321/92 des BG für ZRS Graz) sowie in der verbundenen Rechtssache 5 C 507/92 des BG für ZRS Graz die Räumung der Liegenschaft S*gasse 2. Das Zahlungsbegehren begründete die klagende Partei damit, daß die Vereinbarung hinsichtlich des Heizkostenpauschales eine ungewöhnliche Nebenabrede darstelle, von der die klagende Partei beim Erwerb nichts gewußt habe. Sie sei daher daran nicht gebunden.
Die beklagte Partei vertrat hiezu den Standpunkt, daß die Vereinbarung "schon nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung" weiter gelte, weil die klagende Partei das Mietobjekt im Wege einer Zwangsversteigerung erworben habe. Weiters ergebe sich dies aus Punkt 20. des Mietvertrages. Die klagende Partei habe von der Zusatzvereinbarung Kenntnis gehabt. Die Beklagte habe auch entsprechend hohe Investitionen für die Heizungsanlage aufgewendet. Des weiteren wendete die beklagte Partei eine Gegenforderung von S 84.000,‑- kompensando ein (AS 45), die sie damit begründete, daß sie als Hausbesorgerin für das Haus S*gasse 2a tätig sei, wofür ihr für die letzten drei Jahre ein Entgelt in zumindest dieser Höhe zustehe.
Im ersten Rechtsgang erkannte das Erstgericht der klagenden Partei (rechtskräftig) gestaffelte Zinsen zu und wies sowohl das Räumungsbegehren als auch das Begehren auf Zahlung von S 90.029,‑- ab. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Räumungsbegehrens und hob die Rechtssache hinsichtlich des Begehrens auf Zahlung von S 90.029,‑- auf, weil im Sinn des § 2 Abs 1 MRG noch zu prüfen sei, ob ein Zusammenhang zwischen der Zusatzvereinbarung und allfälligen Investitionen der Beklagten bestehe und ob die klagende Partei im Zeitpunkt des Erwerbes der Liegenschaft durch Zwangsversteigerung von der Zusatzvereinbarung gewußt habe.
Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Zahlungsbegehren zur Gänze statt. Nach der bindenden Rechtsansicht der zweiten Instanz sei die Vereinbarung über das Heizkostenpauschale eine unübliche Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs 1 MRG, an die die klagende Partei nicht gebunden sei. Daran vermöge Punkt 20. des Mietvertrages nichts zu ändern. § 2 Abs 1 MRG gelte auch für den Erwerb durch Zwangsversteigerung.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Endurteil dahin ab, daß das Begehren auf Zahlung von S 90.029,‑- abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen der im § 502 Abs 1 ZPO genannten Art nicht zu lösen seien. Da nunmehr feststehe, daß das Heizungspauschale von S 960,‑- deshalb vereinbart worden sei, weil die Beklagte eine Heizungsanlage um ca S 300.000,‑- finanziert habe, könne die Zusatzvereinbarung nicht als unüblich angesehen werden. Dem Vermieter sei ein erheblicher Gegenwert zugekommen, sodaß die Vereinbarung auch der typischen Interessensituation der beteiligten Parteien entspreche.
Über die eingewendete Gegenforderung wurde - ungerügt ‑ weder im ersten noch im zweiten Rechtsgang abgesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei gegen die Entscheidung zweiter Instanz ist zulässig und berechtigt.
Wenn auch das Gericht zweiter Instanz in seiner aufhebenden Entscheidung im ersten Rechtsgang die Ansicht geäußert hat, daß die Zusatzvereinbarung grundsätzlich als unübliche Nebenabrede im Sinn des § 2 Abs 1 MRG zu beurteilen sei, ließ es doch offen, ob diese Beurteilung auch für den Fall aufrecht zu erhalten sei, daß die Vereinbarung mit den Investitionen der Beklagten am Mietobjekt zusammenhänge, was im ersten Rechtsgang nicht geklärt worden war. Ein Verstoß des Gerichtes zweiter Instanz gegen das im § 499 Abs 2 ZPO normierte Gebot der Bindung an die in einem Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht liegt daher nicht vor. In materiell rechtlicher Hinsicht ist jedoch zu erwägen:
§ 2 Abs 1 Satz 2 und 3 MRG lauten: "An den wirksam geschlossenen Hauptmietvertrag sind ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter die Rechtsnachfolger im Eigentum auch dann gebunden, wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist. Enthält ein Hauptmietvertrag Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts, so ist der Rechtsnachfolger im Eigentum an diese Nebenabreden nur gebunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte."
Diese Bestimmung regelt nach einhelliger Ansicht die Einzelrechtsnachfolge im Eigentum der vermieteten Sache und gilt auch beim Erwerb in der Zwangsversteigerung (Würth in Rummel2 II Rz 4 zu § 1121 ABGB). Insoweit Punkt 20. des von der Beklagten und Günther H* geschlossenen Mietvertrages über die Bestimmung des § 2 Abs 1 MRG hinausgeht, bindet sie die klagende Partei schon deshalb nicht, weil diese am Vertragsabschluß nicht beteiligt war.
Gegenüber § 1120 ABGB ist die Bindung des Eintretenden um die Einschränkung des § 2 Abs 1 Satz 3 MRG verringert (MietSlg XXXVIII/22 ua). Aber auch dem § 1102 ABGB wurde insoweit derogiert (Würth in Rummel2 II Rz 7 zu § 2 MRG und Rz 1 zu § 1102 ABGB; Würth‑Zingher, Miet‑ und Wohnrecht19, Rz 5 zu § 2 MRG). Der Erwerber ist daher im Anwendungsbereich des § 2 MRG auch an Vereinbarungen, die einer Zinsvorauszahlung gleichkommen, unabhängig davon gebunden, ob er sie kannte oder kennen mußte (vgl hiezu SZ 44/5; SZ 44/126 ua). Da nicht strittig ist, daß das hier zu beurteilende Mietverhältnis dem MRG unterliegt, und nach dem festgestellten Sachverhalt davon auszugehen ist, daß die beklagte Partei die Zusatzvereinbarung weder kannte noch kennen mußte, ist entscheidend, ob die Zusatzvereinbarung eine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhaltes im Sinn des § 2 Abs 1 Satz 3 MRG darstellt.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der Erwerber an "Hauptabreden" offenbar jedenfalls gebunden; er wird nur bei "Nebenabreden" durch das Erfordernis des Kennens oder Kennenmüssens geschützt, wenn diese ungewöhnlichen Inhaltes sind. Der Begriff der Nebenabrede ist, wie der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Fenyves in Korinek‑Krejci, Handbuch zum MRG, 293, bereits mehrfach ausgeführt hat, aber nicht eng zu sehen (SZ 58/145 = MietSlg XXXVII/37; ImmZ 1986, 354 = MietSlg 38/22; 5 Ob 641/88). Wie Fenyves aaO überzeugend darlegt, ist dies erforderlich, um der Vorschrift überhaupt einen Anwendungsbereich zu lassen. Denn die meisten der üblichen Abreden könnten als Umschreibung der "Hauptleistung" eines der Vertragsteile angesehen werden (zustimmend auch Würth in Rummel2 II Rz 7a zu § 2 MRG und Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 6 zu § 2 MRG). Als Nebenabrede ist auch eine nachträgliche Vereinbarung anzusehen (SZ 58/145), wenn sie nur mit dem Inhalt des Mietvertrages zusammenhängt, wenn sie also das betreffende Bestandverhältnis selbst, nicht aber andere von diesem Mietverhältnis nicht mehr umfaßte Umstände regelt (5 Ob 641/88).
Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die hier nachträglich geschlossene Zusatzvereinbarung mit dem vorliegenden Bestandverhältnis unmittelbar zusammenhängt; denn sie betrifft die Verpflichtung des Vermieters, der Mieterin nunmehr die Teilnahme an einer zentralen Wärmeversorgungsanlage zu gewähren, sowie die korrespondierende Verpflichtung der Mieterin, hiefür einen Pauschalbetrag als Teil des Mietzinses im Sinn der §§ 15 und 24 MRG zu zahlen. Bei der von der zitierten Rechtsprechung und Lehre geforderten großzügigen Interpretation des Begriffes der Nebenabrede ist die Zusatzvereinbarung aber noch als eine solche Nebenabrede, nämlich die Vereinbarung einer ganz besonderen Form der finanziellen Beteiligung der beklagten Mieterin an den Heizkosten und des Vermieters an der von der Mieterin finanzierten Investition zu qualifizieren, auch wenn man sie als einen Teil des von der Mieterin zu leistenden Entgeltes im Sinn des § 15 MRG ansieht.
Entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz in seinem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Endurteil ist die zu beurteilende Abrede aber auch ungewöhnlich.
Die zu prüfende Vereinbarung ist auf Grund der damit verfolgten Absicht der ursprünglichen Vertragsparteien, der Beklagten die von ihr finanzierten Investitionen schon während des aufrechten Mietverhältnisses dadurch abzugelten, daß der Vermieter von nun an den Großteil der ausschließlich von der Beklagten verursachten Heizkosten trägt, insoweit einer Mietzinsvorauszahlung ähnlich, als der einmalige Aufwand der Mieterin gleichsam auf fortlaufende Kosten angerechnet werden sollte. Sie unterscheidet sich aber von Abreden über Mietzinsvorauszahlungen dadurch wesentlich, daß sie ohne jede zeitliche Beschränkung und ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Heizkostenaufwandes, der im Gegensatz zum Hauptmietzins eine variable und von vorneherein schwer kalkulierbare Größe darstellt, abgeschlossen wurde. Wenn auch Abreden über Mietzinsvorauszahlungen durchaus üblich sein mögen, so daß sie infolge des Ausschlusses des § 1102 ABGB im Anwendungsbereich des § 2 MRG der Erwerber des Mietobjektes auch ohne bücherliche Eintragung grundsätzlich gegen sich gelten lassen muß, ist im vorliegenden Fall doch die Abrede über die Heizkosten als unüblich einzustufen (vgl zur Mietzinsvorauszahlung ebenfalls Fenyves aaO S 294).
Für die Beurteilung der Frage der Unüblichkeit sind grundsätzlich objektive Erwägungen maßgebend. Es kommt auch auf die Art des Mietgegenstandes und den Inhalt des konkreten Vertrages an. Ungewöhnlich ist eine Nebenabrede, wenn sie bei vergleichbaren Mietgegenständen und vergleichbarem Vertragsinhalt nicht oder jedenfalls nur äußerst selten vereinbart wird, etwa weil ein Bedürfnis nach einer solchen Vereinbarung nicht oder kaum besteht oder weil sie der typischen Interessenssituation der Beteiligten nicht entspricht (SZ 58/145; MietSlg 38.269; NZ 1988, 136; 7 Ob 557/89 ua).
Es mag zwar sein, daß des öfteren vereinbart wird, daß Investitionen des Mieters vom Vermieter in irgendeiner Form mitgetragen oder auf den Vermieter überwälzt werden. Es ist aber nicht anzunehmen, daß sich Fälle häufen, in denen der Vermieter - sei es auch als Gegenleistung für die vom Mieter finanzierte Werterhöhung des Mietobjektes - ohne jegliche zeitliche oder betragliche Beschränkung die Tragung von laufenden und allein vom Mieter durch die Benützung des Mietgegenstandes verursachten Kosten in noch dazu unbestimmter Höhe übernimmt. Eine Vereinbarung wie die hier vorliegende wird der Interessensituation der Beteiligten schon deshalb nicht gerecht, weil auf der Hand liegt, daß sie sich in durchaus absehbarer Zeit massiv zugunsten der Mieterin und zum Nachteil des Vermieters auswirken wird. Der Vermieter würde zudem die finanziellen Folgen einer verschwenderischen Inanspruchnahme der Energiequelle durch die Mieterin tragen. Abgesehen davon ist der Interessenausgleich zwischen Vermieter und Mieter bei derartigen vom Mieter finanzierten Investitionen ohnehin aufgrund der Bestimmung des § 10 MRG gewahrt. Nach der hier vorliegenden Vereinbarung müßte der Vermieter sogar über die 20‑jährige Frist hinaus, innerhalb der ein Ersatzanspruch nach dieser Bestimmung zusteht, einen Großteil der Heizkosten tragen und damit eine Investition abgelten, die sich womöglich längst amortisiert hat.
Es war daher das klagsstattgebende Endurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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