OGH 7Ob5/95

OGH7Ob5/9531.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Michael Hule und Dr.Eric Heinke, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei mj. Christoph E*****, vertreten durch den Vater Dr.Werner E*****, beide in G*****, beide vertreten durch Dr.Peter Rudeck und Dr.Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 904.175 s.A. (Revisionsinteresse S 470.924 s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.November 1994, GZ 11 R 189/94-11, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30.Mai 1994, GZ 16 Cg 98/93m-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

20.610 (darin S 3.435 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Dipl.Ing.Wilfried und Reinhard Z***** gehörende Liegenschaft mit dem Gutshof Z***** in ***** M***** war bei der Klägerin feuerversichert. Am 20.1.1991 "zündelten" der am 9.10.1980 geborene Beklagte und der am 13.3.1980 geborene Sohn des Versicherungsnehmers Bernhard Z***** in der Lagerhalle dieses Anwesens. Als nach einiger Zeit in dem von ihnen entfachteten Feuer keine Flamme mehr zu sehen waren, schlugen sie mit einem Holzbrett in die verblieben Glut, um diese noch zu löschen. Dabei fielen Funken in einen nahegelegenen Maiskolbenhaufen. Dadurch entstand in der Folge ein Schwelbrand, der sich ausbreitete. Um 1.25 Uhr des nächsten Tages hatte sich dieser zu einem Vollbrand entwickelt. Aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrages leistete die Klägerin an ihre Versicherungsnehmer einen Entschädigungsbetrag von S 1,883.697. Die Eltern des Beklagten haben bei der W***** Versicherungs AG eine Haushaltsversicherung mit einer Versicherungssumme von S 5,000.000 abgeschlossen, in der der mit ihnen in Hausgemeinschaft lebende Beklagte mitversichert ist. Bernhard Z***** lebte am 20.1.1991 und lebt auch derzeit als Familienangehöriger in Hausgemeinschaft mit den Versicherungsnehmern Dipl.Ing.Wilfrid und Reinhard Z*****.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung von S 904.175 s.A. und brachte vor, daß die beiden Minderjährigen kein Verschulden am Ausbruch der Feuersbrunst treffe. Die Haftung des Beklagten ergebe sich allein aufgrund seines in der Haushaltsversicherung gelegenen Vermögens. Der Sohn des Versicherungsnehmers Bernhard Z***** verfüge dagegen über kein Vermögen, sodaß sich die Klägerin im Rahmen des § 67 VersVG im Ausmaß des auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruches von S 1,883.697 nur an den Beklagten halten könne. Die von der Klägerin geleistete Entschädigung entspreche 27 % des aus der Versicherungssumme des Haushaltsversicherungsvertrages von S 5,000.000 und der geleisteten Entschädigung von S 1,883.679 zu berechnenden Deckungsfonds. Es entfielen daher 73 % der bezeichneten Entschädigung auf den Beklagten. Dies ergebe einen gerundeten Betrag von S 1,375.100, von welchem die von der W***** Versicherungs AG geleistete Zahlung von S 470.925 abzuziehen sei, sodaß als Differenz der Klagsanspruch verbleibe.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß er und sein Mittäter im Rahmen eines ihnen gemäß § 1310 erster Fall ABGB zuzurechnenden Verschuldens zu haften hätten. Ausgehend davon sei von einer Haftung der beiden Minderjährigen für den von ihnen verursachten und verschuldeten Schaden im Ausmaß von je einem Viertel auszugehen. Der Schadenersatzanspruch der geschädigten Klägerin sei jedoch nicht im Ausmaß von S 1,883.697 gemäß § 67 VersVG auf diese übergegangen, weil nach Abs 2 leg. cit. ein Übergang des Schadenersatzanspruches des Versicherungsnehmers auf den Versicherer dann ausgeschlossen sei, wenn sich dieser gegen einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen richte. Der Forderungsübergang gemäß § 67 Abs 2 VersVG sei auch dann ausgeschlossen, wenn und soweit der in Anspruch genommene Dritte Rückgriffsansprüche gegen den privilegierten Angehörigen hätte. Unerheblich sei dabei, ob der versicherte Familienangehörige über Vermögen verfüge. Weil von einer Verschuldenshaftung gemäß § 1310 erster Fall ABGB auszugehen sei, habe nicht die in der Klage dargestellte Verhältnisrechnung zu erfolgen. Gegen den Beklagten bestehe nur ein Ersatzanspruch im Ausmaß von einem Viertel der erbrachten Schadenersatzleistung, sohin in Höhe von S 470.925 zu Recht, dieser Betrag sei bereits vor Klagseinbringung der Klägerin überwiesen worden.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 470.924 s.A. zu und wies (unbekämpft) das Mehrbegehren von S 433.251 s.A. ab. Es folgerte rechtlich, daß die beiden Minderjährigen nach § 1310 erster Fall ABGB am Entstehen des Schadens ein Verschulden von zusammen 50 % treffe. Diese Haftung treffe sie gemäß § 1302 ABGB zur ungeteilten Hand, weil sich bestimmte von einem der beiden Minderjährigen verursachte Schadensanteile nicht bestimmen ließen. Der Beklagte sei daher verpflichtet, der Klägerin 50 % ihrer Versicherungsleistung zu ersetzen. Die Tatsache, daß der Klägerin gemäß § 67 Abs 2 VersVG die Möglichkeit des Regresses gegen den Sohn des Versicherungsnehmers genommen sei, führe zu keiner Begünstigung des Beklagten. Sei nämlich einer von mehreren Schädigern aus persönlichen Gründen nicht haftbar, befreie dies die anderen nicht von ihrer Haftung. Da die W***** Versicherungs AG bereits S 470.924 bezahlt habe, seien der Klägerin noch S 470.924 zuzusprechen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen die Klagsstattgebung erhobenen Berufung Folge und änderte die angefochtene Entscheidung in eine gänzliche Klagsabweisung ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Da die Klägerin das Ersturteil in seinem abweisenden Teil unbekämpft gelassen habe, sei für den auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzanspruch gemäß § 67 Abs 2 VersVG von der durch das Erstgericht herangezogenen Berechnungsgrundlage (S 1,883.697) auszugehen. Nicht mehr strittig sei auch, daß der Beklagte und der Sohn des Versicherungsnehmers tatsächlich den durch ihr Verhalten verursachten Brandschaden verschuldet hätten und beide daher im Rahmen des vom Gericht gemäß § 1310 erster Fall ABGB auszuübenden Ermessens für 50 % des Gesamtschadens solidarisch zu haften hätten. Hafte einer von mehreren Tätern im Sinne des § 1302 ABGB aus persönlichen Gründen nicht für den entstandenen Schaden, so hätten die übrigen Beteiligten - abgesehen von besonderen Ausnahmebestimmungen - dem Geschädigten den gesamten Schaden zu ersetzen. Aus dieser Praxis habe der Oberste Gerichtshof allerdings unter Kritik der Lehre geschlossen, daß es bei der vollen Haftung eines Mitschädigers zu verbleiben habe, auch wenn dem anderen Mitschädiger zugute komme, daß es aus Gründen des Schutzes der Familie gegen eine Schmälerung ihres Einkommens analog § 67 Abs 2 VersVG zu keiner Legalzession des seinem verletzten Familienangehörigen gegen ihn zustehenden Anspruches auf den Sozialversicherungsträger komme (JBl 1972, 202). Dabei bleibe aber unbeachtet, daß § 67 Abs 2 VersVG nur den Regreß des Versicherers, nicht aber die Haftung des privilegierten Angehörigen ausschließe, weshalb die durch § 67 Abs 2 VersVG normierte Privilegierung am Ende wieder beseitigt würde, könnte der im Außenverhältnis voll haftende Dritte beim Familienangehörigen im Sinne des § 67 Abs 2 VersVG Regreß nehmen. Dies widerspreche dem Schutzzweck des § 67 Abs 2 VersVG, nämlich zu verhindern, daß die Leistung des Versicherers für den Versicherungsnehmer wertlos ist, weil ihn der Umstand, daß gegen einen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen Rückgriff genommen werde, wirtschaftlich ebenso treffe, als müsse er den Schadenersatz selbst leisten. In Übereinstimmung mit der österreichischen Lehre und der deutschen Rechtsprechung sei es daher konsequent, den aus § 67 Abs 2 VersVG abgeleiteten Anspruch des Versicherers dem Ausmaß nach auf die im Innenverhältnis der Schädiger bestehende Haftung jener Ersatzpflichtigen zu beschränken, die nicht als Familienangehörige in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer leben. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, daß auf die Klägerin gemäß § 67 Abs 2 VersVG bloß jener Teil des Ersatzanspruches des Versicherungsnehmers übergegangen sei, der im Innenverhältnis zwischen den beiden Minderjährigen als Schädiger vom Beklagten zu tragen sei. Dabei handle es sich um ein Viertel der Versicherungsleistung, da die beiden Minderjährigen gemäß § 1310 erster Fall ABGB nur für 50 % des nach dem Zeitwert zu beurteilenden Gesamtschadens zu haften hätten. Ein Viertel der von der Klägerin erbrachten Versicherungsleistung sei aber bereits vor Klagseinbringung von der Haftpflichtversicherung des Beklagten bezahlt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Grundsätzlich besteht kein Anlaß, von der einhelligen und unwidersprochen gebliebenen Rechtsprechung abzugehen, daß, wenn sich die Anteile von Mittätern am angerichteten Schaden nicht bestimmen lassen, gemäß § 1302 ABGB eine gemeinschaftliche Haftung der Mittäter eintritt und daß, wenn einer von mehreren Mittätern aus persönlichen Gründen nicht haftbar zu machen ist, dies die übrigen Beteiligten nicht von der genannten Solidarhaftung befreit (vgl SZ 43/97 uva). Im vorliegenden Fall leitet der klagende Versicherer seinen Anspruch aber nicht aufgrund der Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes, sondern aufgrund der Spezialnorm des § 67 VersVG ab.

Das Berufungsgericht hat zutreffend den zwischen den Entscheidungen 2 Ob 366/70 (= JBl 1972, 202) und 7 Ob 254/72 (= SZ 45/125) bestehenden Wertungswiderspruch aufgezeigt. Geht man in konsequenter Verfolgung vom Zweck der Sondernorm des § 67 Abs 2 VersVG in der letztzitierten Entscheidung aus, nämlich zu verhindern, daß die Leistung des Versicherers für den Versicherungsnehmer wertlos wäre, weil ihn der Umstand, daß gegen einen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen vom Mittäter Rückgriff genommen werden kann, wirtschaftlich so trifft, als ob er selbst Schadenersatz zu leisten hätte, erweisen sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Erwägungen der erstzitierten Entscheidung 2 Ob 366/70 als unzutreffend. Die für die Rechtsansicht einer vollen Solidarhaftung des durch § 67 Abs 2 VersVG nicht geschützten Mittäters herangezogenen Erwägungen der Entscheidung 2 Ob 129/70 (= JBl 1972, 91 = SZ 44/48) treffen auf die vorliegende Rechtsfrage nicht zu, lag doch dort ein nach den §§ 332 f ASVG zu beurteilender Sachverhalt vor, der keineswegs eine zwingende Bindungswirkung auf § 67 Abs 2 VersVG vorgibt, weil die Gründe der Haftungsbefreiung des Unternehmers, bzw. seines Stellvertreters, im Bereich des ASVG bzw. der Unfallversicherung doch andere als jene sind, die Ursache der Privilegierung eines dem Versicherungsnehmer nahestehenden Personenkreises sind. In der Entscheidung 2 Ob 366/70 wurde übersehen, daß in der Entscheidung 2 Ob 129/70 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die dortigen Erwägungen dann nicht Platz zu greifen haben, wenn anderswo unzweifelhaft eine abweichende Regelung getroffen wurde. Tatsächlich widerspricht es aus den bereits dargelegten Gründen eindeutig dem Schutzzweck des § 67 Abs 2 VersVG, daß durch die vollständige Befriedigung des Versicherers am nicht privilegierten Schädiger letzterem geradezu ein Regreß am Versicherungsnehmer bzw dessen Familienangehörigen aufgezwungen würde, um den ihm grundsätzlich zustehenden internen Ausgleich nach § 1302 ABGB zu gewähren. Die dazu vom Berufungsgericht zutreffend angeführten Argumente der österreichische Lehre (Kletecka in ÖJZ 1993, 785 und 833) und der durch deutschen Lehre zum wortgleichen § 67 Abs 2 dVVG (Sieg in Bruck-Koller Sieg WG8 759 und die dort zitierte deutschen Rechtsprechung (Selb in Münch Komm3 § 426 BGB Rz 29 sowie Prölss/Martin VVG25, 528 mwN) sind daher überzeugend. Das Ausmaß der Haftung des nicht durch § 67 Abs 2 VersVG privilegierten Mittäters ist daher gegenüber dem sich regressierenden Versicherer auf das im Innenverhältnis zwischen den Schädigern bestehende Ausmaß zu beschränken.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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