OGH 7Ob525/86

OGH7Ob525/8626.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** Kleinzell, Gesellschaft mbH, Kleinzell, vertreten durch Dr.Karl Polak, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Johann M***, Vertriebsstellenleiter, Poggersdorf, Am Eichengrund 6, vertreten durch Dr.Bruno Pollak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen restl.

S 127.546,65 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 19. November 1985, GZ 1 R 202/85-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16. August 1985, GZ 19 Cg 83/85-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten 1.Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Mit der am 20.3.1985 eingelangten Klage begehrt die Klägerin den Zuspruch von S 142.699,85 s.A. und bringt vor, der Beklagte sei Geschäftsführer der W*** J.E.Müller KG in Klagenfurt gewesen. Über das Vermögen dieser Gesellschaft sei zur GZ 6 S 24/82-52, des Landesgerichtes Klagenfurt der Konkurs eröffnet und am 3.10.1983 wieder aufgehoben worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25.1.1984, 24 Cg 518/83-9, sei die Kommanditgesellschaft verurteilt worden, der Klägerin aus der Lieferung von Steinmaterial udgl. S 127.546,65 s.A. zu bezahlen und die mit S 7.923,65 bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Der Berufung der Kommanditgesellschaft sei nicht Folge gegeben, die der Klägerin zu ersetzenden Kosten des Berufungsverfahrens seien mit S 4.738,60 bestimmt worden. Für einen Antrag auf Exekution zur Sicherstellung seien der Klägerin Kosten von S 2.490,75 zugesprochen worden. Die Gesellschaft, deren verantwortlicher Geschäftsführer der Beklagte gewesen sei, habe mit der Aufhebung des Konkurses zu bestehen aufgehört. Dennoch habe sich die Kommanditgesellschaft in die Prozeßführung eingelassen und keinen entsprechenden Einwand erhoben. Die Klägerin habe bereits am 25.8.1982 Strafanzeige gegen den Beklagten erstattet. Der Beklagte sei mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.3.1983, 10 E Vr 2633/82-13, gemäß § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB verurteilt worden, weil er von 1976 bis Mitte 1981 in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch teils geschmälert, teils vereitelt habe, daß er neue Schulden eingegangen sei, alte gezahlt und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragt habe. Die Klägerin habe von dieser Verurteilung erst am 27.11.1984 Kenntnis erhalten. Der Beklagte habe die Klägerin über die Vermögensverhältnisse der Kommanditgesellschaft in Irrtum geführt. Er hafte der Klägerin auf Grund seiner Verurteilung wegen fahrlässiger Krida für den gesamten Klagebetrag.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, er sei wohl Geschäftsführer der Bau-M*** Gesellschaft mbH, nicht aber der W*** J.E.M*** KG gewesen; er sei daher passiv nicht legitimiert. Persönlich haftende Gesellschafterin der W***

J.E.M*** KG sei nur die Bau-M*** Gesellschaft mbH gewesen. Der Beklagte sei nur schuldig erkannt worden, das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB begangen zu haben. Diese Verurteilung begründe keine Haftung für die behauptete Forderung, die überhaupt nicht zu Recht bestehe. Die von der Klägerin gelieferte Ware habe nicht den bedungenen Qualitäten und Quanititäten entsprochen und sei sofort beanstandet worden; der Auftrag sei storniert worden. Bedingt durch Stehzeiten sei der W*** J.E.M*** KG zufolge der mangelhaften Lieferung ein - im einzelnen angeführter (AS 17) - Aufwand entstanden, der die Höhe der Klageforderung bei weitem übersteige. Die Klageforderung werde mit der Forderung der W*** J.E.M*** KG kompensiert. Der Prozeß gegen die W*** J.E.M*** KG, in dem diese zur Zahlung verurteilt worden sei, sei trotz des Mangels der Parteifähigkeit der Gesellschaft durchgeführt worden. Dem Urteil komme deshalb keine Bedeutung zu. Die Klagsforderung sei verjährt.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin S 127.546,65 s.A. zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von S 15.153,-

- s.A. - rechtskräftig - ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Beklagte war unsprünglich Komplementär der W*** J.E.M*** KG, die zu HRA 950 des Handelsregisters Klagenfurt registriert wurde. Mit Wirkung vom 29.4.1976 trat der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter aus und als Kommanditist ein. Als Komplementär trat nunmehr die zu 6 HRB 367 des Landesgerichtes Klagenfurt registrierte Bau-M*** Gesellschaft mbH auf, deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagte war. Mit Beschluß vom 10.5.1982 eröffnete das Landesgericht Klagenfurt über das Vermögen der W*** J.E.M*** KG das Konkursverfahren, das zur Auflösung der Gesellschaft führte. Auch über das Vermögen der Bau-M*** Gesellschaft mbH wurde mit Beschluß vom 10.5.1982 das Konkursverfahren eröffnet. der Konkurs über das Vermögen der W*** J.E.M*** KG wurde mit Beschluß vom 3.10.1983 nach Verteilung des Massevermögens nach § 139 KO aufgehoben, während das Konkursverfahren über das Vermögen der Bau-M*** Gesellschaft mbH bereits mit Beschluß vom 6.10.1982 mangels Deckung der Verfahrenskosten nach § 166 Abs 2 KO aufgehoben wurde. Die Klägerin lieferte über Bestellung des Beklagten der W*** J.E.M*** KG Granitkleinsteine laut Rechnungen vom 20. und 30.5., 4., 9., 11., 13., 18., 20. und 26.6. sowie vom 3., 4. und 9.7.1980. Der in Rechnung gestellte Betrag betrug S 294.461,65. Auf den Rechnungen schien der Vermerk auf, daß bei Bezahlung nach 30 Tagen 1 % Verzugszinsen pro Monat in Rechnung gestellt würden. Mit Schreiben vom 29.5., 25. und 30.6., 18.7. und 19.11.1980 rügte die W*** J.E.M*** KG die Qualität der von der Klägerin gelieferten Granitkleinsteine und rechnete im letztgenannten Schreiben gegen die Forderung der Klägerin mit einer Gegenforderung aus dem Titel der Schlechtlieferung im Betrag von S 100.184,24 auf. Am 13.11.1980 leistete die W*** J.E.M*** KG eine Zahlung von S 200.000,-- an die Klägerin. Mangels weiterer Zahlungen durch die W*** J.E.M*** KG klagte die Klägerin den durch Staffelzinsen und Umsatzsteuer aus den Zinsen auf S 127.546,65 angewachsenen Restbetrag am 26.2.1982 ein (24 Cg 518/83 des LG Klagenfurt). Mit Beschluß vom 7.6.1982 stellte das Prozeßgericht die Verfahrensunterbrechung wegen der zwischenzeitig erfolgten Konkurseröffnung über das Vermögen der W*** J.E.M*** KG fest. Am 7.6.1982 meldete die Klägerin sowohl zum Konkurs der W*** J.E.M*** KG als auch der Bau-M*** Gesellschaft mbH als Konkursgläubigerin der III.Klasse eine Forderung von S 138.371,47 an. Diese Forderung wurde vom Masseverwalter und von der Gemeinschuldnerin in der Prüfungstagsatzung vom 21.6.1982 bestritten. Die Klägerin wurde aufgefordert, binnen Monatsfrist die Klage einzubringen. Die Klägerin setzte den Rechtsstreit gegen den Masseverwalter zunächst nicht fort. Nach dem vom Konkursgericht am 25.8.1983 genehmigten Verteilungsentwurf des Masseverwalters erhielten die Gläubiger der I.Klasse eine 80 %-ige Quote, während die Gläubiger der II. und der III.Klasse leer ausgingen. Unter Hinweis auf die mit Beschluß vom 3.10.1983 wegen Verteilung des Massevermögens nach § 139 KO erfolgte Aufhebung des Konkurses beantragte die Klägerin (erst) am 30.11.1983 die Fortsetzung des Verfahrens 24 Cg 518/83 des LG Klagenfurt. Zu diesem Zeitpunkt war die W*** J.E.M*** KG nicht mehr parteifähig. Am 25.1.1984 verurteilte das LG Klagenfurt die Kommanditgesellschaft zur Zahlung von S 127.546,65 s.A. an die Klägerin. Die Beklagte W*** J.E.M*** KG hatte in dem Verfahren zwar Mängel bezüglich Qualität und Ausmaß der gelieferten Ware behauptet, sich in der Folge an dem Verfahren aber nicht mehr beteiligt, so daß über Antrag der Klägerin ein Urteil nach § 399 ZPO gefällt wurde. Der Berufung der W*** J.E.M*** KG wurde nicht Folge gegeben; die außerordentliche Revision blieb erfolglos.

Bereits am 25.8.1982 hatte die Klägerin gegen den Beklagten Strafanzeige bei der Bundespolizeidirektion Klagenfurt erstattet. Am 30.9.1982 erhob die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Beklagten Strafantrag wegen Vergehens der fahrlässigen Krida, weil der Beklagte als Schuldner mehrerer Gläubiger fahrlässig 1.seit 1976 seine spätestens Mitte 1981 eingetretene Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt habe, daß er einen gegenüber dem Umfang des Betriebes mit zu geringem Eigenkapital ausgestatteten Gewerbebetrieb gründete, diesen ohne entsprechende Eigenkapitalszuflüsse weiterführte und ausweitete, sowie leichtsinnig und unverhältnismäßig Fremdkapital in Anspruch nahm und 2.in der Zeit von Mitte 1981 bis 10.5.1981 in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch teils geschmälert, teils vereitelt habe, daß er neue Schulden einging, alte zahlte und die Eröffnung des Konkurses oder das Ausgleichsverfahren nicht rechtzeitig beantragte. Mit Urteil des LG Klagenfurt vom 15.3.1983, 10 E Vr 2633/82-13, wurde der Beklagte im Sinne des Punktes 1. des Strafantrages schuldig erkannt, von Punkt 2. des Strafantrages aber gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Eine Feststellung, daß der Beklagte in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in den Monaten Mai bis Juli 1980 Granitkleinsteine bei der Klägerin bestellte, konnte vom Erstgericht nicht getroffen werden. Die Kapitalentwicklung des Unternehmens des Beklagten war in den Jahren 1979 und 1980 zwar nicht sehr positiv, eine Insolvenz jedoch war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen. Einem Umsatzzuwachs von 25 % im Jahr 1980 stand ein starker Abfall im Jahr 1981 gegenüber, auf den der Beklagte als Geschäftsführer der Bau-M*** Gesellschaft mbH nicht reagierte. Der Firmenzusammenbruch war für das Jahr 1981 abzusehen. Vor diesem Zeitpunkt konnte der Beklagte nicht erkennen, daß auf Grund der Geschäftsentwicklung des Jahres 1981 die Zahlungsunfähigkeit und die Unmöglichkeit der Sanierung des Unternehmens eingetreten war.

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß der Verjährungseinwand der Beklagten nicht berechtigt sei, weil die Klägerin mit dem Eintritt eines Schadens vor Konkurseröffnung nicht habe rechnen können und der Beklagte für sie auch nicht früher als Schädiger erkennbar gewesen sei. Der Beklagte hafte als Geschäftsführer infolge schuldhafter Verletzung eines Gesetzes den Gesellschaftsgläubigern. Auch § 159 Abs 1 Z 1 StGB stelle eine Gläubigerschutzbestimmung und damit eine Schnutznorm iS des § 1311 ABGB dar. Durch die vom Beklagten zu verantwortende Zahlungsunfähigkeit der W*** J.E.M*** KG und der M*** Gesellschaft mbH habe die zu 24 Cg 518/83 des Landesgerichtes Klagenfurt rechtskräftig festgestellte Forderung der Klägerin nicht mehr realisiert werden können. dem Beklagten sei ein Aufrechnungseinwand wegen entschiedener Rechtssachen verwehrt. Keinen Anspruch habe die Klägerin auf Ersatz der von ihr beanspruchten Verfahrenskosten.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil dem Berufungsgericht keine Rechtsprechung bekannt sei, der zufolge die Haftung des Geschäftsführers auch auf den Tatbestand des § 159 Abs 1 Z 1 StGB gestützt werden könne, und eine andere Rechtsauffassung darüber, ob schon durch die bloße Unmöglichkeit der Vollstreckung eines Exekutionstitels die Begründung eines ersatzfähigen Schadens eintrete, möglich sei.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Der Beklagte wendet sich nach dem Inhalt der Revisionsschrift ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen. Das LG Klagenfurt habe im Verfahren 24 Cg 518/83 schon nach dem Inhalt des Urteilsspruches über die von der W*** J.E.M*** KG eingewendete Gegenforderung nicht abgesprochen. Es habe nicht darauf Bedacht genommen, daß der Kommanditgesellschaft zum Zeitpunkt der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 16.1.1984 die Parteifähigkeit gefehlt habe und sei über Antrag der Klägerin mit Versäumungsurteil nach § 399 ZPO vorgegangen. Nur die im Spruch eines Urteils ausgesprochene Entscheidung über eine Gegenforderung sei fähig, Rechtskraft zu erlangen. Die Forderung der Klägerin gegen die Kommanditgesellschaft bestehe wegen der dieser zustehenden Gegenforderungen nicht zu Recht. Der Klägerin sei daher ein Schaden überhaupt nicht zugefügt worden, sie habe sich den eingetretenen Schaden zufolge der mangelhaften Lieferung vielmehr selbst zuzuschreiben. Der Beklagte sei nicht Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft, sondern deren Komplementärin Bau-M*** Gesellschaft mbH gewesen. Er werde von der Klägerin zu Unrecht als Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen. Die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten könne im gegenständlichen Verfahren keine Bindungswirkung nach § 268 ZPO haben. Der Beklagte habe die Forderung der Klägerin gegenüber der W*** J.E.M*** KG im Strafverfahren bestritten.

Diese Forderung sei zum Zeitpunkt seiner strafgerichtlichen Verurteilung noch keinesfalls als zu Recht bestehend festgestellt worden. Bei dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25.1.1984, 24 Cg 518/83, handle es sich um ein "rechtliches Nichts", da der in jenem Verfahren Beklagten die Parteifähigkeit gefehlt habe und ihr die Möglichkeit genommen gewesen sei, unter Beweis zu stellen, daß die Forderung der Klägerin nicht zu Recht bestehe. Es sei bedenklich, die Verurteilung des Beklagten nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB als Grund für seine Haftung iS des § 1311 ABGB heranzuziehen. Diese Verurteilung stehe in keinem spezifischen Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem von der Klägerin behaupteten Schaden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Ohne Bedeutung ist es allerdings, daß die Klägerin den Beklagten in der Klage als Geschäftsführer der W*** J.E.M*** KG bezeichnet hat und nicht, wie es zutreffend gewesen wäre, als Geschäftsführer der Komplementärsgesellschaft, der Bau-M***

Gesellschaft mbH, (und überdies Kommanditist) jener Gesellschaft mbH & Co.KG. Nach der gesellschaftsvertraglichen Verknüpfung von Gesellschaft mbH und Kommanditgesellschaft mußte die Geschäftsführung der Komplementärgesellschaft in der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft bestehen. Als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft war deshalb der Beklagte für die Führung der Geschäfte der Gesellschaft mbH & Co.KG mit der im § 25 Abs 1 GmbHG umschriebenen Sorgfalt unmittelbar verantwortlich (6 Ob 757/83 = GesRZ 1986,32; vgl.auch Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 141). Der fahrlässigen Krida macht sich gemäß § 159 StGB (früher § 486 StG) schuldig, wer als Schuldner mehrerer Gläubiger 1.) fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit herbeiführt, insbesondere dadurch, daß er übermäßigen Aufwand treibt, leichtsinnig oder unverhältnismäßig Kredit benutzt oder gewährt, einen Bestandteil seines Vermögens verschleudert oder ein gewagtes Geschäft abschließt, das nicht zum ordnungsgemäßen Betrieb seines Geschäftes gehört oder mit seinen Vermögensverhältnissen in auffallendem Widerspruch steht;

2.) in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen (insbesondere aus den im Gesetz näher angeführten Gründen) vereitelt oder schmälert. Beide Deliktstatbestände des § 159 StGB sind Schutzgesetze iS des § 1311 ABGB ("Hat jemand ein Gesetz, das zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten, so haftet er für allen Nachteil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre") zugunsten der Gläubiger (Reich-Rohrwig aaO 142; Doralt in GesRZ 1982,92 f). Der Schutzgesetzcharakter des § 159 Abs 1 Z 2 StGB wird in ständiger Rechtsprechung (SZ 42/104 = JBl 1972,141; SZ 53/53 ua) bejaht. Jener des § 159 Abs 1 Z 1 StGB war bisher nicht Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes. Er kann aber nach dem Inhalt dieser Strafbestimmung nicht zweifelhaft sein. Die Gläubigerschädigung ist eine im höchsten Maß wahrscheinliche und ganz typische Folge des beschriebenen Verhaltens. Daß der Schutz der Gläubiger mit der Vorschrift bezweckt wird, kommt auch sehr deutlich darin zum Ausdruck, daß als Täter nur der Schuldner mehrerer Gläubiger in Betracht kommt. Schließlich spricht auch der Aufbau dafür, daß die in einer Vorschrift zusammengefaßten Bestimmungen (Z 1 und Z 2) beide den Schutz des Gläubigers vor den aus dem pönalisierten Verhalten typischerweise entstehenden Gefahren bezwecken (Doralt aaO 94). § 159 Abs 1 Z 1 StGB erfordert im Gegensatz zu Z 2 der Bestimmung keine Feststellung der Schädigung der Gläubiger, weil diese schon mit der Zahlungsunfähigkeit eintritt (EvBl 1980/130). Daß auch die Klägerin zu jenen Gläubigern der W*** J.E.M*** KG gehört, die durch die Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft einen Schaden erlitten haben, ist keine Frage; besitzt sie doch in dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25.1.1984, 24 Cg 518/83, einen Exekutionstitel gegen die Kommanditgesellschaft, der nach Auflösung der Gesellschaft zufolge des Konkurses über ihr Vermögen nicht vollstreckt werden kann. Es ist nicht richtig, daß die Entscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25.1.1984, 24 Cg 518/83, ein "rechtliches Nichts" ist. Das genannte Urteil ist rechtskräftig geworden. Zwar mangelt es an einer wesentlichen Prozeßvoraussetzung, wenn einem der Streitteile die Parteifähigkeit, also die Fähigkeit, im Prozeß selbständig Träger von Rechten und Pflichten im eigenen Namen zu sein, fehlt. Dieser Mangel hat die Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge (SZ 50/52). Eine rechtskräftige Entscheidung kann aber nicht mehr als nichtig behoben werden (EvBl 1976/159, JBl 1974,375; vgl.Fasching III 736 ff). Die Rechtskraft eines Urteils ist gemäß § 411 Abs 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen. Es ist daher davon auszugehen, daß die W*** J.E.M*** KG mit der angeführten Entscheidung rechtskräftig zur Zahlung eines Betrages von S 127.546,65 s.A. verurteilt wurde.

Der Beklagte haftet gemäß § 1311 ABGB allerdings nur für jenen Nachteil der Klägerin, der ohne sein Vergehen iS des § 159 Abs 1 Z 1 StGB nicht eingetreten wäre.

Die W*** J.E.M*** KG hat im Verfahren 24 Cg 518/83 des LG Klagenfurt Einwendungen erhoben und Gegenforderungen geltend gemacht, die nach ihrer Behauptung den Klageanspruch übersteigen, die sie aber nicht spezifiziert hat. Eine Entscheidung hierüber ist deshalb, wie aus dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25.1.1984 hervorgeht, auch nicht erfolgt. Der Beklagte vermag zwar diese - nunmehr spezifizierten - Einwendungen und Gegenforderungen nicht als solche zu wiederholen, weil es sich hiebei nicht um seine Rechte, sondern um solche der Kommanditgesellschaft handelt, zu deren Geltendmachung er nicht legitimiert ist. Er ist aber nicht gehindert, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, daß ein Schaden der Klägerin durch die von ihm gemäß § 1311 ABGB zu verantwortende Übertretung eines Schutzgesetzes nicht oder doch nicht in dem behaupteten Umfang entstanden sei. Die Rechtskraft des Vorurteils ist in subjektiver Hinsicht auf die Parteien des rechtskräftig entschiedenen Prozesses (sowie deren Gesamt- und / Einzelrechtsnachfolger) beschränkt (Fasching III 727). Auch die inhaltliche Bindung an die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses, welche zur Folge hat, daß die sachliche Behandlung und Prüfung des Gegenstandes des rechtskräftig entschYedenen Vorurteils bei der Sachentscheidung über ein neues (nicht identisches) Begehren ausgeschlossen ist, beschränkt sich als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den geltend gemachten Anspruch, über den im Urteil entschieden wurde (Fasching III 705 f, SZ 53/42).

Die Rechtskraft des von der Klägerin gegen die W*** J.E.M*** KG erwirkten Urteils hindert daher den Beklagten - der in jenem Verfahren nicht Partei war - nicht, Einwendungen gegen die Höhe des von der Klägerin behaupteten Schadens zu erheben. Auch von einer Tatbestandswirkung der Entscheidung 24 Cg 518/83 des Landesgerichtes Klagenfurt kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Eine Tatbestands- oder Reflexwirkung ist dann anzunehmen, wenn das historische Ereignis der Urteilsfällung für die Tatfrage des Folgeprozesses von Bedeutung ist, sei es, daß das Gesetz oder ein Rechtsgeschäft ausdrücklich an die Existenz eines Urteils eine besondere Rechtsfolge knüpft oder sei es, daß die Existenz des Urteils einen Sachverhalt schafft, der ein anderes umschriebenes Tatbestandsmerkmal erfüllt (SZ 53/42). Die Tatbestandwirkung eines zur Leistung verurteilenden Urteils besteht darin, daß auch jeder Dritte die Tatsache der zivilgerichtlichen Verurteilung des Beklagten zur Leistung gegen sich gelten lassen muß; er kann aber im Rahmen eines Rechtsstreites über einen von oder gegen diesen Dritten von einem anderen aus dieser Tatsache abgeleiteten Anspruch die Richtigkeit der urteilsmäßigen Entscheidung des Vorstreites und die Rechtsbeziehungen der damaligen Streitteile, soweit sie für den gegenständlichen Rechtsstreit erheblich sind, neu überprüfen lassen. Während die materielle Rechtskraft r§in prozessual jede Neuaufrollung des bereits entschiedenen Anspruches zwischen den gleichen Parteien ausschließt, tritt eine Tatbestandswirkung nur in dem Umfang ein, den das materielle Recht in Ansehung des neu strittigen Anspruches festsetzt (Fasching III 745). Das historische Ereignis der Fällung des Urteils 24 Cg 518/83 des Landesgerichtes Klagenfurt ist im vorliegenden Fall nicht präjudiziell. Die Frage der Schadenshöhe kann daher ohne Bindung an dieses Urteil geprüft und entschieden werden. Der Beklagte hat vorgebracht, ein Restbetrag von S 94.461,65 (auf die Gesamtrechnung der Klägerin von S 294.461,65) sei von der W*** J.E.M*** KG nur deshalb nicht bezahlt worden, weil die Klägerin die Ware nicht in der bedungenen Qualität und im bedungenen Ausmaß geliefert habe, so daß die gelieferte Ware sofort beanstandet und der Auftrag stoniert worden sei und die Kommanditgesellschaft ein anderes Unternehmen mit der Lieferung der Granitsteine beauftragt habe, daß der Kommanditgesellschaft durch Stehzeiten, die durch die mangelhaften Lieferungen entstanden seien, ein erheblicher Aufwand entstanden sei, den sie als Gegenforderung geltend gemacht habe (AS 8). Der Beklagte hat die Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen die Klägerin für Qualitätsmängel, Stehzeiten usw. mit S 100.184,24 beziffert (AS 16). Sollte die W*** J.E.M*** KG die bezeichnete Restzahlung wegen der vom Beklagten behaupteten Mängel und Gegenforderungen zur Gänze oder doch zum Teil mit Recht nicht geleistet haben, wäre der von der Klägerin behauptete Schaden insoweit nicht durch die dem Beklagten angelastete Übertretung eines Schutzgesetzes eingetreten.

Ausgehend von anderen rechtlichen Erwägungen, haben die Vorinstanzen nicht geprüft, ob und in welchem Ausmaß den eben dargestellten Einwendungen des Beklagten Berechtigung zukommt. Es war deshalb der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

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