OGH 7Ob28/03y

OGH7Ob28/03y2.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hasan O*****, geboren am ***** vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Chafika O*****, geboren am ***** wegen Nichtigerklärung der Ehe, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 27. Dezember 2002, GZ 1 R 289/02m-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 9. Dezember 2002, GZ 1 C 235/02a-3, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit der am 22. 11. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Nichtigerklärung der zwischen ihm und der Beklagten am 11. 4. 2002 in Marokko geschlossenen Ehe deshalb, da die Beklagte ihn ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zwecke geheiratet habe, eine unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit für Österreich und den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erhalten. Der Kläger habe sich anlässlich eines Urlaubsaufenthaltes in Marokko in die um 27 Jahre jüngere Beklagte verliebt und sie nach wenigen Wochen geheiratet. Die Beklagte sei im Juli 2002 nach Österreich gekommen und habe mit ihm die eheliche Gemeinschaft aufgenommen. Kurz danach habe der Kläger feststellen müssen, dass die Beklagte überhaupt kein Interesse mehr an ihm habe, sich überwiegend bei Freunden aufhalte und nur kurz die Ehewohnung betrete, um etwas zu holen. Die Beklagte lehne jeden Kontakt und jedes Gespräch mit dem Kläger ab. Die Bestimmung des § 28 Abs 2 EheG, wonach ein Nichtigkeitsgrund nach § 23 EheG nur vom Staatsanwalt mit Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden könne, verstoße gegen das Gleichheitsgebot. Es fehle jede sachliche Grundlage dafür, dass nicht auch der Ehegatte die Ehenichtigkeitsklage erheben könne. In eventu begehrt der Kläger die Ehescheidung aus dem Alleinverschulden der Beklagten, der er schwere Eheverfehlungen vorwirft.

Das Erstgericht wies die "Klage wegen Nichtigerklärung einer Ehe wegen mangelnder Aktivlegitimation" ab und das Eventualbegehren, die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten zu scheiden, zurück. Die Klagsbefugnis stehe nach § 28 Abs 1 EheG nur dem Staatsanwalt zu. Der Kläger sei deshalb nicht aktiv legitimiert, sodass die Klage "abzuweisen" sei. Das Eventualbegehren sei zurückzuweisen, da es sich um eine klare Umgehung der Nichtigkeitsprüfung durch den Staatsanwalt handle.

Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Es sei zwischen mangelnder Parteifähigkeit und mangelnder Sachlegitimation zu unterscheiden. Der Mangel der Parteifähigkeit sei von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu beachten, der Mangel der Sachlegitimation sei jedoch nur über Einwendung zu prüfen. Die Frage, ob jemand überhaupt Partei sein könne, also parteifähig sei, sei eine Frage des Prozessrechtes, die Frage, wer die "richtige" Partei sei, sei eine Frage der Sachlegitimation und des materiellen Rechtes. Es bestehe kein Zweifel darüber, dass dem Kläger als einer natürlichen Person grundsätzlich Prozessfähigkeit zukomme. Daraus folge, dass hier kein Fall mangelnder Parteifähigkeit, sondern mangelnder Sachlegitimation gegeben sei. Der Staatsanwalt sei nach § 28 Abs 1 EheG allein aktiv legitimiert, eine auf § 23 EheG gestützte Nichtigkeitsklage einzubringen. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot liege nicht vor. Vor Nichtigerklärung einer Ehe sei eine Scheidung (Aufhebung) zulässig. Nur eine rechtskräftig für nichtig erklärte Ehe könne nicht mehr geschieden (aufgehoben) werden. Das Erstgericht habe daher zuerst über das Hauptbegehren (Nichtigerklärung) abzusprechen und bei dessen Abweisung über das Eventualbegehren auf Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten zu erkennen.

Das Rekursgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, da noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung darüber bestehe, ob die im § 28 Abs 1 EheG geregelte Befugnis des Staatsanwalts dessen Parteifähigkeit oder die Klagslegitimation betreffe und ob diese Bestimmung gleichheitswidrig einzustufen sei.

Dagegen richtet sich der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs des Klägers mit dem Antrag, "die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos" aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt den Rechtsstandpunkt, dass im Ehenichtigkeitsverfahren die Sachlegitimation von Amts wegen zu prüfen sei und ihr Fehlen zur Klagszurückweisung mit Beschluss führe. Im vorliegenden Fall sei aber der Kläger zur Einbringung der Ehenichtigkeitsklage legitimiert.

Die Zurückweisung der Klage a limine als unzulässig mit Beschluss kann nur dann erfolgen, wenn nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind bzw wenn Prozesshindernisse vorliegen. Zu der Frage, ob die Klage begründet ist, gehört die Schlüssigkeit der Klage und damit auch die Frage, ob ein nach dem Vorbringen Berechtigter den Anspruch erhebt. Dies hat nichts mit der Zulässigkeit der Klage zu tun, sondern mit der materiellen Begründetheit. Fehlt es an der aktiven oder passiven Klagslegitimation, so muss die Klage als unbegründet mit Urteil abgewiesen werden (RIS-Justiz RS0079246, RS0106922). Die Frage der Sachlegitimation (Aktiv- oder Passivlegitimation) ist nichts anderes als die meritorische Entscheidung über den Klagsanspruch im Hinblick auf seine subjektiven Voraussetzungen (RIS-Justiz RS0035170). Ergibt sich die fehlende Sachlegitimation des Klägers schon aus dem Gesetz oder aus dem Vorbringen der Klage, so ist die mangelnde Schlüssigkeit von Amts wegen zu beachten (RIS-Justiz RS0035027, RS0035196).

Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass auch hier im Falle einer Ehenichtigkeitsklage über die Frage der Klagslegitimation des Klägers nur mit Urteil abgesprochen werden kann. Im Falle der offenbaren Unschlüssigkeit der Klage, weil etwa die Klagslegitimation schon nach dem Gesetz oder dem Vorbringen fehlt, ist auch ohne darauf abzielende Einwendung die Klage mit Urteil abzuweisen. Da das Erstgericht die Klage unrichtigerweise a limine zurückgewiesen hat, statt über die Klagslegitimation mit Urteil zu entscheiden, kann im gegenwärtigen Verfahrensstadium zu den materiellen Fragen der Aktivlegitimation noch nicht Stellung genommen werden. Aus demselben Grund kommt auch keine Befassung des Verfassungsgerichtshofes in Frage.

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