OGH 7Ob24/21m

OGH7Ob24/21m24.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. M* O* und 2. Dr. R* O*, beide *, beide vertreten durch Mag. Paul Hechenberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. C* P*, und 2. Mag. S* L*, beide *, beide vertreten durch Dr. Bernd Schmidhammer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 92.124 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2020, GZ 4 R 143/20s‑45, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131179

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung im Einzelfall nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln (8 Ob 9/19k; RS0016561 [T1]; RS0018564 [T13]). Dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht nur am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (8 Ob 9/19k; RS0016561 [T3]). Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen (RS0018561 [T1]; RS0018564 [T9]). In diesem Sinn erstreckt sich ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht nicht auf das Fehlen – ausdrücklich oder schlüssig – zugesicherter Eigenschaften (8 Ob 9/19k; RS0018564 [T7, T12]; RS0018561 [T2]; RS0018523 [T2]). Ob eine (schlüssige) Zusage vorliegt oder nicht, kann ebenfalls nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (8 Ob 9/19k; 5 Ob 64/19a), weshalb bei der Klärung solcher Fragen der Vertragsauslegung die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nur ausnahmsweise dann gegeben sind, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (5 Ob 64/19a mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor:

[2] 2. In einem von der zweitbeklagten Verkäuferin, einer Immobilienmaklerin, für das Privatobjekt verfassten Exposé fand sich (ua) folgende Beschreibung: „Im Jahr 1999 wurde das bestehende Gebäude bis auf die Grundmauern rückgebaut, generalsaniert und erweitert. Im Jahr 2005/2006 wurde das Dachgeschoss neu errichtet.“ Die Kläger wollen diese Formulierung als ausdrückliche Zusage dahin verstanden wissen, dass das gesamte Gebäude oberhalb der Grundmauern, also über der Erde, im Jahr 1999 neu errichtet worden sei. Dass die Vorinstanzen diesem Verständnis nicht gefolgt sind, verstößt nicht gegen Auslegungsgrundsätze, weil damit beschrieben wird, dass seinerzeit drei Maßnahmen, nämlich ein „Rückbau“ auf die Grundmauern, eine Generalsanierung und eine Erweiterung stattgefunden haben. Dass die einzelnen Maßnahmen nicht jeweils das gesamte Objekt betroffen haben können, ist schon deshalb zwingend, weil ein gänzlicher „Rückbau“ in dem von den Klägern angestrebten Verständnis einer völligen Entfernung mit einer ebenfalls stattgefundenen Generalsanierung nicht vereinbar wäre. Die Verneinung der von den Klägern gewünschten ausdrücklichen Zusage eines völligen Neubaus „oberhalb der Grundmauern“ ist daher schon nach einfachen sprachlichen und logischen Regeln jedenfalls keine aufzugreifenden Verkennung von Auslegungsregeln.

[3] 3.1. Ob es sich bei dem von den klagenden Käufern selbst formulierten Gewährleistungsverzicht um einen „umfassenden“ handelt, muss hier nicht in jeder Richtung untersucht werden, weil die Kläger (nur) zwei vermeintliche Mängel geltend machen, nämlich den – zuvor schon angesprochenen – nicht gänzlichen Neubau des Objekts „oberhalb der Grundmauern“ sowie die (Ursache für eine) nach der Übernahme des Objekts entdeckte Schimmelbildung.

[4] 3.2. Ob das Haus „oberhalb der Grundmauern“ zur Gänze neu gebaut oder „nur“ in der vom Erstgericht näher beschriebenen Weise in bestimmten Bereichen um- sowie ausgebaut und generalsaniert wurde, betrifft eine „bestimmte Eigenschaft [und] Beschaffenheit des Kaufobjektes“ und ist daher vom Gewährleistungsverzicht grundsätzlich umfasst. Eine Beschränkung des Gewährleistungsverzichts auf die bei einer Besichtigung in die Augen fallenden Mängel ist der von den klagenden Käufern stammenden Formulierung nicht zu entnehmen und dass die gänzliche Neuaufführung des gesamten Hauses im Jahre 1999 eine zugesagte Eigenschaft gewesen wäre, hat das Berufungsgericht – wie ausgeführt – ohne Verkennung von Auslegungsgrundsätzen verneint (vgl Punkt 2.). Schon deshalb greift der vereinbarte Gewährleistungsverzicht; die dagegen ins Treffen geführten Entscheidungen 2 Ob 176/10m und 9 Ob 3/09w betrafen gänzlich anders gelagerte Sachverhalte. Infolge Geltung des Gewährleistungsverzichts kommt es auf den Umstand, dass nach den Tatsachenannahmen des Berufungsgerichts das Ausmaß der Umbauten im Jahr 1999 überdies anhand der dem Exposé angeschlossenen Baupläne für einen „geübten Planleser“ ersichtlich war, wofür die Kläger die Beiziehung eines Sachverständigen für notwendig halten und darin eine Überspannung der Sorgfaltspflicht erkennen, nicht mehr an.

[5] 3.3. Die Ursache für die von den Klägern nach Übergabe des Objekts erkannte Schimmelbildung steht nicht fest und diese könnte nach den erstgerichtlichen Feststellungen auch auf das eigene Verhalten der Kläger zurückzuführen sein. Auch insoweit fehlt daher für Gewährleistungsansprüche eine Grundlage.

[6] 4. Das Berufungsgericht hat zutreffend und im Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass § 1299 ABGB keine eigene Anspruchsgrundlage bildet, sondern lediglich einen Sorgfaltsmaßstab festlegt (vgl RS0026211 [T6]). Die Zweitbeklagte war gegenüber den Klägern nicht als berufliche Immobilienmaklerin tätig, sondern (nur) als eine der beiden verkaufenden Liegenschaftseigentümer. Eine Schadenersatzhaftung infolge der Profession der Zweitbeklagten scheidet damit aus und diese traf deshalb im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses auch keine erhöhte Diligenzpflicht.

[7] 5. DieKläger zeigen somit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen. Eine weitergehende Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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