OGH 7Ob23/88

OGH7Ob23/8816.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) K*** W***-BAU Gesellschaft mbH, Schärding, Unterer Stadtplatz 13,

2.) N*** R*** mbH, Salzburg, Rainerstraße 13, beide vertreten durch Dr. Herbert Jahn, Dr. Erich Unterer und Dr. Rainer Handl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei O*** W*** V***, Linz,

Gruberstraße 32, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 28.902,30 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert S 78.902,30) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. Oktober 1987, GZ 3 R 253/87-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 21. Mai 1987, GZ 2 Cg 116/85-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien im Rahmen der Haftpflichtversicherung Polizzennummer 1093/00293-802 (248262/016-80) gegen Schadenersatzforderungen aus dem Arbeitsunfall des Siegfried W*** vom 23.2.1981 Versicherungsschutz zu gewähren."

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien haben im Rahmen ihrer Arbeitsgemeinschaft Kanalisation Tennengau mit der beklagten Partei eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung des Bauhaupt-, Bauneben- und Bauhilfsgewerbes (ABHB) zugrunde liegen. Gemäß Art.1 1.1 ABHB übernimmt es der Versicherer, die Folgen von Schadenersatzverpflichtungen aus Personenschäden und Sachbeschädigungen zu tragen, die dem Versicherungsnehmer aus der in der Polizze bezeichneten betrieblichen Tätigkeit (dem versicherten Risiko) aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen. In diesem Rahmen übernimmt der Versicherer auch die gerichtlichen und außergerichtlichen angemessenen Kosten der Abwehr einer von einem Dritten ungerechtfertigterweise behaupteten Schadenersatzverpflichtung. Nach Art.2 16.2 ABHB erstreckt sich der Versicherungsschutz im Rahmen des versicherten Risikos (Art.1 1.1) auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus der gesetzlichen Haftpflicht sämtlicher übrigen Angestellten und Arbeiter (soweit sie nicht als Aufseher im Betrieb schon gemäß Art.2 16.1 in den Versicherungsschutz einbezogen sind) jedoch mit Ausschluß von Schadensfällen, bei welchen es sich um Arbeits-(Betriebs-)Unfälle im Sinne der Sozialversicherungsgesetze handelt.

Die Helmut W*** GesmbH & Co KG (im folgenden nur KG) hatte im Auftrag der klagenden Parteien auf der Kanalbaustelle Kaltenhausen an Schalttafeln neue Haken anzuschweißen. Siegfried W***, ein Dienstnehmer der KG, war am 23.2.1981 mit dem Anschweißen der Haken beschäftigt. Ein Teil der Schalttafeln befand sich in einem 5 m tiefen Kanal. Siegfried W*** hätte daher eine Leiter benötigt. Da eine solche nicht vorhanden war, schlug ihm der Baggerführer der klagenden Parteien Kurt R*** vor, ihn mit dem Löffel des Hydraulikbaggers in den Kanal zu befördern. Siegfried W*** hielt sich bei diesem Vorgang an der Querspindel fest. Durch das Schwenken des Hebearmes des Baggers wurde der Arm des Siegfried W*** gegen die Spindel gedrückt, wodurch Siegfried W*** am rechten Arm schwere Verletzungen erlitt. Kurt R*** wurde wegen dieses Vorfalles mit Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 2.4.1982 (U 45/82-8) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Die A*** U*** (AUVA) hat den Unfall als Arbeitsunfall

anerkannt und für ihren Versicherten Siegfried W*** an Heilungskosten S 35.903,50 aufgewendet. Sie bezahlt dem Verletzten eine Versehrtenrente, ihre Aufwendungen hiefür bis April 1983 betrugen S 23.855,81. Mit Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 15.2.1984 (Cr 759/83-13) wurde Kurt R*** unter Annahme eines 25 %igen Mitverschuldens des Verletzten schuldig erkannt, der AUVA S 26.927,60 samt 4 % Zinsen seit 11.6.1983 zu bezahlen. Außerdem wurde seine Ersatzpflicht für die künftigen Aufwendungen der AUVA unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Verletzten von 25 % festgestellt. Mangels Einbringlichkeit der Forderung bei Kurt R*** nimmt die AUVA unter Berufung auf § 1313 a ABGB die klagenden Parteien in Anspruch. Diese haben an die AUVA den Betrag von S 26.927,60 samt Anhang, d.s. S 28.902,30 bereits bezahlt. Die beklagte Partei lehnte den Versicherungsschutz ab und verwies die klagenden Parteien auf die Möglichkeit einer Deckungsklage. Mit der vorliegenden Klage begehren die klagenden Parteien den Ersatz des von ihnen an die AUVA bezahlten Betrages und die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, den klagenden Parteien im Falle ihrer Inanspruchnahme für Schadenersatzforderungen aus dem Arbeitsunfall des Siegfried W*** vom 23.2.1981 die von ihnen geleisteten Zahlungen insoweit zu ersetzen, als sie in der vereinbarten Versicherungssumme Deckung finden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seiner Auffassung handle es sich bei den gegen die klagenden Parteien erhobenen Schadenersatzansprüchen um solche aus einem Arbeitsunfall, die nach Art.2 16.2 ABHB vom Versicherungsschutz ausdrücklich ausgenommen seien.

Das Berufungsgericht änderte den das Feststellungsbegehren betreffenden Teil des Ersturteils dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Den das Leistungsbegehren betreffenden Teil des Ersturteils hob das Berufungsgericht ohne Rechtskraftvorbehalt auf und wies in diesem Umfang die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht jedoch S 300.000 übersteigt und daß die Revision nicht zulässig ist. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes betreffe der Ausschluß von Schadenersatzansprüchen aus Arbeitsunfällen nach Art.2 16.2 ABHB nach dessen klarem Wortlaut nur Schadenersatzansprüche, die gegen die Angestellten oder Arbeiter des Versicherungsnehmers erhoben würden. Im vorliegenden Fall würden jedoch Schadenersatzansprüche gegen die Versicherungsnehmer selbst geltend gemacht. Für Schadenersatzansprüche, die gegen die Versicherungsnehmer aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erhoben würden, sei jedoch nach Art. 1 ABHB ein Ausschluß von Schadenersatzansprüchen aus Arbeitsunfällen nicht vorgesehen. Die gegen das Teilurteil der zweiten Instanz erhobene ao. Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil zur Frage, ob der Risikoausschluß des Art.2 16.2 ABHB auf Haftpflichtansprüche gegen die dort genannten Personen beschränkt ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt und der Urteilsspruch entsprechend dem von den klagenden Parteien erhobenen Begehren einer Klarstellung bedarf.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Wie schon das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat, sind nach der primären Risikoumschreibung des Art.1 der ABHB Schadenersatzforderungen aus Arbeits-(Betriebs-)Unfällen im Sinne der Sozialversicherungsgesetze von der Deckungspflicht mitumfaßt. Der Art.2 der ABHB trägt die Überschrift "sachliche und personelle Erweiterung des Versicherungsschutzes" und zieht in seinem Punkt 16 durch personelle Erweiterung eine Reihe von Drittbeteiligten in den Risikobereich der Betriebshaftpflichtversicherung ein. Danach erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen nach Punkt 16.1 aus der gesetzlichen Haftpflicht der gesetzlichen Vertreter des Versicherungsnehmers oder solche Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat und nach Punkt 16.2 auch aus der gesetzlichen Haftpflicht sämtlicher übrigen Angestellten und Arbeiter für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienst-lichen Verrichtungen verursachen, jedoch mit Ausschluß von Schadensfällen, bei welchen es sich um Arbeits(Betriebs-)Unfälle im Sinne der Sozialversicherungsgesetze handelt. Aus dem klaren Wortlaut und aus der Gliederung der Risikobestimmungen ergibt sich, daß sich der sekundäre Risikoausschluß des Art. 2 16.2 nur auf Schadenersatzverpflichtungen aus der gesetzlichen Haftpflicht der dort genannten Personen bezieht, nicht aber auch auf solche des Versicherungsnehmers. Für diese Auslegung spricht auch ein Vergleich mit den im wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen des Abschnittes A 1.3.1 und 3.2 der EHVB (1986), die im Schrifttum auch in diesem Sinn verstanden werden, daß eben der Versicherungsschutz, den sämtliche übrigen Arbeitnehmer genießen, weniger umfassend ist als der des Personenkreises nach Punkt 3.1 und des Versicherungsnehmers selbst. Der Unterschied besteht eben darin, daß (nur) bei den Personen, denen weder die Stellung des Versicherungsnehmers noch die Funktion eines Aufsehers zukommt, der Versicherungsschutz aus Personenschäden ausgeschlossen ist, soweit es sich um Arbeitsunfälle handelt (Achatz ua AHVB 1986, 138). Die Rechtsmeinung der beklagten Partei vernachlässigt die Differenzierung zwischen der Haftpflicht der Versicherungsnehmer und der erst durch personelle Erweiterung in den Risikobereich einbezogenen Drittbeteiligten. Unbeschadet des Umstandes, daß es sich hier um einen Arbeitsunfall handelte, hat die beklagte Partei daher den klagenden Parteien als ihren Versiche-rungsnehmern Versicherungsschutz zu gewähren. Daß die Inanspruchnahme der klagenden Parteien aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erfolgt, ist nicht zweifelhaft und wird von der Revision auch nicht bestritten. Mit der Inanspruchnahme seitens eines Dritten ist der Anspruch aus der Haftpflichtversicherung entstanden und fällig geworden. Da die beklagte Partei den Versicherungsschutz ablehnte, kommt den klagenden Parteien auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Deckungspflicht zu (7 Ob 58/86). Da der Versicherer in der Haftpflichtversicherung auch unberechtigte Schadenersatzforderungen abzuwehren hat und im Deckungsprozeß die Berechtigung der erhobenen Ansprüche nicht zu prüfen ist, können die Fragen des Umfanges der Vertretungsmacht des Poliers und der Erfüllungsgehilfenstellung des Baggerführers hier unerörtert bleiben. Soweit sich der Anspruch des Versicherungsnehmers in der Haftpflichtversicherung nicht bereits in einen Zahlungsanspruch gewandelt hat (vgl. hiezu VersR 1984, 1195), kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur auf Feststellung klagen, daß der Versicherer wegen eines im einzelnen genau bezeichneten Versicherungsfalles Versicherungsschutz zu gewähren hat (Prölss-Martin VVG24 621 mwN). Dies ist es auch, was die klagenden Parteien nach dem gesamten Sachvorbringen begehren. Die Mängel des von ihnen vorformulierten Urteilsantrages sind daher unschädlich, weil sich aus dem Sachvorbringen die begehrte Leistung bzw. Fest-stellung einwandfrei ableiten läßt. In diesem Sinne war dem Sachantrag eine entsprechende Fassung zu geben (Fasching III 646; SZ 37/28; 7 Ob 54/86 uva).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 40ZPO.

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Parteien ist verspätet. Die Revisionsbeantwortung auf eine außerordentliche Revision ist gemäß § 508 a Abs 2 ZPO beim Revisionsgericht einzubringen. Die klagenden Parteien haben ihre Revisionsbeantwortung zwar innerhalb der Frist von 4 Wochen zur Post gegeben, jedoch unrichtig an das Erstgericht adressiert. Dieses leitete zwar den Schriftsatz ohne Verzug an den Obersten Gerichtshof weiter, wo er jedoch erst am 30.5.1988 und somit nach Ablauf der gesetzlichen Frist einlangte. Die Tage des Postenlaufes eines befristeten Schriftsatzes sind nur dann für die Einhaltung der Frist außer Betracht zu lassen, wenn die Postsendung an das zuständige Gericht adressiert war, andernfalls ist die Frist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht einlangt (SZ 52/155; SZ 24/10; 7 Ob 585/88 uva). Letzteres war hier nicht der Fall. Die Revisionsbeantwortung ist daher zurückzuweisen.

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