OGH 1Ob381/50

OGH1Ob381/5012.1.1951

SZ 24/10

Normen

ABGB §163
GOG §89
ABGB §163
GOG §89

 

Spruch:

Die Absendung eines Rechtsmittels an ein unrichtiges Gericht steht der Anwendung des § 89 GOG. dann nicht entgegen, wenn das Rechtsmittel noch am Tage des Einlangens beim unrichtigen Gericht dem zuständigen Gericht zugekommen ist.

Hat die Beiwohnung außerhalb der Frist des § 163 ABGB. stattgefunden, so muß das klagende Kind die Zeugung durch den Beklagten beweisen. Dies kann durch den Nachweis geschehen, daß der Reifegrad des Kindes usw. für die Zeugung durch den Beklagten spricht, und daß die Zeugung durch einen Dritten mit Sicherheit oder mit einem an Gewißheit grenzenden Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

Entscheidung vom 12. Jänner 1951, 1 Ob 381/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 14. Dezember 1949 der Vaterschaftsklage stattgegeben und in den Gründen ausgeführt, ein Geschlechtsverkehr des Beklagten mit der Kindesmutter habe nicht innerhalb der Frist des § 163 ABGB., sondern außerhalb derselben, nämlich am 305. Tage vor der Geburt stattgefunden; die Kindesmutter habe außerdem noch mit Alois U. geschlechtlich verkehrt, aus dem erbbiologischen Gutachten ergebe sich aber, daß die klagenden Kinder mit dem Beklagten eine weit größere Ähnlichkeit aufweisen, während die Vaterschaft des Alois U. höchst unwahrscheinlich sei; nach dem Gutachten des Gerichtsmedizinischen Institutes der Universität Wien sei die Möglichkeit einer Zeugung von Kindern bei dem vom Beklagten zugegebenen Geschlechtsverkehr vom 3. Oktober 1943 gegeben, die Vaterschaft des Beklagten sei auch auf Grund der Blutgruppen- und Faktorenbestimmung nicht auszuschließen. Der vom Beklagten beantragte Beweis durch Vernehmung eines Sachverständigen über die Möglichkeit der Zeugung nach den Knaus'schen Regeln sei unerheblich, da der gerichtsmedizinische Sachverständige sich über die Möglichkeit der Zeugung ausgesprochen habe, wenn auch ohne Bezugnahme auf die Knaus'sche Regel, die aber wissenschaftlich sehr umstritten sei und deren Anwendung niemals zur Klärung der gegenständigen Beweisfrage entscheidend beitragen könnte.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung das erstgerichtliche Urteil im wesentlichen mit folgender Begründung:

Mag auch nach dem erbbiologischen Gutachten die Vaterschaft des Beklagten nur als wahrscheinlich bezeichnet worden sein, so sei die Vaterschaftsklage gegen Alois U. auf Grund der in dem Gutachten bezeichneten Unwahrscheinlichkeit der Zeugung durch diesen abgewiesen worden; für den Mehrverkehr der Kindesmutter mit einem dritten Mann bestehe keinerlei Anhaltspunkt, und es sei auch die Glaubwürdigkeit der Kindesmutter gar nicht bekämpft worden; nach dem Tragzeitgutachten sei die Zeugung am 3. Oktober 1943 möglich, stehe somit der Geschlechtsverkehr des Beklagten mit der Kindesmutter, wenn auch außerhalb des Vermutungszeitraumes des § 163 ABGB., fest, sei die Vaterschaft des Alois U. auszuschließen und bestehe für einen Mehrverkehr mit einem dritten Mann kein Anhaltspunkt, so habe das Erstgericht mit Recht den Beweis der Vaterschaft des Beklagten als erbracht angesehen; der Sachverständigenbeweis nach der Knaus'schen Regel wurde von der ständigen Rechtsprechung als untauglich abgelehnt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und wies in Abänderung der untergerichtlichen Urteile die Vaterschaftsklage ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was zunächst die Frage der Rechtzeitigkeit der Revision anlangt, so ist diese zwar am 28. April 1950, also am letzten Tage der Revisionsfrist, an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien statt an das Erstgericht per Post abgeschickt worden und beim Berufungsgerichte am 29. April 1950 eingelangt, von diesem noch am selben Tage an das Erstgericht weitergeleitet worden und bei diesem noch am 29. April 1950 eingelangt. Zweck der Bestimmung des § 89 GOG. ist nun lediglich, eine Verkürzung der Frist durch den Postenlauf zu verhindern. Eine dadurch, daß das Rechtsmittel an ein falsches Gericht gesandt wurde, bewirkte Verlängerung des Postenlaufes hat daher der Rechtsmittelwerber zu vertreten, und sind in einem solchen Falle bloß die Tage des Postenlaufes vom unzuständigen zum zuständigen Gericht in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (vgl. E. d. Obersten Gerichtshofes, RZ. 1934, S. 79). Da die Revision im vorliegenden Falle noch am gleichen Tage beim Erstgericht eingelangt ist, ist eine solche Verlängerung des Postenlaufes jedoch nicht eingetreten und die Revision, da sie am letzten Tage der Rechtsmittelfrist zur Post gegeben wurde, als rechtzeitig erhoben anzusehen.

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. soll nach den Ausführungen der Revision darin bestehen, daß das Berufungsgericht das Unterbleiben der Einholung eines Sachverständigengutachtens nach der Knaus'schen Theorie gebilligt habe, während die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes darin erblickt wird, daß dieses die Vaterschaft des Alois U. schon auf Grund der Abweisung der Vaterschaftsklage gegen diesen als ausgeschlossen angenommen habe, obwohl diesem Urteile gegenüber dem Beklagten keine Wirkung zukomme und das Berufungsgericht die Vaterschaft des Beklagten trotz Fehlens beweisender Umstände als erwiesen erachtet habe.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem gerügten Mangel überhaupt um einen solchen des Berufungsverfahrens handelt, denn entscheidend ist hier allein die rechtliche Beurteilung. Der Beklagte hat zwar in seiner Berufung das erstgerichtliche Urteil nicht ausdrücklich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, er hat jedoch in diesem Rechtsmittel, wenn auch unter der Bezeichnung "unrichtige Tatsachenfeststellung" unter anderem geltend gemacht, daß das erbbiologische Gutachten bloß den niedersten Grad von Wahrscheinlichkeit für die Zeugung der klagenden Parteien durch den Beklagten angenommen habe und das gerichtsmedizinische Gutachten die Möglichkeit dieser Zeugung, u. zw. auch nur mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit, als nicht ausgeschlossen bezeichnet habe und daß daher ausreichende Beweise für die Vaterschaft des Beklagten nicht vorlägen. Der Beklagte hat sich mit diesen Ausführungen tatsächlich gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, wonach der Nachweis der Möglichkeit oder zumindest geringen Wahrscheinlichkeit für die Feststellung der Vaterschaft ausreiche, gewendet. Das Berufungsgericht, das im übrigen dem Erstgericht folgte, ist in dem einen Punkte von ihm abgewichen, daß es den Ausschluß der Vaterschaft des Alois U. auf Grund des die gegen ihn gerichtete Vaterschaftsklage abweisenden Urteiles als gegeben annahm. Nun kommt einem eine Vaterschaftsklage abweisenden Urteil jedenfalls keine absolute Wirkung gegenüber Dritten zu. Daher ist auf Grund dieses Urteiles für den vorliegenden Rechtsstreit noch nicht bindend die Unmöglichkeit der Zeugung durch Alois U. festgestellt. Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Beiwohnung außerhalb des in § 163 ABGB. festgesetzten Zeitraumes - und ist deshalb die in dieser Vorschrift aufgestellte Vermutung hier nicht anwendbar. Es genügt daher nicht, bloß der Beweis der Beiwohnung, sondern es muß überdies der Nachweis erbracht werden, daß das Kind durch den Geschlechtsverkehr des Beklagten mit der Kindesmutter tatsächlich gezeugt worden ist. Es wäre also nachzuweisen, daß der Reifegrad des Kindes usw. für die Zeugung bei der erwiesenen Beiwohnung spricht und insbesondere daß eine anderweitige Zeugung mit Sicherheit oder zumindest mit einem an Gewißheit grenzenden Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (vgl. Bartsch in Klangs Komm. 1. Aufl. zu § 163 ABGB., S. 912). Daß der Beklagte die Einrede des Mehrverkehrs im erstinstanzlichen Verfahren nicht ausdrücklich erhoben hat, ändert nichts daran, daß die klagenden Parteien eben den Nachweis für die Unmöglichkeit einer anderweitigen Zeugung zu erbringen haben. Offenbar zu diesem Zwecke haben sie sich schon in der Klage außer auf die Kindesmutter als Zeugin noch auf das Gutachten in dem den Vaterschaftsprozeß gegen Alois U. betreffenden Akt berufen. Wie sich aus den Ausführungen des Berufungsgerichtes ergibt, ist nach dem Tragzeitgutachten die Möglichkeit einer Zeugung durch den Beklagten gegeben und aus dem erbbiologischen Gutachten zu entnehmen, daß die Zeugung durch den Beklagten bloß wahrscheinlich, jene durch Alois U. unwahrscheinlich ist. Ist also entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes durch die rechtskräftige Abweisung der Vaterschaftsklage gegen Alois U. im Verfahren gegen den Beklagten die Unmöglichkeit der Zeugung des Alois U. nicht bindend festgestellt, so steht nur der Geschlechtsverkehr des Beklagten mit der Kindesmutter am 3. Oktober 1943 sowie der Umstand fest, daß die Kindesmutter nicht von einem dritten Mann geschwängert sein kann, und es ergibt sich weiters aus den beiden Gutachten, daß die Zeugung durch den Beklagten beim Geschlechtsverkehr vom 3. Oktober 1943 nach dem Reifegrad der Kinder möglich und nach den Ähnlichkeitsmerkmalen nur wahrscheinlich, jene durch Alois U. aber unwahrscheinlich ist. Damit ist aber der von den klagenden Parteien zu erbringende Nachweis der Unmöglichkeit einer Zeugung durch Alois U., also überhaupt durch einen anderen als den Beklagten, und damit der Zeugung durch den Beklagten noch nicht erbracht. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, aber auch jene des Erstgerichtes, daß die klagenden Parteien die ihnen obliegende Beweispflicht erfüllt haben, ist somit unzutreffend. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Grund der Theorie von Prof. Knaus ist nicht von den klagenden Parteien, sondern vom Beklagten gestellt worden. Es handelt sich dabei ja übrigens nur um einen Beweis, der allenfalls die Unmöglichkeit der Zeugung durch den Beklagten ergeben könnte. Von der Frage der Qualität dieses Beweismittels abgesehen, war die Aufnahme dieses Beweises jedenfalls überflüssig, da die klagenden Parteien ja ohnehin die ihnen obliegende Beweispflicht nicht erfüllt haben. Ist dies aber der Fall, so muß die Vaterschaftsklage, die sich ja nicht auf die Vermutung des § 163 ABGB. stützen kann, abgewiesen werden. Demnach ist zwar nicht der Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO., wohl aber jener nach § 503 Z. 4 ZPO. gegeben.

Es mußte daher der Revision Folge gegeben und in Abänderung der Urteile der Untergerichte das Klagebegehren abgewiesen werden.

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