OGH 7Ob211/06i

OGH7Ob211/06i13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Aufteilungssache der Antragstellerin Sylvia N*****, vertreten durch Mag. Gerhard Sporer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Alfred N*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 2006, GZ 43 R 353/06i, 43 R 354/06m-56, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist des § 95 EheG ist eine materiell rechtliche Fallfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt (RIS-Justiz RS0110013; RS0057726; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 Rz 1 zu § 95 EheG). Unter Rechtskraft im Sinne dieser Gesetzesstelle ist die formelle Rechtskraft nach § 411 ZPO zu verstehen (RIS-Justiz RS0041294; Stabentheiner aaO Rz 2). Lediglich dann, wenn eine Ehe durch Teilurteil aufgelöst und die Verschuldensfrage dem Endurteil vorbehalten wurde, wird die Frist für einen Aufteilungsantrag mit Eintritt der Rechtskraft (bereits) des Teilurteiles in Lauf gesetzt (RIS-Justiz RS0057735). Im Eheverfahren kann also der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden entschieden ist; bei einer Ehescheidung aus Verschulden ist allerdings die Annahme irgendeines Verschuldens des Beklagten präjudiziell für den Scheidungsausspruch. Im Falle von Klage und Widerklage trifft die Präjudizialität des Verschuldens eines der Streitteile begrifflich nur dann zu, wenn noch kein Verschulden eines der Streitteile wenigstens teilweise rechtskräftig festgestellt ist (RIS-Justiz RS0056846). Lediglich dann, wenn die Parteien im ersten Rechtsgang den die Scheidung der Ehe aussprechenden Teil des Ersturteiles nicht bekämpft haben und daher die Ehe der Parteien bereits rechtskräftig geschieden ist, bleibt im weiteren Verfahren bloß die Frage des Verschuldensausspruches streitverfangen (RIS-Justiz RS0057493). Der Revisionsrekurswerber argumentiert, als Beklagter im Scheidungsverfahren das erstinstanzliche Scheidungsurteil nur hinsichtlich des Verschuldensausspruches angefochten, die Abweisung seiner Widerklage hingegen unangefochten gelassen zu haben; sollte man (dennoch) aus dem wiedergegebenen Rechtsmittelantrag in seiner Berufung im Scheidungsverfahren „eine Anfechtung jeglicher Verschuldensform herauslesen wollen", sei dem entgegenzuhalten, „dass dies mangels Anfechtung der Abweisung der Widerklage gar nicht möglich gewesen wäre". „Bei richtiger Deutung der Berufung" sei folglich „der Ausspruch über die Ehescheidung bereits zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig" geworden. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, das Scheidungsurteil sei vollinhaltlich angefochten worden und der Aufteilungsantrag der Antragstellerin in offener Frist erfolgt, sei wegen „krasser Verkennung der Rechtslage" verfehlt. Ob § 95 EheG auf die Rechtskraft des Scheidungsurteiles abstelle oder die Einjahresfrist schon durch eine infolge eingetretener Teilrechtskraft unangefochten gewordene Ehescheidung in Lauf gesetzt werde, sei eine erhebliche Rechtsfrage, die durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes noch nicht entschieden worden sei.

Weder von einem Fehlen oberstgerichtlicher Rechtsprechung noch einer „krassen Verkennung der Rechtslage", welche als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG fallbezogen richtig zu stellen wäre, kann freilich die Rede sein. Teilanfechtung und damit Teilrechtskraft treten nur ein, wenn die (bloße) Teilanfechtung zweifelsfrei nach objektiven Auslegungskriterien erklärt ist, wobei der gesamte Inhalt des Rechtsmittels heranzuziehen ist (RIS-Justiz RS0036653); sonst gilt die Entscheidung als zur Gänze angefochten (9 Ob 158/99x bei insoweit paralleler Verfahrenssituation). Nur eine mangelnde Anfechtung des Scheidungsausspruches wäre insoweit einem Rechtsmittelverzicht gleichzuhalten und begründete Teilrechtskraft in Ansehung eines klagestattgebenden Scheidungsbegehrens (1 Ob 281/97y); lediglich dann also, wenn die Parteien einen die Scheidung der Ehe aussprechenden Teil des Ersturteiles nicht bekämpft haben und daher die Ehe der Parteien bereits rechtskräftig geschieden ist, bleibt im weiteren Verfahren nur mehr die Frage des Verschuldensausspruches streitverfangen (RIS-Justiz RS0057493; RS0056846). Davon kann jedoch nach den Rechtsmittelanträgen des Vertreters des Beklagten im vormaligen Ehescheidungsverfahren nicht - jedenfalls nicht zweifelsfrei - ausgegangen werden. Die Vorinstanzen haben sohin in Übereinstimmung mit der maßgeblichen, einleitend dargestellten Rechtslage und Rechtsprechung eine Verfristung des gestellten Aufteilungsantrages des Antragstellers ohne aufzugreifenden Rechtsirrtum abgelehnt.

Der Kostenausspruch betreffend die Revisionsbeantwortung beruht darauf, dass sie vor Mitteilung einer Freistellung durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 71 Abs 2 AußStrG erstattet wurde. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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