OGH 7Ob208/98h

OGH7Ob208/98h28.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede S*****, vertreten durch Dr. Petra Piccolruaz-Klotz, Rechtsanwältin in Bludenz, gegen die beklagte Partei Johann Liberad S*****, vertreten durch Dr. Fritz Schneider ua Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. Februar 1998, GZ 1 R 104/98x-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 31. Oktober 1997, GZ 1 C 96/97s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

In der anläßlich der einvernehmlichen Scheidung der Streitteile geschlossenen Vereinbarung verpflichtete sich der Beklagte zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 3.500,-- ab 1. 4. 1984. Weiters wurde vereinbart, daß der Beklagte auf Herabsetzung des Unterhaltes auch im Fall des eigenen Einkommens der Klägerin und eines allfälligen Pensionsbezuges verzichte.

In einem am 12. 10. 1987 im Verfahren C 79/87 des Erstgerichtes geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin ab 1. 4. 1987 monatliche Unterhaltsbeiträge von S 4.000,-- zu zahlen. Die Klägerin erklärte ihrerseits, für die Dauer von 5 Jahren auf die Geltendmachung jeglicher Unterhaltserhöhungen zu verzichten. Im Jahr 1992 vereinbarten die Streitteile außergerichtlich die Anhebung der Unterhaltsbeiträge auf S 4.500,-- monatlich; die Klägerin verzichtete abermals auf eine Erhöhung innerhalb der nächsten 5 Jahre.

Mit ihrer Protokollarklage vom 5. 8. 1997 begehrte die Klägerin, die Unterhaltsbeiträge ab April 1997 auf S 5.500,-- monatlich zu erhöhen. Sie brachte vor, daß sich die Pension des Beklagten laufend erhöht habe. Die Klägerin selbst verfüge über eine eigene Pension in der Höhe von ca S 6.300,-- 14 x jährlich.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe 1993 eine Pension in der Höhe von S 216.979,-- im Jahr und 1997 eine solche von S 232.061,-- bezogen. Seit der letzten Unterhaltsvereinbarung sei seine Pension daher lediglich um 6,9 % gestiegen. Diese Steigerung reiche für eine Unterhaltserhöhung nicht hin. Der Beklagte habe sich auch nicht zur Leistung des vollen Unterhaltes, sondern nur zur Leistung eines Beitrages zum Unterhalt verpflichtet. Die Klägerin beziehe im Hinblick auf ihre eigene Pension bereits jetzt einen über dem gesetzlichen Anspruch liegenden Unterhalt. Dem Beklagten sei bei Abschluß des Scheidungsvergleiches nicht bekannt gewesen, ob die Klägerin gearbeitet habe und was sie damals verdient habe. Er selbst habe damals eine Pension in Höhe von S 13.000,-- monatlich bezogen. Der Beklagte habe der Klägerin bloß jenen Unterhalt leisten wollen, der ihr gesetzlich zustehe. Er habe erst in der Verhandlung vom 22. 9. 1997 erfahren, was die Klägerin im Zeitpunkt der Scheidungsvereinbarung verdient habe und welches Einkommen sie heute beziehe. Der Beklagte habe der Klägerin auch die Wohnung überlassen; diese Überlassung habe ebenfalls Unterhaltscharakter gehabt.

Die Klägerin replizierte, daß dem Beklagten sehr wohl bekannt gewesen sei, daß sie zum Zeitpunkt der Scheidung gearbeitet habe und was sie damals verdient habe.

Das Erstgericht erhöhte die vom Beklagten zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge ab April 1997 um S 721,-- auf insgesamt S 5.221,-- und wies das Erhöhungsmehrbegehren von S 279,-- monatlich ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin, die zuvor als Kellnerin gearbeitet hatte, war im Zeitpunkt der Ehescheidung bereits meherere Monate hindurch arbeitslos und bezog eine Arbeitslosenunterstützung von S 7.000,-- monatlich. Der Beklagte war bereits in Pension. Seine monatliche durchschnittliche Nettopension betrug S 13.001,--. 1997 bezog er S 19.338,-- im Monatsschnitt. Beim Abschluß des gerichtlichen Vergleiches am 12. 10. 1987 und bei der außergerichtlichen Unterhaltsvereinbarung im Jahr 1992 wurden "keine Einkommensunterlagen der Parteien zu Vergleichszwecken verwendet". Es kann nicht festgestellt werden, daß die Übertragung der Miteigentumsanteile des Beklagten an der ursprünglich gemeinsamen Eigentumswohnung an die Klägerin Unterhaltscharakter haben sollte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die im Jahr 1984 getroffene Unterhaltsvereinbarung wesentlich vom gesetzlichen Unterhaltsbeitrag abgewichen sei, weil sich bei Berücksichtigung des Eigeneinkommens der Klägerin bloß ein Unterhaltsbeitrag von S 1.000,--, nämlich 40 % des Familieneinkommens von S 20.000,-- abzüglich des Eigeneinkommens der Klägerin errechnet hätte. Es sei also offensichtlich beabsichtigt gewesen, der Klägerin unter Berücksichtigung ihres eigenen Einkommens einen höheren Anteil am Nettoeinkommen des Beklagten zu sichern. Die Vergleichsrelationen seien bei geänderten Verhältnissen beizubehalten. Das Nettoeinkommen der Klägerin habe hiebei außer Betracht zu bleiben. Dies lasse sich daraus ableiten, daß der Beklagte auf die Herabsetzung des Unterhaltes auch im Fall des Eigeneinkommens und eines allfälligen Pensionsbezuges der Klägerin verzichtet habe. Es sei daher unbeschadet der Pension der Klägerin die seinerzeitige Relation des Unterhaltsbeitrages zum Einkommen des Beklagten in Höhe von 27 % beizubehalten. Dies entspreche nunmehr einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 5.221,--. Die in den Jahren 1987 und 1992 erfolgten Unterhaltserhöhungen um je S 500,-- könnten zur Festsetzung der Unterhaltsrelation nicht herangezogen werden, weil die Parteien hiebei keine Einkommensunterlagen verwendet hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sei bei ergänzender Vertragsauslegung davon auszugehen, daß die Parteien das Verhältnis zwischen dem Einkommen des Beklagten und dem zugunsten der Klägerin vereinbarten Unterhalt, wie es dem Scheidungsvergleich entspreche, im Fall einer Einkommenserhöhung des Beklagten beibehalten wollten, auch wenn aus der Unterhaltsvereinbarung vom 28. 3. 1984 keine derartige Relation ausdrücklich hervorgehe. Nach dem in der Vereinbarung vom 28. 3. 1984 klar zum Ausdruck kommenden Parteiwillen sei ein Einkommen der Klägerin bei dieser Bemessung des vertraglichen Unterhaltes nicht zu berücksichtigen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß anläßlich der beiden Unterhaltserhöhungen in den Jahren 1987 und 1992 die Relationsstrukturen geändert worden wären. Ob die Einkommenssteigerung des Beklagten sei 1992 über oder unter 10 % liege, sei nicht entscheidungswesentlich, weil das Einkommen des Beklagten für die damalige Unterhaltserhöhung betragsmäßig nicht erfaßt worden sei.

Den zunächst in seinem Urteil enthaltenen Ausspruch, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag des Beklagten im Sinne einer Zulassung der Revision ab, weil der Frage der Anpassung eines vereinbarten Unterhaltes an geänderte Verhältnisse bei zwischenzeitig vergleichsweise pauschal vorgenommenen Erhöhungen und die Auslegung der nach § 55a Abs 2 EheG getroffenen Unterhaltsvereinbarung erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Für den auf einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG beruhenden Unterhaltsanspruch, der wegen einer Änderung der Verhältnisse neu zu bestimmen ist, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Bei Vorliegen einer solchen Unterhaltsvereinbarung hat die Neubestimmung des Unterhaltsanspruches wegen Änderung der Verhältnisse mangels gesetzlicher Regelung eines solchen Unterhaltsanspruches im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu erfolgen. Es kommt darauf an, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der geänderten Verhältnisse vereinbart hätten. Im Fall der wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse wird davon auszugehen sein, daß die Parteien bei Kenntnis dieser Änderung den Unterhalt ebenfalls in der Höhe vereinbart hätten, wie es der aus dem Vergleich hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht (3 Ob 69/91 = EFSlg 66.488; 7 Ob 525/94; 3 Ob 2202/96m). Dies gilt - im Gegensatz zur Ansicht des Revisionswerbers - auch dann, wenn die Relation zwischen Einkommen und vereinbarten Unterhalt im Vergleich nicht zum Ausdruck kommt (3 Ob 69/91).

Die Feststellungen der Vorinstanzen reichen im vorliegenden Fall allerdings nicht hin, um eine ergänzende Vertragsauslegung nach den aufgezeigten Kriterien vornehmen zu können.

Sollte dem Beklagten, wie er behauptete, tatsächlich unbekannt gewesen sein, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Scheidungsvergleiches ein Eigeneinkommen erzielte, so kann ihm auch nicht der hypothetische Wille unterstellt werden, daß er mit einer Erhöhung des Unterhaltsbeitrages in der Relation zu einer späteren Einkommenssteigerung seinerseits ungeachtet dessen, ob und in welcher Höhe die Klägerin Eigeneinkünfte erzielen werde, einverstanden gewesen wäre. Aus dem Vergleichstext geht insoweit ja nur hervor, daß (künftige) eigene Einkünfte der Klägerin zu keiner Herabsetzung des vereinbarten Unterhaltsbeitrages führen sollten. Die Auslegung der Scheidungsvereinbarung seitens des Berufungsgerichtes, daß nach dem darin klar zum Ausdruck kommenden Parteiwillen ein Einkommen der Klägerin bei Bemessung des Unterhaltes nicht zu berücksichtigen sei, ist insoweit mit dem Wortlaut der Vereinbarung nicht in Einklang zu bringen. Hätte die Klägerin bei Abschluß des Scheidungsvergleiches keine Eigenbezüge gehabt - wovon der Beklagte nach seinem bislang ungeprüften Behauptungen ausging -, wäre sie im Fall eines später einsetzenden Pensionsbezuges in der von ihr behaupteten Höhe bei fortlaufenden Unterhaltsbeiträgen in der vereinbarten Höhe ohnehin insgesamt besser gestellt, sodaß es nicht zusätzlich noch einer Anpassung der Unterhaltsbeiträge an die beim Beklagten eingetretene Einkommenssteigerung bedurft hätte.

Es sind daher zur Beurteilung, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der später geänderten Umstände vereinbart hätten, Feststellungen darüber unentbehrlich, ob beide Parteien bei Abschluß des Scheidungsvergleiches davon ausgingen, daß der Klägerin der vereinbarte Unterhaltsbeitrag von S 3.500,-- damals schon unabhängig von einem aktuellen Eigeneinkommen gewährt werden sollte oder ob der Beklagte diese Verpflichtung in der Annahme einging, daß die Klägerin damals über keinerlei Einkünfte verfügte. In diesem Zusammenhang ist auch die Höhe des nunmehr von der Beklagten erzielten Eigeneinkommens (ihrer Pension) von Bedeutung, weil nicht anzunehmen ist, daß die Parteien diese für die Unterhaltsbemessung maßgebende Komponente gänzlich vernachlässigen und nur die Höhe des Einkommens des Beklagten in den Vordergrund hätten stellen wollen.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren das diesbezüglich widersprüchliche Parteienvorbringen zu prüfen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Die bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen lassen aber schon jetzt darauf schließen, daß der Klägerin bei den inzwischen erfolgten jeweiligen Einigungen über die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge um jeweils S 500,-- nicht bekannt war, um welchen Betrag sich die Pensionsbezüge des Beklagten jeweils konkret erhöht haben. Es kann daher den Parteien nicht der Wille unterstellt werden, sie hätten bei den diesbezüglichen Vereinbarunen von der einmal festgelegten Relation des Unterhaltes zum Einkommen des Beklagten - allenfalls unter Einbeziehung der Eigeneinkünfte der Klägerin - abweichen wollen. Sollte sich der Pensionsbeitrag des Beklagten seit der letzten Unterhaltsfestlegung bis zur Klageeinbringung nur geringfügig erhöht haben, müßte sich der Pensionsbezug zwangsläufig bereits vor der Einigung über die Unterhaltserhöhung im Jahr 1992 im Verhältnis zum Jahr 1984 entsprechend kräftig erhöht haben. Bei einem Abstellen auf die im Jahr 1984 vorhandene Relation zwischen dem Einkommen des Beklagten und dem damals festgelegten Unterhaltsbeitrag würde dies bedeuten, daß der Unterhalt schon bei der letzten Einigung zu wenig angehoben wurde. Dies könnte aber nicht zu Lasten der Klägerin gehen, zumal bei einem Irrtum der Klägerin über die Einkommenshöhe des Beklagten selbst ein Vergleich über die Unterhaltsbemessung einer darüber hinausgehenden Erhöhung des Unterhaltsbeitrages für die Vergangenheit (die allerdings von der Klägerin gar nicht begehrt wurde) nicht entgegenstünde (vgl Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, S 129 ff mwN). Auf die genaue Höhe der Pensionsbezüge des Beklagten im Zeitpunkt der beiden auf den Scheidungsvergleich folgenden Unterhaltsvereinbarungen kommt es daher entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht wesentlich an. Ebenso können Erwägungen darüber unterbleiben, ob der Unterhalt im vorliegenden Fall im Ausmaß des § 66 EheG oder des § 68 EheG zugestanden wäre, handelt es sich doch ausschließlich um einen vertraglichen Unterhaltsanspruch, der sich nicht nach dem Gesetz, sondern nach der Parteienvereinbarung bestimmt. Der Zuspruch eines gesetzlichen Unterhaltsbeitrages kommt im Fall einer Scheidung nach § 55a EheG auch bei wesentlicher, von den Parteien nicht bedachter Änderung der Umstände nicht in Betracht, wie bereits ausgeführt wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 52 ZPO.

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