OGH 3Ob2202/96m

OGH3Ob2202/96m10.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred K*****, *****, vertreten durch Dr.Peter L.Imre, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagte Partei Theresia K*****, ***** vertreten durch Dr.Walter Schlick, Rechtsanwalt in Graz, wegen Erlöschens eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruchs (Streitwert 108.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 4. März 1996, GZ 4 R 52/96p-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 25. Oktober 1995, GZ 5 C 10/95a-14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es - unter Einschluß seines unangefochten in Rechtskraft erwachsenen und daher unberührt bleibenden Teils (Punkt I. 1. des Spruchs) - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Der Unterhaltsanspruch, zu dessen Hereinbringung zur AZ ***** des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz Exekution bewilligt wurde, ist seit 1.Dezember 1994 erloschen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 22.483,70 S (darin 3.798,90 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen vierzehn Tagen zu bezahlen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.605 S (darin 1.267,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde am 23.März 1992 gemäß § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Laut Punkt I. des gerichtlichen Vergleiches über die Scheidungsfolgen vom selben Tag verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten ab 1.April 1992 einen wertgesicherten Unterhaltsbeitrag von monatlich 3.000 S am 1. eines jeden Monats im vorhinein zu bezahlen. Der Ehe der Streitteile entsprossen vier Kinder (Horst, geb. 28.5.1974, Wolfgang, geb. 8.1.1976, Beate, geb. 24.7.1981 und Claudia, geb. 28.4.1985). Diese stehen in Obsorge der Beklagten. Der Kläger hat für die beiden noch minderjährigen Kinder einen der Höhe nach erst nach dem Vergleich über die Scheidungsfolgen bestimmten Unterhaltsbeitrag von monatlich 1.000 S zu leisten. Die bereits volljährigen Kinder sind behindert und daher noch nicht selbsterhaltungsfähig. Bisher wurde noch keine Unterhaltsklage eingebracht. Eine solche ist jedoch beabsichtigt. Derzeit leistet der Kläger für die beiden volljährigen Kinder keinen Unterhalt. Er war bei Abschluß des Vergleichs über die Scheidungsfolgen bei einem Industrieunternehmen in der Materialverwaltung beschäftigt und hatte dort ein Durchschnittseinkommen von monatlich 13.945 S netto. Dagegen bezog die Beklagte eine Notstandshilfe von monatlich 3.603,20 S. Am 26. November 1992 wurde das Dienstverhältnis des Klägers im Einvernehmen mit dessen Arbeitgeber aufgelöst. Dieser hatte nämlich angekündigt, eine gewisse Anzahl der Arbeitnehmer - darunter den Kläger - wegen des Verlustes eines Fertigungsprogramms zu kündigen. Den betroffenen Arbeitnehmern wurde im Rahmen eines Sozialplans die Beendigung der Dienstverhältnisse gegen Leistung einer freiwilligen, erhöhten Abfertigung vorgeschlagen. Der Kläger nahm dieses Anbot an. Hätte er es abgelehnt, wäre er jedenfalls gekündigt worden. Er erhielt schließlich eine Abfertigung von insgesamt 330.263,89 S. Der Kläger ist seither beschäftigungslos. Er bezog vorerst Arbeitslosenunterstützung und später seit 7.Dezember 1993 Notstandshilfe von monatlich 7.400 S. Am 25.August 1995 beantragte er die Gewährung einer Invaliditätspension. Seit 1.September 1995 erhält er einen Pensionsvorschuß von monatlich rund 7.400 S. Wegen der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses und der daraus resultierenden Minderung seines Einkommens stellte der Kläger die auf Grund des Vergleichs über die Scheidungsfolgen geleisteten Unterhaltszahlungen ab November 1993 ein. Der Beklagten wurde sodann zur Hereinbringung ihres vollstreckbaren Unterhaltsanspruchs die Exekution gegen den Kläger bewilligt. Dagegen erhob der Kläger Oppositionsklage und begehrte den Ausspruch, daß der betriebene Anspruch infolge Änderung seiner Einkommensverhältnisse erloschen sei. Das Klagebegehren blieb jedoch erfolglos, weil die vom Kläger bezogene Abfertigung als Zusatzeinkommen auf 24 Monate aufgeteilt wurde. Die Beklagte bezieht - jedenfalls schon seit 1.Dezember 1994 - eine Notstandshilfe von derzeit monatlich 6.880 S.

Nachdem der Kläger seinen Industriearbeitsplatz verloren hatte, war er als arbeitssuchend gemeldet. Versuche des Klägers, eine neue Arbeitsstelle zu finden, blieben erfolglos. Auch das Arbeitsmarktservice konnte ihm keinen neuen Arbeitgeber vermitteln. Er leidet unter rezidivierenden Supinationstraumen beider Sprunggelenke, rezidivierenden Lumbalgien, einer Interkostalneuralgie und Schmerzen in beiden Beinen. Es ist nicht zu erwarten, daß dem Kläger künftig eine Arbeitsstelle vermittelt werden kann. Vom 25.Juni bis 15.Juli 1995 war er im Krankenstand und auf Kur und unterliegt seit dem Antrag auf Gewährung der Invaliditätspension "nicht mehr der Vermittelbarkeit". Als Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer verbauten Fläche von etwa 80 m2 verfügt er über eine Wohnnutzfläche ohne einen später zugebauten Windfang von ca 56,5 m2. In einem ausgebauten Dachgeschoß befindet sich eine Wohnung mit einer Nutzfläche von etwa 50 m2. Würde der Kläger die Dachgeschoßwohnung vermieten, könnte er einen Bestandzins von monatlich 750 S erzielen. Um diesen Preis fänden sich auch Mieter.

Der Kläger begehrte mit seiner nunmehrigen (zweiten) Oppositionsklage den Ausspruch, daß der vollstreckbare Unterhaltsanspruch der Beklagten seit 1.Dezember 1994 erloschen sei, weil sich die Umstände gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs über die Scheidungsfolgen erheblich geändert hätten. Die Abfertigung, die er infolge Beendigung seines letzten Dienstverhältnisses erhalten habe, erhöhe sein Monatseinkommen aufgrund der Ergebnisse des Vorprozesses nur bis einschließlich November 1994. Er habe seit 7.Dezember 1993 nur Notstandshilfe von täglich 240,40 S bezogen. Für seinen Sohn Wolfgang habe er monatlich

1.500 S, für seine Töchter Beate und Claudia "monatliche ÖS 1.000" an Unterhaltsbeiträgen zu leisten. Dagegen beziehe die Beklagte seit Dezember 1993 eine Notstandshilfe von monatlich rund 7.400 S.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, dem Kläger sei die Vermietung von Teilen seines Hauses zumutbar. Er sei auch in der Lage, einem Erwerb nachzugehen und dabei ein Vielfaches seines derzeitigen Einkommens zu erzielen. Der Kläger könne sich neben seinem Haus auch noch einen PKW leisten. Als der Vergleich über die Scheidungsfolgen abgeschlossen worden sei, sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers "noch nicht absehbar" gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, der von den Streitteilen abgeschlossene Unterhaltsvergleich unterliege der Umstandsklausel. Es sei davon auszugehen, daß die Parteien, wäre die spätere Änderung der Umstände von ihnen bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bedacht worden, einen der Beklagten zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag vereinbart hätten, der sich aus der Relation zwischen Einkommen und Unterhalt im Vergleich ergebe. Der Beklagten sei danach ein Anteil am gesamten Familieneinkommen von 37 % eingeräumt worden. Der Kläger könnte aus der Vermietung der Dachgeschoßwohnung in seinem Einfamilienhaus ein monatliches Zusatzeinkommen von 750 S erzielen. Addiere man diesen Betrag mit dem Pensionsvorschuß des Klägers von monatlich 7.400 S und der Notstandshilfe der Beklagten von monatlich 6.800 S, ergebe sich ein Familieneinkommen von derzeit 14.950 S. 37 % davon seien 5.531,50 S. Dieser Betrag liege damit erheblich unter dem derzeitigen Eigeneinkommen der Beklagten. Dieses mache 45 % des gegenwärtigen Familiennettoeinkommens aus und liege daher sogar über jenem Prozentsatz, den die Beklagte gemäß § 66 EheG - selbst unter Außerachtlassung der weiteren Sorgepflichten für die ehelichen Kinder - beanspruchen könnte.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung infolge Berufung der Beklagten teilweise dahin ab, daß es das Klagebegehren in Ansehung eines Unterhaltsteilbetrags von 1.760 S monatlich abwies. Es sprach im übrigen die Zulässigkeit der ordentlichen Revision aus und erwog in rechtlicher Hinsicht, daß sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten abschließend nach dem Inhalt des Scheidungsfolgenvergleichs und nicht etwa nach einer konkreten gesetzlichen Bestimmungen regle. Auf Unterhaltsvereinbarungen gemäß § 55 a Abs 2 EheG seien jedoch die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen wie etwa die §§ 863, 901 und 914 f ABGB ebenso anzuwenden. Demnach unterliege auch ein Unterhaltsvergleich nach § 55 a Abs 2 EheG der Umstandsklausel. Danach könne eine wesentliche Änderung der Umstände zu einer Neubemessung des vereinbarten Unterhalts führen. Berücksichtige man die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bewege sich die der Beklagten zugebilligte Unterhaltsleistung im Rahmen eines fiktiven gesetzlichen Anspruchs. Ein Betrag von 3.000 S monatlich entspreche einem Anteil von 21,5 % am damaligen monatlichen Nettoeinkommen des Klägers, was unter Berücksichtigung der weiteren Unterhaltspflichten gegenüber vier Kindern als angemessen anzusehen sei. Die Neubemessung des Unterhalts infolge einer wesentlichen Änderung der Umstände - wie hier - sei nach Möglichkeit an der "seinerzeit vereinbarten Relation" zu orientieren. Das sei auch hier maßgebend, weil die Beklagte nicht behauptet habe, der Kläger habe sich unter Ausschluß der Umstandsklausel verpflichtet, jedenfalls einen Unterhaltsbeitrag von 3.000 S monatlich zu bezahlen. Andererseits habe aber auch der Kläger nicht vorgebracht, es sei ein Erlöschen seiner Unterhaltspflicht für den Fall beabsichtigt gewesen, daß sein Einkommen nicht mehr die Höhe des allgemeinen Existenzminimums erreichen werde. Die erforderliche ergänzende Vertragsauslegung führe zum Ergebnis, daß der Beklagten ein wertgesicherter Unterhaltsbeitrag von 21,5 % des jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens des Klägers eingeräumt werden sollte. Der fortbestehende Unterhaltsanspruch errechne sich daher mit 1.760 S monatlich. Da der nach dem Gesetz unpfändbare Betrag zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 292 b EO herabgesetzt werden könne, scheide eine erfolgreiche Vollstreckung des restlichen Unterhaltsanspruchs nicht aus. Verneinte man einen Unterhaltsanspruch der Beklagten zur Gänze, wäre diese "ohne privatrechtliche Notwendigkeit in einem höheren Ausmaß auf Sozialhilfen angewiesen". Soweit der verbleibende Unterhaltsanspruch der Beklagten das frei verfügbare Einkommen des Klägers mindere und unter das allgemeine Existenzminimum falle, sei diesem zumutbar, bei Bedarf Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Notstandshilfe sei zwar an sich als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Sie habe hier jedoch deshalb außer Betracht zu bleiben, weil sie nicht erkennbar Vergleichsgrundlage gewesen sei. Es sei daher auch "nicht zu beanstanden, daß das Arbeitsmarktservice die Notstandshilfe der Beklagten insoweit nur als bedingte Leistung (Unterhaltsvorschuß)" ansehe, als ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger bestehe. Unter Bedachtnahme auf die öffentlichen Interessen sei von einer "Subsidiarität der Sozialhilfen" auszugehen. Das erfordere die teilweise Abänderung des Ersturteils. Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, wie weit die Parteien bei Vorliegen eines Unterhaltsvergleichs nach § 55 a Abs 2 EheG "im Rahmen der Anspannung auf Sozialhilfen verwiesen werden" könnten und bereits im Titelverfahren an eine entsprechende Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags gedacht werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Einkommen grundsätzlich alles zu verstehen, was einer Person an Natural- oder Geldleistungen welcher Art immer aufgrund eines Rechtsanspruchs zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen. Außer Betracht bleiben nur jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands dienen. Wird aber unter Einkommen die Summe aller verfügbaren Mittel verstanden, sind auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Dabei führt die in der Leistung liegende Zweckbestimmung allein noch nicht zu deren Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Soweit also die Unterhaltsbedürfnisse einer Person infolge einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung durch einen Dritten gedeckt werden, bestehen keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht. Deshalb werden auch Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienen oder nach gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen (JBl 1996, 442 mzwN). Das gilt auch für die Notstandshilfe (JBl 1996, 442; EFSlg 64.914).

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen bezog die Beklagte im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses eine Notstandshilfe von monatlich 3.603,20 S, während sie "im klagsgegenständlichen Zeitraum" aus demselben Titel einen Betrag von monatlich 6.880 S erhielt. Dieser Sachverhalt erfuhr im Berufungsverfahren keine Ergänzung, wie sich aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe des Gerichts zweiter Instanz ergibt. Wenn auch die Rede davon ist, die Beklagte habe einen Anspruch auf Notstandshilfe von derzeit monatlich

6.880 S, wovon ein Teil von 3.000 S wegen der "Fraglichkeit" deren Unterhaltsanspruchs als nicht rückzahlbarer Unterhaltsvorschuß ausbezahlt werde, sollte der Anspruch gegen den Kläger aus dem Scheidungsfolgenvergleich erloschen sein, so stellte das Berufungsgericht doch eingangs dieser Ausführungen klar, es bedürfe aus rechtlichen Gründen keiner Feststellungen "betreffend die spezifische Höhe der Notstandshilfe der Beklagten". Soweit diese nun in der Revisionsbeantwortung behauptet, es handle sich bei einem Teilbetrag von 3.000 S monatlich um eine "reine Kulanzleistung" des Arbeitsmarktservice, der "keinerlei Rechtstitel" zugrunde liege, mangelt es an einer Tatsachenfeststellung, die geeignet wäre, diesen Prozeßstandpunkt zu bestätigen. Die Beklagte stellte im Verfahren erster Instanz auch keine derartigen Prozeßbehauptungen auf, sondern versuchte lediglich im Rahmen ihrer Parteienvernehmung (ON 12 S 7), den durch die öffentliche Hand ausbezahlten Bezug in eine Notstandshilfe im engeren Sinn von etwa 4.000 S monatlich und einen Unterhaltsvorschuß von 3.000 S monatlich aufzugliedern. Soweit die Beklagte dann im Berufungsverfahren einen derartigen Prozeßstandpunkt vertrat, beruhte dieser auf unzulässigen Neuerungen, der jedoch, wie anzumerken ist, auch in der vorgelegten Bezugsbestätigung des Arbeitsmarktservice keine Stütze fand. Es kann daher auch im Revisionsverfahren nicht unterstellt werden, die Beklagte hätte keinen Rechtsanspruch auf den festgestellten Notstandshilfebezug. Für die weitere Erörterung ist daher die Nostandshilfe der Beklagten nach der einleitend dargestellten Rechtslage als Eigeneinkommen zu behandeln, das bei Klärung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Streitteile nicht unbeachtet bleiben kann.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß jeder Unterhaltsverpflichtung die Umstandsklausel innewohnt und der Unterhalt im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bemessen ist (1 Ob 590/95; ÖA 1994, 26 = EfSlg 71.462; EfSlg 65.742; EfSlg 43.108 uva), es sei denn, die Vertragsparteien hätten in der vergleichsweisen Regelung ihrer unterhaltsrechtlichen Beziehungen die Anwendbarkeit der Umstandsklausel gültig ausgeschlossen; letzteres kann jedoch hier nach den getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden. Regelten aber die Parteien ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen durch eine gemäß § 55 a Abs 2 EheG geschlossene Vereinbarung, kann die infolge einer Änderung der Verhältnisse erforderliche Neubeurteilung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen mangels einer gesetzlichen Regelung nur im Wege ergänzender Vertragsauslegung erfolgen. Dabei ist maßgebend, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der später geänderten Umstände vereinbart hätten (EfSlg 75.598; EfSlg 66.488). Beschränkt sich die Änderung der Verhältnisse auf die Frage des Einkommens, ist anzunehmen, daß die Parteien, wäre die später eingetretene Änderung bedacht worden, den Unterhalt in der Höhe vereinbart hätten, wie es der aus dem Vergleich hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht (EfSlg 66.488). Das seinerzeitige Verhältnis zwischen Unterhaltsleistung und Einkommen spielt allerdings für eine Neubemessung dann keine Rolle, wenn die Änderung der Umstände nicht oder nicht nur in einer Änderung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen besteht (1 Ob 590/95; ÖA 1994, 26; EfSlg 62.575). Gerade dieser Fall liegt aber hier vor, da der Kläger seit Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs nicht nur eine beträchtliche Einkommensminderung in Kauf nehmen mußte, sondern auch seinen Arbeitsplatz verlor und wegen verschiedener rezidivierender körperlicher Leiden in seinem Alter auch keine Aussicht darauf hat, eine neue Arbeitsstelle vermittelt zu bekommen oder eine solche selbst zu finden, die ihm ein Einkommen in der Höhe jenes Betrags gewährleisten könnte, wie er es im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses hatte. Überdies wurde die Unterhaltspflicht des Klägers für seine beiden noch minderjährigen Kinder Beate und Claudia seit Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs mit 1.000 S monatlich festgesetzt.

Vergleicht man die Einkommensrelationen bei Vergleichsabschluß mit jenen, die nach den getroffenen Feststellungen für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgebend sind, ergibt sich, daß der Bezug des Klägers unter Einschluß der für ihn möglichen Mietzinseinkünfte um 41,55 % monatlich sank, während sich das Einkommen der Beklagten um 90,94 % monatlich erhöhte. Diese bezieht jetzt als Zusatzeinkommen aus anderer Quelle mehr als den Betrag, zu dessen Bezahlung sich der Kläger im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete. Die Einkommensdifferenz zugunsten des Klägers betrug bei Vergleichsabschluß 10.341,80 S monatlich, während sie in dem für das Klagebegehren wesentlichen Beurteilungszeitraum unter Einschluß der vom Kläger fiktiv erzielbaren Mietzinseinkünfte nur noch 1.270 S monatlich erreicht. Hätten aber redliche und vernünftige Parteien bei Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs ausgehend von der sich daraus ergebenden Grundlage eine solche Veränderung der Einkommensverhältnisse, den Verlust des Arbeitsplatzes des Unterhaltspflichtigen ohne eine realistische Aussicht, wieder berufstätig werden zu können, und hinzutretende Geldunterhaltspflichten für zwei minderjährige Kinder in der hier festgestellten Höhe bedacht, wäre es für den Zeitraum, in dem die Parteien derartige Umstände zu beachten gehabt hätten, nicht mehr zur Vereinbarung einer Geldunterhaltsleistung an den nur etwas weniger verdienenden geschiedenen Ehegatten gekommen.

Dagegen vermag die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nach dem Wortlaut und Wortsinn des Scheidungsfolgenvergleichs Anspruch auf Bezahlung eines wertgesicherten Unterhaltsbeitrags von 21,5 % des "jeweiligen Einkommens" des Klägers, nicht zu überzeugen, wird doch dadurch nicht ausreichend auf die dargestellte Änderung der Umstände Bedacht genommen. Diese schematische Betrachtungsweise liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß die Erhöhung des Einkommens der Beklagten - und zwar unabhängig von deren Ausmaß - bei der Neuregelung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Streitteile unbeachtet bleiben müßte. Dem Berufungsgericht kann aber auch nicht darin gefolgt werden, daß die Notstandshilfe außer Betracht zu bleiben habe, weil sie nicht erkennbar Vergleichsgrundlage gewesen sei. Die Beklagte bezog ja bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses eine Notstandshilfe, deren Beachtung bei der für die Parteien damals wesentlichen Einkommensrelation nicht ausgeklammert wurde. Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren darzulegen versucht, bei Vergleichsabschluß sei deren "Mindestversorgung" mit 3.000 S monatlich von beiden Vertragsparteien beabsichtigt gewesen, mangelt es an Feststellungen, die diesen Prozeßstandpunkt belegen könnten. Entgegen der Ansicht der Beklagten findet der entscheidungswesentliche Sachverhalt aber auch im Prozeßvorbringen des Klägers Deckung.

Das Erstgericht kam daher ohne Rechtsirrtum zum Ergebnis, daß der Anspruch, zu dessen Hereinbringung der Beklagten die Exekution bewilligt wurde, erloschen ist. In Abänderung der angefochtenen Entscheidung ist daher das Ersturteil zur Gänze wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte