OGH 7Ob204/07m

OGH7Ob204/07m12.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Aleksa P*****, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in Schwechat, wegen Herausgabe (Streitwert EUR 4.100), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Juni 2007, GZ 35 R 200/07g-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. April 2007, GZ 24 C 941/06x-5, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:

Das zu 24 C 941/06x des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien durchgeführte Verfahren wird als nichtig aufgehoben. Der erhobene Anspruch auf Herausgabe von Verwalterunterlagen ist im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen. Die in einen verfahrenseinleitenden Antrag im Außerstreitverfahren umzudeutende Klage wird an das Erstgericht zur Entscheidung zurückverwiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die in allen Instanzen mit insgesamt EUR 1.099,56 (darin enthalten EUR 183,26 an USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist zu 1/8, der Beklagte zu 1/16 Miteigentümer einer Liegenschaft, die vom Beklagten auch verwaltet wird. Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage vom Beklagten - in seiner Eigenschaft als Verwalter - Zug um Zug gegen Zahlung der Kopierkosten die Herausgabe von Kopien aller Mietverträge, der Betriebskostenabrechnung der letzten drei Jahre, der Hauptmietzinsabrechnung der letzten zehn Jahre sowie der Versicherungspolizze für die Liegenschaft.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges und beantragt die Zurückweisung der Klage. Gemäß § 838a ABGB sei für den geltend gemachten Anspruch der außerstreitige Rechtsweg vorgesehen. Im Übrigen wird der Anspruch bestritten. Das Erstgericht erklärte das von ihm durchgeführte Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass sich das Begehren auf einen Miteigentümerkonflikt gründe und daher die Entscheidung im außerstreitigen Verfahren zu treffen sei. Das Rekursgericht änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, dass es die Prozesseinrede des Beklagten, der ordentliche Rechtsweg sei unzulässig, verwarf. Es könne nicht von Bedeutung sein, ob der Verwalter ein außenstehender Dritter oder ein Miteigentümer sei. Unter „zusammenhängende Rechte und Pflichten" im Sinn des § 838a ABGB könne ein solcher Herausgabeanspruch nicht subsumiert werden, es handle sich nicht um gemeinschaftliche Rechte und Pflichten. Über das Begehren sei im streitigen Rechtsweg zu entscheiden. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu § 838a ABGB zulässig sei. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen. Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist auch teilweise berechtigt.

Mit dem am 1. 1. 2005 in Kraft getretenen § 838a ABGB ist erstmals ausdrücklich geregelt, dass über alle Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist.

Die Erl 471 BlgNR 22. GP 33 führen dazu aus:

„Bei Miteigentumsangelegenheiten wird in der Frage, ob ein Anspruch im streitigen oder außerstreitigen Verfahren durchzusetzen ist, bisher relativ unklar und wenig einsichtig differenziert. ... Es empfiehlt sich daher, solche Unwägbarkeiten durch eine eindeutige, Zuständigkeits- und Rechtswegstreitigkeiten nicht provozierende Regel möglichst auszuräumen.

Einige der Miteigentümerstreitigkeiten passen nicht recht in den Zivilprozess mit seinem strikten Zwei-Parteien-System. Zudem können in diesen Angelegenheiten rechtsvorsorgende und rechtsgestaltende Mehrparteienverfahren vorkommen. Darüber hinaus ermöglicht das neue Außerstreitverfahren auch kontradiktorische Entscheidungen. Aus diesen Gründen ist es für die hier in Frage stehenden Auseinandersetzungen besser geeignet als der Zivilprozess. Mit § 838a ABGB werden daher Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. Auseinandersetzungen zwischen den Miteigentümern über die Bestellung, den Wechsel und die Enthebung eines Verwalters gehören künftig allein in das Außerstreitverfahren. ... Über den Anspruch auf Durchsetzung einer Mehrheitsentscheidung (vgl Gamerith in Rummel, ABGB3, § 836 Rz 8) oder den Anspruch auf Rechnungslegung gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörigen dritten Verwalter ist dagegen weiterhin im Prozess zu entscheiden. In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und auf die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwandes unter ihnen (§ 839 ABGB). Damit macht es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zugrunde liegt oder nicht. In beiden Fällen ist der Außerstreitrichter zur Verhandlung und Entscheidung berufen.

Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich aber nur auf die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten. Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt werden (etwa ein Besitzstörungsanspruch, ein Schadenersatzanspruch, ein Bereicherungsanspruch oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern), sind weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen."

Nach § 837 ABGB ist der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes als ein Machthaber anzusehen. Demzufolge hat der Verwalter alle Rechte und Pflichten eines Machthabers nach §§ 1002 ff ABGB (Gamerith in Rummel³, § 837 ABGB Rz 2; Sailer in KBB², § 837 Rz 2). Die Erläuternden Bemerkungen verweisen ausdrücklich auf § 837 ABGB. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten der Teilhaber und damit auch die Ansprüche aus der Rechnungslegungspflicht des Verwalters werden damit nach den mit dem Gesetzeswortlaut durchaus im Einklang stehenden und zu dessen Auslegung heranzuziehenden (vgl RIS-Justiz RS0008799) Gesetzesmaterialien mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängend in das Außerstreitverfahren verwiesen. Lediglich die Ansprüche gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörenden Verwalter werden von den Erläuterungen vom außerstreitigen Rechtsweg ausgenommen. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte nun eine eindeutige Zuständigkeitsregelung geschaffen werden. Nimmt er - wie sich aus den Erläuterungen ergibt - bei Streitigkeiten mit einem Verwalter nur jene gegen einen Dritten vom außerstreitigen Rechtsweg aus, so kann nur e contrario geschlossen werden, dass Ansprüche der Miteigentümer gegen einen der ihren, der auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache übernommen hat, als Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern zu beurteilen sind, die als unmittelbar mit der Verwaltung und Benützung zusammenhängend im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen sind. Der Grund für die Ungleichbehandlung kann darin gesehen werden, dass ein Miteigentümer, der gleichzeitig Verwalter ist, bei Streitigkeiten über seine Verwaltertätigkeit in aller Regel auch über die bloße Verwalterstellung hinausgehende, im Miteigentumsverhältnis wurzelnde Eigeninteressen vertritt, die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache im Zusammenhang stehen.

Die Klägerin hätte daher statt einer Klage einen entsprechenden Antrag im Außerstreitverfahren einbringen müssen. Dies führt jedoch nicht zur Zurückweisung der Klage.

Ist zweifelhaft, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, so hat das Gericht darüber zu entscheiden. Dies richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei (§ 40a JN). Derartige Zweifel bestehen schon dann, wenn die verfehlte Verfahrensart nicht völlig unbeabsichtigt war (1 Ob 137/02g, Ballon in Fasching/Konecny², § 40a JN Rz 8, Mayr in Rechberger, § 40a JN Rz 5). § 40a JN ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS-Justiz RS0046245). Ein - hier als Klage - falsch bezeichneter Rechtsschutzantrag soll also nicht zurückgewiesen, sondern einfach im richtigen Verfahren behandelt werden. Der verfahrenseinleitende Akt wird somit von der Nichtigkeit eines nicht in der richtigen Verfahrensart abgewickelten Verfahrens nicht erfasst. Eine Klage ist dann - wie im vorliegenden Fall - in einen verfahrenseinleitenden Antrag umzudeuten (1 Ob 137/02g, 6 Ob 66/02b = RIS-Justiz RS0116390). Die Klägerin hat bewusst das streitige Verfahren gewählt, sodass nach § 40a JN auszusprechen war, dass die Klage als Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und darüber zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung im Zwischenverfahren nach § 40a JN richtet sich nach jener Verfahrensart, die in dem das Verfahren einleitenden Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet wurde (RIS-Justiz RS0046245). Danach sind hier die Kostenersatzregeln des Zivilprozesses maßgebend. Der Klägerin ist im Sinn des § 51 Abs 1 ZPO die Einleitung des nichtigen Verfahrens anzulasten (vgl 1 Ob 137/02g). Sie hat daher die Kosten des Zwischenstreits zu tragen.

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