Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund eine Sachentscheidung zu fällen.
Die Rekursbeantwortung und die weiteren von den Parteien im Rekursverfahren erstatteten Schriftsätze werden zurückgewiesen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.10.1995, 14 Cg 154/94 f-94, als verspätet zurück. Da das Urteil des Erstgerichtes der Beklagten am 30.10.1995 zugestellt worden sei, sei der 27.11.1995 der letzte Tag der Berufungsfrist gewesen. Die erst am 28.11.1995 beim Erstgericht überreichte Berufung sei daher verspätet.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Beklagten erhobene Rekurs ist - obgleich beim Berufungsgericht eingereicht aber innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist beim Erstgericht eingelangt - rechtzeitig und ohne Rücksicht auf die Beschränkungen in §§ 502, 528 ZPO zulässig (RZ 1991/31; SZ 65/157; RZ 1993/86); er ist auch berechtigt.
Die von der Klägerin erstattete Rekursbeantwortung ist zufolge der Einseitigkeit des Rechtsmittels (RZ 1994/47; 6 Ob 602/95; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 519) unzulässig; sie war daher zurückzuweisen.
Aufgrund der Ausführungen im Rekurs, daß die Berufung - entgegen den unterschiedlichen Eingangsvermerken einerseits auf Rubrik, anderseits Original und Gleichschrift der Berufung - bereits am 27.11.1995 bei Gericht überreicht worden sei, hat das Erstgericht Erhebungen durchgeführt.
Die mit den Eintragungen im Fristenbuch des Beklagtenvertreters übereinstimmende Angabe seiner Kanzleiangestellten, die Berufung bereits am Montag, dem 27.11.1995, beim Erstgericht überreicht zu haben, kann weder durch die widersprüchlichen Eingangsvermerke der Einlaufstelle des Erstgerichts noch durch die nur auf Kombisationen beruhenden Angaben der Bediensteten der Einlaufstelle widerlegt werden. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 46/86; RZ 1977/26; RZ 1986/40; SZ 61/202 uva) haben Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, solange ihre Verspätung nicht eindeutig durch die Aktenlage ausgewiesen ist; nur dann, wenn eine öffentliche Urkunde vorliegt und vollen Beweis über die Verspätung macht, muß der Rechtsmittelwerber den vollen Gegenbeweis führen. Im vorliegenden Fall liegt wegen der unterschiedlichen Eingangsvermerke keine (unbedenkliche) öffentliche Urkunde vor, die über den Eingang des Rechtsmittels erst am 28.11.1995 vollen Beweis gemacht hätte, und den die Beklagte widerlegen hätte müssen.
Zeigt sich im Rekursverfahren aufgrund von Erhebungen, daß das Berufungsgericht unter unrichtiger Annahme der Verspätung die Berufung zurückgewiesen hat, dann trägt der Oberste Gerichtshof eine Sachentscheidung auf (5 Ob 65/72; 7 Ob 593/92; 1 Ob 41/93 uva).
Die im Rekursverfahren von beiden Parteien erstatteten weiteren Schriftsätze waren als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)