Spruch:
Geht die Verspätung eines Rechtsmittels aus der Aktenlage nicht eindeutig hervor, ist es als rechtzeitig erhoben zu behandeln
OGH 6. September 1973, 6 Ob 155/73 (LGZ Wien 43 R 85/73; BG Fünfhaus 2 P 527/72)
Text
Mit Beschluß vom 21. Dezember 1972 nahm das Erstgericht eine Neubemessung des vom unehelichen Vater Karl K zu leistenden gesetzlichen Unterhaltes der Höhe nach vor.
Der Beschluß wurde vom Vater Karl K mit Rekurs bekämpft. Dieser enthält die Behauptung, der Beschluß erster Instanz sei ihm am 3. Jänner 1973 zugestellt worden. Der Rekurs wurde am 17. Jänner 1973 zur Post gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Rekurs mit der Begründung zurück, es sei der Beschluß erster Instanz dem Vater laut Rückschein bereits am 27. Dezember 1972 zugestellt worden, der Rekurs sei daher verspätet.
Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Über die Rechtzeitigkeit des Rekurses wurden Erhebungen durchgefuhrt. Durch die Aussagen der Auskunftspersonen Adolfine K und Eva H ist bescheinigt, daß die Unterschrift auf dem Rückschein vom 27. Dezember 1972 jedenfalls nicht vom Rekurswerber Karl K stammt, weil er am genannten Tag ortsabwesend war. Aus der Aussage der Eva H ergibt sich, daß Karl K am 1. Jänner 1973 nach Wien zurückgekehrt ist. Es bleibt deshalb die Möglichkeit offen, daß der Beschluß erster Instanz dem Rekurswerber schon am 2. Jänner 1973 zugekommen sein konnte, in welchem Falle der Rekurs tatsächlich verspätet wäre. Die über diese Möglichkeit durchgeführten Erhebungen haben aber kein eindeutiges Ergebnis gezeitigt. Weder die vorgenannten Auskunftspersonen noch der vom Erstgericht vernommene Karl K können angeben, an welchem Tag der Beschluß erster Instanz dem Rekurswerber tatsächlich zugekommen ist.
Ein Rechtsmittel hat in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, als es jedenfalls entgegengenommen und sachlich erledigt werden muß, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit der Erhebungen wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers.
Da der vom Rekursgericht angenommene Zustellungstag jedenfalls widerlegt ist, im übrigen aber eine Verspätung des Rekurses aus der Aktenlage nicht eindeutig hervorgeht, ist dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht zurückzuverweisen.
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