OGH 6Ob602/95

OGH6Ob602/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine Maria G*****, vertreten durch Dr.Franz Wielander, Rechtsanwalt in Gmünd, wider die beklagte Partei Herbert G*****, vertreten durch Dr.Oswin Hochstöger, Rechtsanwalt in Gmünd, wegen Ehescheidung und Unterhalt, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 23.Mai 1995, AZ 2 R 46/95 (ON 33), womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd vom 7.November 1994, GZ 2 C 982/93-28, teilweise zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird stattgegeben.

Der angefochtene Beschluß wird im Umfang der Anfechtung, nämlich hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung, soweit sie sich gegen die Unterhaltsverpflichtung von S 3.600,-- monatlich ab rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens wendet sowie in den Verfahrenskostenaussprüchen aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird in diesem Umfang eine meritorische Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte, gestützt auf Scheidungsgründe nach § 49 EheG, die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten und die Verpflichtung des Beklagten zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 4.000,--.

Der Beklagte sprach sich nicht gegen die Scheidung aus, stellte aber einen Mitschuldantrag und beantragte (erkennbar) die Abweisung der Unterhaltsklage (zu ON 9).

Mit dem Urteil des Erstgerichtes vom 7.11.1994 wurde die Ehe der Parteien geschieden, das überwiegende Verschulden des Beklagten festgestellt und dieser zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 3.600,-- für die Zeit vom 1.6.1993 bis incl. August 1993, von S 1.600,-- ab 1.9.1993 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens und von S 3.600,-- ab rechtskräftiger Beendigung des Scheidungsverfahrens verurteilt und das Unterhaltsmehrbegehren von monatlich S 400,-- ab 1.6.1993 abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Beklagten mit Ausführungen zu den Berufungsgründen der unrichtigen Beweiswürdigung, unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Ausführungen befaßten sich ausschließlich mit dem Sachverhalt und den Rechtsfragen zum Thema des Verschuldens. Der Beklagte stellte die Berufungsanträge, "das angefochtene Urteil

a) dahingehend abzuändern, daß das überwiegende Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile festgestellt wird und die klagende Partei verpflichtet wird, die Verfahrenskosten erster Instanz zu bezahlen;

b) oder dahingehend abzuändern, daß die Feststellung den Beklagten treffe das überwiegende Verschulden ersatzlos aufgehoben wird und die Prozeßkosten erster Instanz gegeneinander aufgehoben werden;

c) in allen Fällen der Klägerin den Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegen;

d) für den Fall, daß diesem Antrag nicht stattgegeben wird, das Urteil des Erstgerichtes im Kostenpunkte dahingehend abändern, daß der klagenden Partei lediglich ein Betrag von S 37.700,40 zugesprochen wird" (ON 29).

Mit Beschluß vom 1.2.1995 erteilte das Berufungsgericht dem Beklagten gemäß §§ 84, 85 ZPO den Auftrag, "die Berufungsschrift vom 15.12.1994 dadurch zu verbessern, daß i.S. des § 467 Z 3 ZPO darin die bestimmte Erklärung enthalten ist, inwieweit das Urteil angefochten wird (Berufungserklärung)". Das Berufungsgericht setzte für die Verbesserung eine Frist von einer Woche.

Der Beklagte ergänzte daraufhin seine Berufung durch Anfügung des Satzes "Das Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd vom 7.11.1994 wird dem gesamten Inhalt nach angefochten" (S.2 unten der Berufung ON 29).

Mit der gemeinsam ergangenen Entscheidung vom 23.5.1995 wies das Berufungsgericht in Beschlußform die Berufung des Beklagten, insoweit sie sich gegen den Scheidungsausspruch (Abs.1 des Ersturteiles) und gegen die Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen (Abs.3 und 4 des Ersturteiles) richtete, zurück und gab in Urteilsform der Berufung des Beklagten statt und stellte das Verschulden der Parteien an der Ehescheidung zu gleichen Teilen fest. Dieses Urteil wurde von den Parteien nicht angefochten.

Die Zurückweisung seiner Berufung bekämpft der Beklagte mit Rekurs und beantragt die Abänderung dahin, daß seiner Berufung gegen die Unterhaltsverpflichtung von monatlich S 3.600,-- ab rechtskräftiger Beeendigung des Verfahrens stattgegeben und das Unterhaltsbegehren abgewiesen werde (die Zurückweisung der Berufung im übrigen Umfang wird ausdrücklich nicht bekämpft). Hilfsweise beantragt der Beklagte die Aufhebung des Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung in der Sache.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und mit seinem hilfsweise gestellten Antrag auch berechtigt.

Die Zurückweisung einer Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen ist anfechtbar (§ 519 Abs.1 Z 1 ZPO). Das Verfahren über den Rekurs ist einseitig (Kodek in Rechberger ZPO Rz 3 zu § 519; 7 Ob 607, 608/92).

Gemäß § 467 Z 3 ZPO hat eine Berufungsschrift die bestimmte Erklärung zu enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe), und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urteiles, und welche beantragt werden (Berufungsantrag). Seit der ZVN 1983 können auch Inhaltsmängel einer Rechtsmittelschrift zum Anlaß eines Verbesserungsverfahrens genommen werden. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten die Nachholung der fehlenden Berufungserklärung aufgetragen. Aufgrund der Ergänzung dahin, daß das Urteil dem gesamten Inhalt nach angefochten werde, ist nun klargestellt, daß der Berufungswerber auch die Entscheidung über das Unterhaltsbegehren der Klägerin anfechten wollte. Damit entsprach die Berufung des Beklagten aber noch nicht den Inhaltserfordernissen des § 467 Z 3 ZPO, weil es nach wie vor an einem Berufungsantrag hinsichtlich des Unterhaltsausspruchs fehlte. Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß wegen der Unzulässigkeit der Verlängerung einer Verbesserungsfrist (§ 85 Abs.2 zweiter Satz ZPO) ein neuerlicher Verbesserungsauftrag nicht erteilt habe werden können, kann nicht beigepflichtet werden. Der Beklagte wurde nur zur Nachholung der Berufungserklärung aufgefordert. Diesem Auftrag ist er auch nachgekommen. Aufgrund der nachgeholten Berufungserklärung ergab sich ein neuer Mangel, nämlich die fehlende Stellung eines Berufungsantrages. Dieser Mangel hätte im Zuge eines weiteren Verbesserungsverfahrens behoben werden können. Der Mangel war vom zuvor erteilten ersten Verbesserungsauftrag nicht umfaßt. Das Gericht hat sämtliche zu verbessernden Mängel anzuführen. Wenn beim ersten Verbesserungsverfahren ein Mangel übersehen wird, ist ein weiterer Verbesserungsauftrag zu erteilen (Gitschthaler in Rechberger ZPO Rz 17 zu § 85). Diesem Fall ist der vorliegende gleichzuhalten. Vor der Klarstellung, daß auch die Unterhaltsentscheidung angefochten wird, war das Fehlen eines Berufungsantrages zwar noch kein vom Berufungsgericht auf jeden Fall wahrzunehmender Mangel, es hätte aber doch aus ökonomischen Gründen in seinen Verbesserungsauftrag, der sich nur auf die fehlende Berufungserklärung bezog, den bedingten Auftrag aufnehmen können, daß für den Fall einer Anfechtungserklärung auch zum Unterhaltsausspruch ein Berufungsantrag nachzuholen wäre. Verfehlt ist jedenfalls dieAnsicht, daß ein weiteres Verbesserungsverfahren unzulässig sei.

Das Berufungsgericht ist zutreffenderweise nicht von der Rechtskraft der Unterhaltsentscheidung ausgegangen. Wegen des untrennbaren Zusammenhanges des angefochtenen Ausspruchs über das Verschulden an der Scheidung mit dem ganz offensichtlich nur auf § 66 EheG gestützten Unterhaltsanspruch der Klägerin (die keinen "Billigkeitsunterhalt" nach § 68 EheG geltend macht), liegt im ausschließlich zur Verschuldensfrage erstatteten Berufungsvorbringen des Beklagten auch ein Vorbringen zum Unterhaltsanspruch, nämlich dasjenige, daß wegen überwiegenden Verschuldens der Klägerin an der Scheidung ihr ein Unterhaltsanspruch nicht zustehe. Ganz offensichtlich wegen dieser Auslegung des Berufungsvorbringens hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Nachholung der Berufungserklärung aufgefordert. Ob ein Verbesserungsauftrag überhaupt erforderlich oder aber entbehrlich war, weil wegen des angeführten Zusammenhanges ohnehin klar war, daß der Beklagte mit seiner Berufung (auch) die Abweisung der Unterhaltsklage zur Gänze anstrebt, kann hier dahingestellt bleiben. Eine allfällige verbesserungsfähige Unklarheit wurde jedenfalls dadurch beseitigt, daß der Beklagte in seinem Rekurs den fehlenden Sachantrag auf Abweisung des Unterhaltsbegehrens stellte und dieser Antrag (auch) als nachgetragener Berufungsantrag zu werten wäre. Das Berufungsgericht wird darüber meritorisch zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf § 52 ZPO.

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