OGH 7Ob19/16v

OGH7Ob19/16v16.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Stapf Neuhauser Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Rechnungslegung (Stufenklage gemäß Art XLII EGZPO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2015, GZ 2 R 89/15w‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00019.16V.0316.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die klagende Garantiegeberin begehrt im Rahmen einer Stufenklage von der begünstigten beklagten Werkbestellerin nach Ablauf der Garantiezeit Rechnungslegung über die Verwendung des abgerufenen Haftrücklassgarantiebetrags und dabei insbesondere Aufklärung darüber, welche beim Bauvorhaben aufgetretenen Mängel von der garantiebestellenden Werkunternehmerin zu verantworten seien samt Bekanntgabe der darauf entfallenden Sanierungskosten. In ihrer außerordentlichen Revision gegen die klagsabweisliche Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO, zu dessen klageweisen Geltendmachung nach Abs 2 nur befugt ist, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens- oder des Schuldenstandes hat, begründet keinen materiell‑rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt eine solche Verpflichtung nach bürgerlichem Recht voraus (RIS‑Justiz RS0034986). Diese Verpflichtung kann sich entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechts oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben (RIS‑Justiz RS0034986 [T3], RS0034960). Das Zivilrecht enthält keine generelle oder einheitliche Regelung, unter welchen Voraussetzungen, worüber und in welcher Weise jemand einem anderen eine Aufklärung schuldig ist. Ob die vom Kläger verlangte Aufklärung vom Beklagten überhaupt sowie in der begehrten Weise geschuldet wird, muss daher das Gericht im Einzelfall anhand der für den jeweils geltend gemachten Auskunftsanspruch einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen ermitteln (RIS‑Justiz RS0034986 [T9]). Eine konkrete Vereinbarung einer Rechnungslegungspflicht besteht nicht.

2. Die Klägerin stützt das Manifestationsbegehren primär darauf, dass ihr als Garantiegeberin selbst ein zu ermittelnder Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB zustünde. Ein solcher kommt nach der Rechtsprechung in Betracht, wenn der Rechtsmissbrauch im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie evident erwiesen wird (RIS‑Justiz RS0017997), sowie in jenen Fällen, in denen der Garantievertrag unwirksam bzw anfechtbar oder der Abruf mangelhaft ist, das heißt nicht in der vereinbarten Form erfolgte (RIS‑Justiz RS0106545 [T4], RS0016972 [T2]).

Die Klägerin räumt ein, dass sie ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Beklagten nicht konkret behaupten will. Ihre Argumentation läuft darauf hinaus, dass sie mit der Stufenklage prüfen will, ob Rechtsmissbrauch nach Ablauf der Garantiezeit zu erweisen ist, also der Garantiebetrag (oder Teile davon) nicht für die Verbesserung von Mängeln verwendet worden sei. Damit behauptet sie nicht einen evidenten Missbrauch im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie und übergeht die ständige Rechtsprechung, dass abgesehen von den genannten Ausnahmefällen nicht der Garant, sondern der Garantieauftraggeber zur Erhebung von Kondiktionsansprüchen berechtigt ist (RIS‑Justiz RS0016972, RS0106545).

3. Die Klägerin stützt ihr Begehren (auch) auf einen auf sie im Wege der Zession übergegangenen, der Werkunternehmerin als Garantiebestellerin gegen die Beklagte als deren Vertragspartnerin zustehenden Rückforderungsanspruch. Ein solcher kann hier keinen Rechnungslegungsanspruch begründen:

Zweck der Rechnungslegungspflicht nach Art XLII Abs 1 EGZPO ist es, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen festzustellen und geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0034907 [T6, T8]). Sind die zur beabsichtigten Erhebung der Klage notwendigen Umstände dem Kläger ohnehin bekannt, so fehlt es an einem privatrechtlichen Interesse an der Ermittlung des Vermögens-oder des Schuldenstandes im Sinn des Art XLII Abs 2 EGZPO (RIS‑Justiz RS0034956). Dies ist hier der Fall. Die Werkunternehmerin muss grundsätzlich über die Umstände des Werkvertrags selbst Bescheid wissen. Diese wurde von der Beklagten vor Geltendmachung der Garantie zur Verbesserung der Mängel aufgefordert. Vor diesem Hintergrund ist ihr selbst die Einschätzung möglich, ob die Garantie (teilweise) unberechtigt abgerufen wurde. Da die Rechte des Übernehmers mit jenen des Überträgers übereinstimmen (§ 1394 ABGB) und durch die Abtretung die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert werden darf (RIS‑Justiz RS0032740), ist demnach die Verneinung der Rechnungslegungspflicht betreffend den von der Klägerin geltend gemachten Rückforderungsanspruch ihrer Vertragspartnerin durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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