OGH 7Ob189/09h

OGH7Ob189/09h30.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Ulrike S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Sachwalters Mag. Albrecht Z*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 1. Juli 2009, GZ 15 R 191/09b-22, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung von §§ 274 Abs 2 und 279 Abs 3 zweiter SatzABGB wegen Verfassungwidrigkeit stellen, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der als Rechtsanwalt nicht vertretungsbedürftige (§ 6 Abs 2 AußStrG) und im eigenen Namen rekurslegitimierte (§ 127 AußStrG) (Verfahrens- und einstweilige) Sachwalter wendet sich gegen seine Bestellung. Er hält sein außerordentliches Rechtsmittel entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG für zulässig, weil gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung zu § 279 ABGB (idgF BGBl I 92/2006) und zu § 86 Geo fehle.

Dies ist hinsichtlich beider Bestimmungen unzutreffend:

Mit § 279 ABGB (idgF), der die Auswahl des Sachwalters regelt, hat sich der Oberste Gerichtshof nicht nur, wie der Revisionsrekurswerber meint, in der Entscheidung 10 Ob 18/08g iFamZ 2008/126 = RZ 2009/3 = ÖJZ-LS 2008/49, sondern auch in der Entscheidung 5 Ob 92/09d auseinandergesetzt. Es wurde darauf hingewiesen, dass nach den Gesetzesmaterialien (RV 1420 BlgNR 22. GP 16 ff) durch den (neuen) § 279 ABGB unter anderem das Ziel verfolgt wird, jene Personenkreise abschließend zu regeln, die für die Bestellung als Sachwalter potentiell in Frage kommen; es wird eine Reihung der zum Sachwalter berufenen Personen vorgenommen. Demnach ist mangels Verfügbarkeit einer nahestehenden Person ein Vereinssachwalter, dann ein Rechtsanwalt oder Notar oder - deren Zustimmung vorausgesetzt - eine andere geeignete Person zu bestellen. Nur wenn die Besorgung der Angelegenheit der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von vornherein gemäß § 279 Abs 4 ABGB ein Rechtsanwalt oder Notar zu bestellen (vgl 3 Ob 19/08b iFamZ 2008/127 = Zak 2008/305; 7 Ob 105/08d iFamZ 2008/128 = Zak 2008/467; 4 Ob 126/08w Zak 2008/756 = iFamZ 2009/36 ua). Die Frage, ob und welche besonderen Fachkenntnisse - insbesondere auch ob juristische Kenntnisse - erforderlich sind, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG dar, es sei denn, dem Rekursgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Das ist hier nicht der Fall:

Der Revisionsrekurswerber meint, weil sich bei der Erstanhörung gezeigt habe, dass die Betroffene „zu finanziellen Angelegenheiten keinen Bezug habe", wäre eine Person mit kaufmännischer Ausbildung als Sachwalter besser geeignet als ein Jurist. Dies lässt sich, da finanzielle Angelegenheiten regelmäßig auch juristische Fragen aufwerfen, keineswegs zwingend sagen. Die Ansicht der Vorinstanzen, ein Rechtsanwalt sei am besten geeignet, die Belange der Betroffenen wahrzunehmen, ist nach den aktenkundigen Umständen im vorliegenden Fall vertretbar. Eine in diesem Zusammenhang vom Revisionsrekurswerber auch geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens ist nicht gegeben. Dass die Vorinstanzen den ihnen bei der Auswahl des Sachwalters zukommenden Ermessensspielraum überschritten oder das (immer in erster Linie zu beachtende - vgl RIS-Justiz RS0123297) Wohl der Betroffenen oder die Art der zu besorgenden Angelegenheiten nicht ausreichend berücksichtigt hätten (RIS-Justiz RS0048291; RS0049104; RS0087131; RS0108315), vermag der Revisionsrekurswerber nicht aufzuzeigen.

§ 86 Abs 2 Geo bestimmt, dass bei der Bestellung von Kuratoren in Streit- und Exekutionssachen sowie im außerstreitigen Verfahren, soweit Rechtsanwälte und Notare hiezu herangezogen werden, ein angemessener Wechsel stattzufinden hat. Zu diesem Zweck ist bei jedem Gericht ein alphabetisches Verzeichnis der im Gerichtssprengel ansässigen Rechtsanwälte und Notare zu führen und jede Kuratorbestellung durch Tagesangabe und Aktenzeichen ersichtlich zu machen. Wie der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 10 Ob 18/08g (RIS-Justiz RS0116381 [T2]; vgl auch Danzl Geo § 86 Anm 2) ausgeführt hat, ist das Gericht an die Liste und an die Reihenfolge in der Liste allerdings nicht gebunden, wenn im einzelnen Fall sachliche oder persönliche Gründe für ein Abgehen vorliegen. Ausgehend von § 274 Abs 2 ABGB, wonach Unzumutbarkeit erst bei mehr als fünf Sachwalterschaften eines Rechtsanwalts oder Notars vermutet wird, zeigt der (in zwei weiteren Fällen zum Sachwalter bestellte) Revisionsrekurswerber auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Vom Revisionsrekurswerber wird schließlich noch die Ansicht vertreten, gegen die für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen der §§ 274 Abs 2 und 279 Abs 3 zweiter SatzABGB bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Seine zunächst als Anregung formulierten Ausführungen münden schließlich im Antrag, einen diesbezüglichen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Der Oberste Gerichtshof hat sich allerdings bereits mehrfach mit der Verfassungskonformität der genannten gesetzlichen Bestimmungen auseinandergesetzt und die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken verneint (RIS-Justiz RS0123296; RS0117639 [T1]; RS0048950 [T3]). Die umfangreichen Ausführungen des Revisionsrekurswerbers, die auf das Verbot der Zwangsarbeit gemäß Art 4 EMRK, das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art 7 B-VG und Art 2 StGG, die Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG, das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK und die Erwerbsfreiheit nach Art 6 StGG Bezug nehmen, zeigen keinen Aspekt auf, der Bedenken gegen die Verfassungskonformität der genannten Bestimmungen rechtfertigte. Es besteht daher kein Anlass, gemäß Art 89 Abs 2 in Verbindung mit Art 140 B-VG einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da den Parteien nach ständiger Rechtsprechung ein Recht, vom Gericht die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, nicht zusteht (RIS-Jusitz RS0054189 und RS0058452), ist der betreffende Antrag des Revisionsrekurswerbers zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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