Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der wegen Manie unter Sachwalterschaft stehende Betroffene hatte zunächst seine Schwester als Sachwalterin, danach seine nunmehrige Gattin. Diese beantragte aus näher genannten Erwägungen ihre Enthebung. Das Erstgericht teilte dem nunmehrigen Rechtsmittelwerber die Absicht mit, ihn als „Verfahrenssachwalter und einstweiligen Sachwalter" bestellen zu wollen. Er sei der in der gemäß § 86 Abs 2 Geo geführten Liste der Nächste. Gründe für die Ablehnung der Übernahme der Sachwalterschaft wegen Unzumutbarkeit seien binnen sieben Tagen mitzuteilen (ON 133).
Der angesprochene Rechtsanwalt lehnte die Übernahme der Sachwalterschaft mit der Begründung ab, dass er schon für zwei Betroffene als Sachwalter tätig und eine der beiden Sachwalterschaften „äußerst zeitaufwendig" sei. Überdies seien zahlreiche Verfahrenshilfen von seiner Kanzlei zu verrichten (ON 135).
Noch vor Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses wurde dem Rechtsanwalt telefonisch die Absicht des Gerichts mitgeteilt, ihn zum Sachwalter zu bestellen. Er erklärte dazu, seine bisherige ablehnende Stellungnahme aufrecht zu erhalten. Er könne „aus Kapazitätsgründen die Sachwalterschaft einfach nicht übernehmen" (ON 136).
Das Erstgericht enthob mit seinem Beschluss vom 24. August 2007 die bisherige Sachwalterin und bestellte den Rechtsanwalt zum Sachwalter mit dem Aufgabenbereich „Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Gerichten sowie privaten Vertragspartnern".
In dem dagegen erhobenen Rekurs führte der Rechtsanwalt ua ergänzend und unter Anführung der üblichen von einem Rechtsanwalt ausgeübten Tätigkeiten aus, dass er und sein Kanzleipartner bereits jetzt „am Rande seiner Leistungskraft" stünden. Die im § 274 Abs 2 ABGB angeführte Zahl von fünf Sachwalterschaften sei nur eine Obergrenze. Insbesondere berufliche Verhältnisse könnten der Übernahme einer weiteren Sachwalterschaft entgegenstehen. Die Kapazität des Einschreiters in der Kanzlei sei „restlos ausgeschöpft".
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sachwalters nicht Folge und teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass keine extreme berufliche Belastung des Rekurswerbers gegeben sei. Mit der Bestellung zum Sachwalter seien hier nach der Aktenlage keine umfangreichen Tätigkeiten zu erwarten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Sachwalter die Abänderung dahin, dass „der Einschreiter nicht zum Sachwalter bzw eine andere Person zum Sachwalter bestellt werde".
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
I.1. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers liegt nicht schon allein deshalb eine erhebliche Rechtsfrage vor, weil zu der maßgeblichen Bestimmung des am 1. Juli 2007 in Kraft getretenen § 274 ABGB (Art X § 3 SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92) noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Die grundsätzliche Verpflichtung von Rechtsanwälten und Notaren (als Personen des § 189 Abs 2 ABGB) zur Übernahme von Sachwalterschaften bestand schon zuvor, ebenso das Ablehnungsrecht wegen Unzumutbarkeit der Übernahme der Sachwalterschaft. Die Unzumutbarkeit muss nach der geltenden Rechtslage in den persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnissen liegen (§ 274 Abs 2 ABGB). Die Vorgängerbestimmung (§ 189 Abs 2 ABGB idF des KindRÄG 2001) war noch weiter gefasst. Eine „besonders geeignete Person" konnte die Obsorge und gemäß § 282 Abs 1 ABGB die Sachwalterschaft nur wegen im Gesetz nicht näher ausgeführter Unzumutbarkeit ablehnen. Dass Rechtsanwälte wegen ihrer beruflichen Fachkenntnisse zu den „besonders geeigneten Personen" zählten, verstand sich geradezu von selbst und war ständige Rechtsprechung. Der klare Gesetzeswortlaut des § 274 Abs 2 ABGB normiert zweifelsfrei, dass Rechtsanwälte Sachwalterschaften grundsätzlich übernehmen müssen und Ablehnungsgründe konkret geltend zu machen sind. Zu diesen beiden Fragen bedarf es keiner weitwendigen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs. Es genügt der Hinweis auf die Erläuterungen der Regierungsvorlage (1420 BlgNR 22. GP, 13) und den klaren Gesetzeswortlaut.
2. Die Verpflichtung zur Geltendmachung konkreter Ablehnungsgründe ergibt sich schon aus der naheliegenden Erwägung, dass das Gericht im außerstreitigen Verfahren zur amtswegigen Sammlung der Entscheidungsgrundlagen verpflichtet ist (§ 16 Abs 1 AußStrG) und dem Untersuchungsgrundsatz nur entsprechen kann, wenn die Parteien ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstatten, wozu sie gemäß § 16 Abs 2 AußStrG verhalten sind. Dieser Verpflichtung zu wahrheitsgemäßem und vollständigem Vorbringen ist wegen des im Rechtsmittelverfahren herrschenden Neuerungsverbots schon im Verfahren erster Instanz nachzukommen (§ 49 Abs 2 AußStrG).
3. Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass der Revisionsrekurswerber mit seiner Ablehnung der Übernahme der Sachwalterschaft schon deshalb scheitern muss, weil er im Verfahren erster Instanz keinen ausreichend tauglichen Ablehnungsgrund geltend machte, hatte er sich doch dort nur auf zwei von ihm schon übernommene Sachwalterschaften und auf „zahlreiche" Verfahrenshilfen berufen, also auf Gründe, die eine Unzumutbarkeit der Übernahme einer dritten Sachwalterschaft nicht einmal nahelegen.
II. Für den Revisionsrekurswerber wäre im Übrigen auch nichts gewonnen, wenn das im Rekurs an die zweite Instanz erstattete Tatsachenvorbringen nicht dem Neuerungsverbot unterläge (hiefür wäre es allerdings erforderlich gewesen, dass der Rekurswerber die Zulässigkeit der Neuerungen dargelegt hätte: RIS-Justiz RS0120290), beschränkte er sich doch auf allgemeine Behauptungen über den Kanzleibetrieb seiner „Streitkanzlei", die nicht über das hinausgehen, was auf jede durchschnittliche Rechtsanwaltskanzlei zutrifft. Behauptungen über eine nicht näher konkretisierte Arbeitsbelastung reichen nicht (7 Ob 323/01b). Dass nur eine konkrete individuelle und extreme berufliche Belastung zur Unzumutbarkeit iSd § 274 Abs 2 ABGB führen kann, liegt auf der Hand (vgl dazu die RV aaO), weil andernfalls der verfolgte Gesetzeszweck einer raschen Fürsorge für die Betroffenen nicht gewährleistet werden könnte.
Mit den vom Revisionsrekurswerber aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen (Unzulässigkeit der Zwangsarbeit iSd Art 4 MRK; Gleichheitssatz) hat sich der Oberste Gerichtshof schon mehrfach beschäftigt, die Rechtslage für verfassungskonform erachtet und dies auch für die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Sachwalter für den Fall bejaht, dass keine Aufgaben zu erledigen sind, die Rechtskenntnisse erfordern (1 Ob 116/03w = EvBl 2003/160 mwN; Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts, 67 mwN).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).
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