OGH 7Ob167/10z

OGH7Ob167/10z29.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** KG, *****, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, und der Nebenintervenienten 1. B***** W*****, 2. O***** GmbH, *****, beide vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 142.221 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Juni 2010, GZ 4 R 110/10y-29, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Dem von der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen, unter anderem eine Feuerversicherung für das Betriebsgebäude enthaltenden, Betriebsschutzversicherungsvertrag wurden Versicherungsbedingungen zugrunde gelegt, die eine Klausel betreffend die Wiederherstellung von zerstörten oder beschädigten Gebäuden und sonstigen Sachen enthalten. Diese Klausel stellt insofern eine sogenannte „strenge“ Wiederherstellungsklausel dar, als sie im Sinn einer Risikobegrenzung (RIS-Justiz RS0081840) den Anspruch durch den Versicherungsfall zunächst nur in Höhe des Zeitwerts entstehen lässt und der Restanspruch auf die „Neuwertspanne“ (Differenz zwischen Zeitwert und Neuwert) erst dadurch entsteht, dass die Wiederherstellung durchgeführt wird oder (fristgerecht) gesichert ist (RIS-Justiz RS0120710). Zweck solcher strenger Versicherungsklauseln ist die Begrenzung des subjektiven Risikos, das entstünde, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte. Unter diesem Aspekt hat die stets von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung, ob ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung an gleicher Stelle errichtet wurde, nach strengen Kriterien zu erfolgen (RIS-Justiz RS0120711). Zufolge der Einzelfallbezogenheit der Beurteilung, ob für das zerstörte oder beschädigte Gebäude ein solches gleicher Art und Zweckbestimmung errichtet wurde oder werden soll, stellt diese Frage keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste.

Eine solche Fehlbeurteilung vermag die Revisionswerberin aber nicht aufzuzeigen: Sie räumt ein, dass das wieder zu errichtende Gebäude grundsätzlich den gleichen Zwecken dienen muss wie das durch Feuer zerstörte. Sie meint aber, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall daher nicht wiederum eine Tischlerei und ein Zeichenbüro errichtet werden müssten; die geplante Wiedererrichtung als Wohnhaus entspreche dem Gleichwertigkeitsgebot, weil im versicherten Gebäude seit 2001 keine Tischlerei und kein Zeichenbüro mehr betrieben worden seien. Die Revisionswerberin setzt sich dabei darüber hinweg, dass das Gebäude zum Zeitpunkt des Brandes nach wie vor im Rahmen der Betriebsschutzversicherung versichert war und eine andere als eine gewerbliche Nutzung der Beklagten auch nicht angezeigt wurde; die Klägerin hatte auch die auf diesen Standort lautende Gewerbeanmeldung nicht zurückgelegt.

Da dem Klagebegehren auf Zahlung der „Neuwertspanne“ demnach schon mangels beabsichtigter (und gesicherter) Wiederherstellung eines gleichwertigen, dem gleichen Betriebszweck dienenden Gebäudes keine Berechtigung zukommen kann, sind alle weiteren von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang noch für erheblich erachteten Umstände nicht mehr entscheidungsrelevant. Auf die Revisionsausführungen zu den weiteren Streitpunkten hinsichtlich des Anspruchs auf die Neuwertspanne (insbesondere auch zur Frage der Hemmung der Frist zur [Sicherung der] Wiedererrichtung des versicherten Gebäudes durch einen Deckungsprozess) muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann schließlich auch in der Ablehnung einer - die Höhe des Zeitwerts des versicherten Gebäudes betreffenden - Klagsänderung keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Ob ein im Hinblick auf die Prozessförderungspflicht nach § 178 ZPO verspätetes Vorbringen gegen die Zulassung einer Klagsänderung spricht, weil der Prozess dadurch unbillig erschwert oder verzögert würde, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt keine erhebliche Frage des Verfahrensrechts im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl 8 Ob 111/04p ua).

Das daher unzulässige außerordentliche Rechtsmittel der Klägerin ist zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

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