OGH 7Ob163/14t

OGH7Ob163/14t26.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei N***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 9.397,28 EUR sA, Rente und Feststellung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 31. Juli 2014, GZ 3 R 118/14v‑35, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. Juni 2014, GZ 69 Cg 79/13z‑31, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.977,84 EUR (darin enthalten 329,64 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien besteht ein Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag, dem unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für den N***** (in der Folge AB) zu Grunde liegen. Sie lauten auszugsweise:

§ 1 Was ist versichert?

1. Wird die versicherte Person während der Versicherungsdauer dieser Versicherung vollständig oder teilweise berufsunfähig, so erbringen wir unter Berücksichtigung der Besonderen Vereinbarungen in der Polizze folgende Versicherungsleistungen:

‑ Zahlung einer Berufsunfähigkeits‑Rente, längstens für die vereinbarte Versicherungsdauer. Die Rente zahlen wir monatlich im Voraus.

‑ Ganz oder teilweise Befreiung von der Beitragszahlungspflicht.

...

§ 3 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt ausgeübten Beruf ‑ so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war ‑ nachzugehen und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

2. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad erfüllt sind.

3. Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt ausgeübten Beruf ‑ so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war ‑ nachzugehen und hat sie in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausgeübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.

...

§ 13 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder den Umfang der Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 11. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer Lebensstellung bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entspricht, wobei neu erworbene berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen sind.

...

3. Eine Minderung der Berufsunfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit und die Wiederaufnahme bzw Änderung der beruflichen Tätigkeit müssen Sie uns unverzüglich mitteilen.

4. Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad vermindert, stellen wir unsere Leistungen ein oder setzen sie herab.“

Der Kläger erlitt am 28. 1. 2012 einen Arbeitsunfall. Auf Grund seiner Verletzungen befand er sich vom 29. 1. 2012 bis 8. 2. 2012 im Krankenhaus. Daran schloss ein Krankenstand mit ambulanter Kontrolle des Heilungsverlaufs an. Vom 22. 3. 2012 bis 1. 8. 2012 wurde der Kläger in einem Rehabilitationszentrum stationär behandelt. Anschließend befand er sich bis 11. 8. 2012 im Krankenstand und bis 31. 8. 2012 im Urlaub. Mit September 2012 begann der Kläger wieder zu arbeiten.

Der Kläger ist seit 15. 3. 2010 bei der S***** GmbH als Montagearbeiter beschäftigt. Vor seinem Arbeitsunfall war er als Frei‑/Fahrleitungsmonteur eingesetzt. Diese Monteure führen vornehmlich Arbeiten für den Bau, den Betrieb und den Unterhalt von Stromtransport‑ und Verteileranlagen oder Fahrleitungen durch. Sie arbeiten an Frei‑, Kabel‑ und Fahrleitungen, Schalt‑ und Transformatorenstationen sowie an Anlagen für die öffentliche Beleuchtung. Sie stellen insbesondere Masten auf, ziehen Fahrleitungen neu ein, reparieren, warten und bauen diese um, nehmen Mast‑Gründungsarbeiten, Mastmontagen sowie diverse Leitungsdemontagen vor und montieren in freistehenden Transformatorenstationen Träger und Gerüste. Die Tätigkeiten werden überwiegend im Freien ausgeübt und sind mit einer leichten bis mittelschweren, gelegentlich schweren körperlichen Belastung bei Hebe‑ und Transportarbeiten verbunden. Sie werden weit überwiegend im Stehen und Gehen und nur selten im Sitzen ausgeführt. Arbeiten in gebückter, vorgebeugter, kniender, hockender Körperhaltung oder solche mit Händen über dem Kopf kommen insbesondere bei Revisions‑, Instandsetzungs‑ und Anschlussarbeiten in Summe bis zu zwei Drittel der täglichen Arbeitszeit vor. Arbeiten in höhenexponierten Lagen sind berufstypisch. Mit einer durchschnittlichen Funktionstüchtigkeit und Griffsicherheit beider oberer Extremitäten wird das Auslangen gefunden. Arbeiten in und über Kopfhöhe sowie Arbeiten mit den Armen vor dem Körper können bis zu zwei Drittel der Arbeitszeit vorkommen. Da wegen des Unfalls beim Kläger eine mäßige Funktionseinschränkung im Bereich der rechten Schulter eintrat, kann er seine Arbeit als Frei‑/Fahrleitungsmonteur zu mehr als 75 % nicht mehr verrichten.

Seit September 2012 arbeitet der Kläger beim selben Unternehmen bei einer Erdungspartie (an Gleisanlagen) mit. Es werden alte Erdungen demontiert und teilweise ausgegraben. Die neuen Kabel werden zugeschnitten, gegebenenfalls mit einer Akkupresse gebogen, mit dem Kabelschuh verpresst, eingelegt und schließlich wieder manuell montiert, wobei gegebenenfalls auch neue Löcher zu bohren sind. Arbeitet eine zweite Partie parallel am Masten, werden Erdungsarbeiten unterstützt, indem Erdungsdrähte für diese gebogen und am unteren Ende des Mastens montiert werden. Auch diese Tätigkeit ist überwiegend im Freien auszuüben.

Bei seiner nunmehrigen Tätigkeit ist der Kläger in etwa denselben körperlichen Belastungen ausgesetzt wie vor dem Unfall. Als Oberleitungsmonteur verrichtete er sehr selten Tätigkeiten, die eine gebückte Haltung, und keine, die eine kniende/hockende Haltung erforderlich machten. Die neue Tätigkeit ist deutlich unter Kniehöhe zu erbringen, wodurch die Belastung der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke verstärkt ist. Das Gefährdungsmoment durch Arbeiten in höhenexponierten Lagen ist weggefallen. Bei der neuen Tätigkeit besteht ein Gefährdungsmoment durch vorbeifahrende Züge. Der Kläger kann seine Tätigkeit als Teil einer Erdungspartie ohne Umschulung ausüben. Es gab keine Einarbeitungszeit. Sowohl der Grundlohn des Klägers als auch seine Zulagen haben sich durch die neue Tätigkeit nicht geändert. Keine Änderung besteht auch in Bezug auf die freie Arbeitseinteilung, das Ausmaß der manuellen Tätigkeiten, auf berufsbedingte höhere Altersgrenzen, psychische Belastung und Verantwortung, Ansehen, Außendienste, Aufstiegsaussichten, Nacht‑ und/oder Schichtdienste.

Die Beklagte zahlte an den Kläger für den Zeitraum 1. 2. 2012 bis 1. 6. 2012 100 % und für den Zeitraum 1. 6. 2012 bis 1. 8. 2012 50 % der vereinbarten monatlichen Rente und stellte den Kläger für diese Zeiträume prämienfrei. Während des Verfahrens anerkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht bis einschließlich 31. 8. 2012, sodass über einen Teilbetrag von 1.839,74 EUR ein Teilanerkenntnisurteil gefällt wurde.

Der Kläger begehrt die Zahlung weiterer 9.397,28 EUR, eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von derzeit 900,75 EUR ab 1. 7. 2013 bis auf weiteres (längstens jedoch bis 1. 10. 2033) wegen der zumindest 75%igen Berufsunfähigkeit und die Feststellung, dass er ab 1. 7. 2013 bis auf weiteres, längstens jedoch bis 1. 10. 2033, für die Dauer der Berufsunfähigkeit von zumindest 75 % nicht verpflichtet sei, Versicherungsprämien für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu bezahlen. Der Kläger sei auf Dauer zumindest zu 75 % berufsunfähig. Es stünden ihm daher 100 % der Rente zu. Er könne seit dem Arbeitsunfall seine Tätigkeit als Oberleitungsmonteur nicht mehr ausüben, er sei nur mehr für Hilfsdienste einsetzbar. Er habe zwar seine Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber wieder aufgenommen, doch entspreche diese nicht mehr der Lebensstellung vor dem Arbeitsunfall. Er erleide empfindliche Lohneinbußen. Aus der Wendung „in diesem Zeitraum“ in § 3 AB sei abzuleiten, dass die Ausübung einer Vergleichstätigkeit nach dem Zeitraum von sechs Monaten keinen Einfluss auf die Zahlungspflicht der Beklagten habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger übe seit September 2012 eine andere Tätigkeit aus, die seiner Lebensstellung vor dem Arbeitsunfall vollkommen entspreche. § 3 AB sei nicht missverständlich formuliert, was durch § 13 AB verdeutlicht werde, nach dem jederzeit die Möglichkeit einer Nachprüfung bestehen solle. Der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers entfalle, wenn er eine Vergleichstätigkeit ausübe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seit 1. 9. 2012 habe der Kläger eine Tätigkeit aufgenommen, die seiner bisherigen Ausbildung und Erfahrung und Lebensstellung entspreche. Seit diesem Zeitpunkt sei der Kläger daher nicht mehr berufsunfähig. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei aus dem Begriff „Berufsunfähigkeit“ abzuleiten, dass ein Anspruch auf Versicherungsleistung nur für denjenigen Zeitraum bestehe, in dem der bisherige Beruf und auch eine vergleichbare Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Dies entspreche dem Zweck einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Auslegung des Begriffs „Berufsunfähigkeit“ ergebe sich zweifelsfrei aus § 13 AB, aus dem hervorgehe, dass eine Versicherungsleistung immer nur für jenen Zeitraum erbracht werde, in dem tatsächlich eine Berufsunfähigkeit gegeben sei. In Zusammenschau der §§ 3 und 13 AB sei klargelegt, dass eine Berufsunfähigkeit, wenn sie für einen Zeitraum von sechs Monaten bestanden habe, nicht jedenfalls bis zum Ende des Versicherungsvertrags andauere. Die Bestimmungen schlössen vielmehr die Annahme einer Berufsunfähigkeit aus, wenn die bisherige Tätigkeit oder eine Vergleichstätigkeit aufgenommen werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es schloss sich der Argumentation des Erstgerichts an. Bei der vom Kläger gewünschten Auslegung, wäre § 13 AB über die Nachprüfmöglichkeit und die Mitteilungsobliegenheit des Versicherungsnehmers ohne Anwendungsbereich. Bereits nach ihrem Wortlaut könne die vom Kläger angestrebte Interpretation nicht erfolgen. Der Kläger sei vor dem Arbeitsunfall wegen der Absturzgefahr von den Masten einer erhöhten Unfallgefährdung ausgesetzt gewesen. Als Mitglied der Erdungspartie bestehe die Gefährdung des Klägers nun durch vorbeifahrende Züge, die aber durch Sicherheitsposten minimiert werde. Die nunmehr ausgeübte Tätigkeit stelle keine wesentliche Änderung zur bisher ausgeübten Tätigkeit dar.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Wortlaut der AB eindeutig sei, sodass keine Auslegungszweifel bestünden.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Judikatur zur Auslegung des § 3 AB nicht besteht. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Summenversicherung. Die Versicherungsleistung erfolgt also unabhängig vom Nachweis eines Schadens, insbesondere einer Einkommenseinbuße. Versicherte Gefahr in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der vorzeitige Rückgang oder der Verlust der beruflichen Leistungsfähigkeit (RIS‑Justiz RS0112258). Diese Versicherungsart soll Schutz vor dem Zustand bieten, in dem ein Versicherter aus gesundheitlichen Gründen ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf oder einen angemessenen bedingungsgemäßen Vergleichsberuf auszuüben (RIS‑Justiz RS0112257). Zu in diesem Sinn vergleichbaren Versicherungsbedingungen wurde ausgeführt, dass Berufsunfähigkeit dann gegeben ist, wenn die andere Arbeitstätigkeit, auf die der Versicherte auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung verwiesen werden kann, seiner bisherigen Lebensstellung nicht entspricht. Für den Verlust der bisherigen Lebensstellung ist maßgeblich, ob die soziale Stellung und das soziale Ansehen des Versicherten inhaltlich erhalten bleiben und der neue Beruf auch die gleichen sozialen Sicherungen verschafft (RIS‑Justiz RS0112260). Versichert ist nicht die berufliche Leistungsfähigkeit des Versicherten überhaupt, sondern nur in Verbindung mit bestimmten Berufen, wobei es auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ankommt (RIS‑Justiz RS0111999). Die Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden kann, darf weder hinsichtlich ihrer Vergütung noch in ihrer Wertschätzung „spürbar unter das Niveau des bisher ausgeübten Berufs“ absinken, insbesondere keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Es ist auf die soziale Stellung des Versicherten, das Ansehen, das ihm in den Augen der Öffentlichkeit sein Beruf vermittelt, abzustellen. Das hängt nicht allein von der Höhe des Einkommens, sondern zunächst davon ab, welche Kenntnisse und Fähigkeiten die Berufsausübung erfordert (RIS‑Justiz RS0112003).

Der Einwand des Klägers, dass es bei der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ausschließlich auf einen Einkommensverlust ankommt, ist im Sinn der dargelegten Rechtsprechung richtig. Nicht hingegen kann seiner Argumentation gefolgt werden, dass die von ihm nun ausgeübte Tätigkeit wegen der bestehenden „Lebensgefahr durch potentiell vorbeifahrende Züge“ seiner Lebensstellung nicht entspreche.

Das Erstgericht hat zu den beiden Berufsbildern detailliert und umfassend Feststellungen getroffen. Die Vorinstanzen haben zutreffend argumentiert, dass die Tätigkeiten des Klägers vor und nach dem Unfall gefährlich waren. Anstelle der Gefährdung durch Arbeiten in höhenexponierten Lagen (Absturzgefahr) trat die Gefahr, von vorbeifahrenden Zügen erfasst zu werden. Dass diese Gefahr höher einzuschätzen wäre als jene, der der Kläger nun nicht mehr ausgesetzt ist, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Die psychische Belastung und Verantwortung sind gleich geblieben. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die nunmehrige Gefährdung im Hinblick auf die (notorischen) Sicherungsmaßnahmen bei Arbeiten im Gleisbereich erhöht wäre. Übt der Versicherte eine andere Tätigkeit aus, so muss er beweisen, dass diese Tätigkeit keine bedingungsgemäße Vergleichstätigkeit ist (RIS‑Justiz RS0112006). Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen.

Der Haupteinwand der Revision richtet sich gegen die Auslegung des § 3 AB. Die Revision meint, dass es nach § 3.1 AB lediglich darauf ankomme, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich des zuletzt ausgeübten Berufs weiterhin vollständig oder teilweise berufsunfähig sei und er lediglich in den ersten sechs Monaten keine Vergleichstätigkeit ausgeübt habe. Übe er nach Ablauf von sechs Monaten eine Vergleichstätigkeit aus, so ändere dies an der bereits eingetretenen Berufsunfähigkeit nichts mehr.

Die Revision übergeht, dass § 3.1 AB ausführt, dass vollständige Berufsunfähigkeit dann vorliegt, wenn die versicherte Person „voraussichtlich mindestens sechs Monate“ ununterbrochen außerstande ist, dem zuletzt ausgeübten Beruf nachzugehen. Die Wortfolge „in dieser Zeit“ bezieht sich also auf „mindestens sechs Monate“ und nicht, wie die Revision meint, auf „sechs Monate“. Damit ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer klargestellt, dass eine Versicherungsleistung nur gewährt wird, wenn die Berufsunfähigkeit mindestens sechs Monate dauert (dass sie also auch länger dauern kann), und dass in dieser Zeit (also mindestens sechs Monate oder auch länger) der Versicherungsnehmer auch keine Vergleichstätigkeit ausüben darf. Dieses Auslegungsergebnis wird durch § 13.1, 3 und 4 AB unterstützt. Danach ist der Versicherer berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei kann auch erneut geprüft werden, ob die versicherte Person eine Vergleichstätigkeit ausübt. Diese Bestimmung bezieht sich auf den in § 3.1 AB genannten Zeitraum von zumindest sechs Monaten, das heißt, auch auf einen sechs Monate überschreitenden Zeitraum. Zusätzlich wird in § 13.3 AB ohne zeitliche Grenze eine Mitteilungsobliegenheit hinsichtlich der Minderung der Berufsunfähigkeit und der Wiederaufnahme oder Veränderung der beruflichen Tätigkeit festgelegt. § 13.4 AB regelt ebenfalls ohne zeitliche Grenze ausdrücklich, dass für den Fall, dass die Berufsunfähigkeit weggefallen ist oder sich der Grad vermindert, die Leistung eingestellt oder herabgesetzt wird. Aus der Gesamtheit der Regelungen der §§ 3 und 13 AB kann für einen verständigen Versicherungsnehmer kein Zweifel darüber bestehen, dass er keinen Anspruch auf Leistung mehr hat, wenn er, wann auch immer, einen Vergleichsberuf ausübt. Dem steht nicht entgegen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Summenversicherung ist. Versicherte Gefahr ist, dass der Versicherungsnehmer seinen bisherigen Beruf oder einen bedingungsgemäßen angemessenen Vergleichsberuf nicht mehr ausüben kann. Da der Kläger ab dem 1. 9. 2012 einen bedingungsgemäßen angemessenen Vergleichsberuf ausübt, besteht die Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinn von § 3 AB nicht mehr. Die Beklagte ist daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Leistung verpflichtet, auch wenn der Kläger dem ursprünglich ausgeübten Beruf weiterhin nicht mehr nachgehen kann.

Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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