OGH 7Ob145/02b

OGH7Ob145/02b7.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Peter P*****, vertreten durch Dr. Helmut Klementschitz, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte und widerklagende Partei H*****, vertreten durch Dr. Michael Drexel, Rechtsanwalt in Graz, wegen jeweils Herausgabe (Streitinteresse jeweils EUR 2.180,18) über die (ordentliche) Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2002, GZ 6 R 326/01g-14, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. September 2001, GZ 3 C 452/01a-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 399,74 (hierin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Zwischen den Streitteilen wurde am 11. 8. 1994 ein 1998 hinsichtlich Kündigungsverzicht und Leasingraten modifizierter Privat-Kraftfahrzeug-Leasing-Vertrag betreffend einen PKW VW-Golf abgeschlossen.

Mit der am 1. 3. 2001 eingebrachten Klage stellte der Kläger das mit S 30.000,-- bewertete Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm am besagten Fahrzeug dadurch vollständiges Eigentum einzuräumen, dass sie an ihn den Original-Typenschein sowie weiters eine unterfertigte und zur Anmeldung dieses Fahrzeuges auf seinen Namen hinreichende Urkunde herausgebe.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und brachte darüber hinaus am 12. 4. 2001 beim Erstgericht zu 3 Cg 828/01w gegen den Kläger eine Widerklage, gerichtet auf Herausgabe des Fahrzeuges (ebenfalls bewertet mit S 30.000,--) sowie Zahlung eines restlichen Leasingentgeltrückstandes von S 15.942,97 sA, ein. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. 7. 2001 wurde das Geldleistungsbegehren der Widerklage auf Kosten eingeschränkt.

Das Erstgericht wies das Hauptklagebegehren des Klägers (und Widerbeklagten) ab und gab dem restlichen Herausgabeklagebegehren der beklagten (und widerklagenden) Partei - beide Parteien werden im Folgenden weiterhin als Kläger und Beklagte bezeichnet - statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab und das Widerklagebegehren abwies. Es sprach weiters aus, dass - da über beide Begehren gemeinsam entschieden wurde, sodass die Streitwerte zusammenzuzählen seien, wobei das Berufungsgericht keine Veranlassung gehabt habe, von der Bewertung des jeweiligen Streitgegenstandes in den Klagen abzugehen - der Wert des Entscheidungsgegenstandes "insgesamt S 52.000,-- (bzw EUR 4.000,--), jedoch nicht S 260.000,-- (EUR 20.000,--) übersteigt" und die Revision - vorbehaltlich eines Antrages nach § 508 ZPO - nicht zulässig sei. Entgegen § 500 Abs 3 letzter Satz ZPO hat das Berufungsgericht hiebei seinen Ausspruch, dass die Revision nicht zulässig sei, nicht begründet.

Gegen dieses Urteil stellte die beklagte Partei einen Abänderungsantrag nach § 508 Abs 1 ZPO samt Ausführung ihrer auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Revision, verbunden mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Berufungsgericht fasste hierauf den Beschluss, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Die klagende Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen Unzulässigkeit desselben gemäß § 502 Abs 2 ZPO) und hilfsweise beantragt wird, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erweist sich tatsächlich als jedenfalls unzulässig. Dies aus folgenden Erwägungen:

Wie der Oberste Gerichtshof - vom Berufungsgericht übersehen und verkannt - bereits mehrfach (und in Übereinstimmung zum gesamten einschlägigen zivilpozessualen Fachschrifttum) ausgesprochen hat, ist die Zulässigkeit der Revision im Falle von Klage und Widerklage, selbst bei Verbindung beider Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, jeweils gesondert zu prüfen und zu beurteilen; die Streitgegenstände der beiden Verfahren sind und bleiben voneinander unabhängig. Dies gilt auch für die Zulässigkeit der Revision gegen das sodann gemeinsame Urteil (SZ 69/266; 3 Ob 273/97m - jeweils mwN; RIS-Justiz RS0042626; RS0036717; RS0042639; Fasching, Kommentar IV 283 Anm 27; ders, Lehrbuch2 Rz 1302; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 502; Petrasch, Das neue Revisions-[Rekurs-]recht, ÖJZ 1983, 169 [173]). Eine Zusammenrechnung bloß deshalb, weil - wie es das Berufungsgericht somit unzutreffend formulierte - "über beide Begehren gemeinsam entschieden wurde", hat daher keinesfalls stattzufinden.

Da - nach Einschränkung des auf Zahlung von S 15.942,97 sA gerichteten Begehrens in der Widerklage auf Kostenersatz - sowohl das Klagebegehren zu 3 C 452/01a (führendes Verfahren) als auch das (restliche) Widerklagebegehren zu 3 C 828/01w (verbundenes Verfahren) nicht in einem Geldbetrag besteht, hatte das Berufungsgericht gemäß § 500 Abs 2 ZPO einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes zu fassen, wobei im Hinblick auf das Datum seiner Entscheidung nach dem 31. 12. 2001 auf dessen Neufassung durch Art 94 Z 12 des 2. Euro-JuBeG BGBl I 2000/98 Bedacht zu nehmen ist und eine Bezugnahme auf die früheren Schillingwerte (entgegen der diesbezüglichen Formulierung im Spruch des Berufungsurteils) ebenfalls nicht mehr stattzufinden hat (Art 96 Z 6 leg cit). Da - wiederum im Sinne der Diktion des Berufungsgerichtes - dieses klar und unzweideutig aussprach, "keine Veranlassung (zu haben), von der Bewertung des jeweiligen Streitgegenstandes in den Klagen abzugehen", kann dies nur bedeuten, dass für keines der beiden Verfahren der (neue) Schwellenwert von EUR 4.000,-- (vormals S 52.000,--) überschritten und damit eine ordentliche Revision selbst bei Bejahung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO jedenfalls unzulässig ist, weil hier keiner der Ausnahmefälle nach § 502 Abs 4 oder 5 ZPO vorliegt. In diesem Fall kommt es aber auch zu keinem Abänderungsverfahren nach § 508 ZPO (Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ-Sonderheft 1998/5A, 10; 6 Ob 110/99s), sodass das Vorgehen des Berufungsgerichtes nach dieser Bestimmung mangels gesetzlicher Grundlage auch nicht zu einer dennoch möglichen Anrufung des Obersten Gerichtshofes führen kann, wäre es doch ein Wertungswiderspruch, diesfalls sogar eine außerordentliche Revision zu versagen (Danzl, aaO), über den Umweg des (gar nicht anwendbaren) § 508 ZPO aber dennoch einen Weg zum funktionell nicht anrufbaren Obersten Gerichtshof zu eröffnen. Dem Obersten Gerichtshof fehlt diesfalls vielmehr jegliche Entscheidungsbefugnis über das dennoch erhobene Rechtsmittel. Der Beschluss des Berufungsgerichtes, mit dem es seinen Zulassungsausspruch abänderte, muss daher in einem Fall wie dem vorliegenden als schlicht unbeachtlich gewertet werden; an eine auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhende Änderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruches durch das Berufungsgericht ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden; sie ist unwirksam (so schon 6 Ob 264/98m).

Demgemäß war die aus den vorstehenden verfahrensmäßigen Gründen absolut unzulässige Revision, wie aus dem Spruch ersichtlich, zurückzuweisen, ohne auf das Rechtsmittel auch inhaltlich näher eingehen zu können.

Da die klagende Partei auf diese Unzulässigkeit der gegnerischen Revision ausdrücklich (und zutreffend) hingewiesen hat, stehen ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO auch die tarifmäßig richtig verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu.

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