European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00139.15I.1216.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich des bestätigten abweisenden Teils lautet:
1. Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen den Traktor der Marke New Holland, *****, samt montierter Frontzapfwelle an die klagende Partei Zug um Zug gegen Zahlung von 15.900 EUR herauszugeben.
2. Das Mehrbegehren,
a) die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 8.918,67 EUR samt „Zinsen für Unternehmer“ aus 2.231,20 EUR ab 31. 1. 2014, aus 38,88 EUR ab 22. 3. 2014, aus 634,80 EUR ab 29. 3. 2014, aus 984,66 EUR ab 26. 4. 2014, aus 322,92 EUR ab 9. 7. 2014 und aus 4.706,21 EUR ab 13. 2. 2015 binnen 14 Tagen zu bezahlen,
b) es werde festgestellt, dass die beklagte Partei für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Schäden aus der (Sach‑)Entziehung des Traktors der Marke New Holland, *****, vom 16. 12. 2013 zu haften habe,
wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.952,14 EUR (darin enthalten 3.046,19 EUR an USt und 1.675 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der klagende Landwirt erwarb im November 2013 von der beklagten Landmaschinenhändlerin einen gebrauchten Traktor der Marke New Holland (in der Folge: Traktor New Holland) samt einer von ihr erst zu bestellenden und nachträglich zu montierenden Frontzapfwelle. Der Gesamtkaufpreis betrug 30.100 EUR. Der Kläger gab seinen Traktor der Marke Steyr (in der Folge: Traktor Steyr) in Zahlung, wofür ihm 19.000 EUR angerechnet wurden, sodass eine Aufzahlung von 11.100 EUR verblieb.
Nach Austausch der Traktoren stellte sich beim Traktor Steyr ein Motorschaden heraus. Als sich der Traktor New Holland im Dezember 2013 zur nachträglichen Montage der Frontzapfwelle bei der Beklagten befand, forderte diese den Ersatz der von ihr mit 5.000 EUR geschätzten Reparaturkosten für den schadhaften Motor. Der Kläger lehnte dies jedoch ab, woraufhin die Beklagte die Herausgabe des Traktors New Holland verweigerte.
Der Motor war bereits im Zeitpunkt der Übergabe an die Beklagte im Bereich des zweiten Zylinders schadhaft. Der zur Mängelbehebung erforderliche Reparaturkosten‑ aufwand beträgt 4.800 EUR.
Der Kläger begehrte die Herausgabe des Traktors New Holland samt Frontzapfwelle Zug um Zug gegen Leistung der vereinbarten Aufzahlung von 11.100 EUR, die Bezahlung von 8.918,67 EUR sA an (im Detail aufgeschlüsseltem) Schadenersatz infolge widerrechtlicher Zurückbehaltung des Traktors und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden „aus der Sachentziehung“. Der Beklagten stehe kein Zurückbehaltungsrecht zu. Der Traktor Steyr habe im Zeitpunkt der Übergabe keinen Motorschaden aufgewiesen. Der für die Reparatur des Motorschadens erforderliche Aufwand betrage höchstens 1.400 EUR. Dem stehe ein Preisminderungsanspruch des Klägers in Höhe von zumindest 5.000 EUR gegenüber, der daraus resultiere, dass der Traktor New Holland nicht ‑ wie vertraglich zugesichert ‑ 2006, sondern bereits 2005 gebaut worden sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Ihr stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu. Der Traktor Steyr habe bereits bei Übergabe einen Motorschaden aufgewiesen. Der Kläger schulde daher neben der vereinbarten Aufzahlung die aus dem Mangel resultierenden Reparaturkosten von 5.000 EUR, welcher Betrag auch aufrechnungsweise eingewandt werde.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Beklagten stehe gegen den Kläger ein Gewährleistungsanspruch zu, weil der Traktor Steyr im Zeitpunkt der Übergabe einen Motorschaden aufgewiesen habe. Die Beklagte sei als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 2 UGB ein Unternehmen kraft Rechtsform. Der Kläger sei als Landwirt Unternehmer gemäß § 1 Abs 2 UGB. Der Kauf oder Verkauf eines Traktors zähle bei Landwirten zum gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens; es handle sich daher um ein unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft im Sinn des § 343 Abs 2 UGB, auf das das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB anzuwenden sei. Das der Beklagten zustehende Recht auf Gewährleistung sei als gesicherte Forderung im Sinn dieser Bestimmung anzusehen und könne daher gegen den Herausgabeanspruch des Klägers eingewandt werden. Infolge zulässiger Zurückbehaltung seien auch das Schadenersatz- und Feststellungsbegehren nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache; es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu. Bereits die Klagserzählung stelle auf die Unternehmereigenschaft beider Parteien und die Unternehmensbezogenheit des Rechtsgeschäfts ab, ohne dass die Beklagte dagegen inhaltlich Einwendungen erhoben habe; damit lägen in diesem Zusammenhang ausreichende Behauptungen zur Anwendung des Zurückbehaltungsrechts nach § 369 UGB vor. Dieses bestehe nicht nur für konnexe Forderungen. Feststellungen zu Ersparnis, Wertminderung und Wertsteigerung seien nicht erforderlich, weil der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren weder die Aufrechnung mit einer allenfalls bestehenden Forderung ‑ etwa aus Preisminderung wegen des Alters ‑ noch die Voraussetzungen für einen Vorteilsausgleich behauptet habe; von Amts wegen sei darauf nicht Bedacht zu nehmen. Eine Verurteilung Zug um Zug gegen Erbringung der geltend gemachten Gegenleistung könne nur erfolgen, wenn der Kläger die Gegenleistung nicht ablehne; dieser habe jedoch auch noch im Berufungsverfahren klar zum Ausdruck gebracht, die Leistung von Reparaturkosten und die Gewährleistung für den Mangel zur Gänze abzulehnen.
Die vom Kläger dagegen erhobene und von der Beklagten ‑ nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof ‑ beantwortete Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Ausgenommen in einem (hier nicht vorliegenden) Fall mit Neuerungserlaubnis ist im Zivilprozess im Rechtsmittelverfahren nur zu prüfen, ob der Klagsanspruch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz berechtigt war. Nach diesem Zeitpunkt liegende Sachverhaltsänderungen dürfen bei der Rechtsmittelentscheidung nicht berücksichtigt werden. Eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte Klaglosstellung durch Erfüllung hat daher außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0041770 [T41]). Es ist demnach ausgeschlossen, die Beschwer des Klägers hinsichtlich des Herausgabebegehrens deshalb zu verneinen, weil ihm der Traktor New Holland mittlerweile nach Fällung des erstinstanzlichen Urteils ausgefolgt wurde. Die von der Beklagten vorgebrachten Umstände hindern daher die Revisionsentscheidung betreffend das Herausgabebegehren nicht.
2. Die behauptete Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
3. Ein Unternehmer hat gemäß § 369 Abs 1 Satz 1 UGB für die fälligen Forderungen, die ihm gegen einen anderen Unternehmer aus den zwischen ihnen geschlossenen unternehmensbezogenen Geschäften zustehen, ein Zurückbehaltungsrecht an den beweglichen Sachen und Wertpapieren des Schuldners, die mit dessen Willen aufgrund von unternehmensbezogenen Geschäften in seine Innehabung gelangt sind, sofern er sie noch innehat. Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers nach § 369 UGB besteht im Unterschied zum Retentionsrecht nach § 471 ABGB nicht nur für konnexe Forderungen. Es ist nicht erforderlich, dass der zurückzuhaltende Gegenstand und die zu sichernde Forderung aus demselben rechtlichen Verhältnis stammen. Wesentlich ist nur, dass es sich um eine fällige Geldforderung handelt, die auf einem beiderseitigen Unternehmergeschäft beruht (RIS-Justiz RS0062545 [T1]). Das Zurückbehaltungsrecht erlischt mit dem Wegfall seiner gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere also durch den Untergang der zurückbehaltenen Sache, durch Erlöschen der besicherten Forderung und durch die freiwillige Aufgabe des Besitzes des Gläubigers (5 Ob 113/09t). Um den Herausgabeanspruch des Klägers abzuwenden, müssen die Voraussetzungen für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ‑ wie ganz allgemein im Zivilprozess ‑ im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (noch) vorliegen (RIS-Justiz RS0036969).
4. Der Revisionswerber meint, dass die beiderseitige Unternehmereigenschaft nicht vom Parteivorbringen gedeckt sei; die dazu getroffenen Feststellungen hätten daher von den Vorinstanzen nicht berücksichtigt werden dürfen.
4.1. Das Gericht darf die bei seiner Beweisaufnahme hervorkommenden Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Gehen sie darüber hinaus, sind es sogenannte „überschießende“ Feststellungen. Diese dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS-Justiz RS0040318, RS0037972, RS0037964 [T1, T2], RS0036933 [T6]).
4.2. Der Kläger macht unter Verweis auf den Erwerb eines gebrauchten Traktors von der Beklagten unter gleichzeitiger Inzahlunggabe eines Traktors Ansprüche gegen die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Unternehmerin kraft Rechtsform (§ 2 UGB), geltend und begehrt bereits in der Klage Schadenersatz für die erforderliche Beschaffung von Ersatztraktoren zur Verrichtung der an seinem Hof anfallenden Arbeiten, wofür er zuletzt auch unternehmerische Verzugszinsen nach § 456 UGB anspricht. Daraus folgt ‑ wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannten ‑ die Unternehmereigenschaft der beiden Streitteile und auch die jeweilige Unternehmensbezogenheit des Rechtsgeschäfts. Die Feststellungen zur Unternehmereigenschaft beider Streitteile und zur Unternehmensbezogenheit des Rechtsgeschäfts sind demnach vom Parteivorbringen gedeckt, nicht überschießend und daher beachtlich.
5. Die Vorinstanzen stellten betreffend den wechselseitigen Traktorerwerb einen zwischen den Streitteilen erfolgten Vertragsabschluss fest. Die Revisionsausführungen, wonach zwischen den Streitteilen keine Vertragsbeziehung bestehe, gehen daher nicht vom festgestellten Sachverhalt aus; die Revision ist demnach insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312).
6. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass beim Traktor Steyr im Zeitpunkt der Übergabe ein gewährleistungspflichtiger Mangel (Motorschaden) vorlag. Der Kläger wendet sich in seiner Revision auch nicht gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass er der Beklagten gegenüber grundsätzlich zum Reparaturkostenersatz verpflichtet ist. Bekämpft wird von ihm lediglich die Höhe der von den Vorinstanzen mit 4.800 EUR festgestellten Reparaturkostenforderung der Beklagten:
6.1. Der Einwand, dass der Kläger einen Teil der Reparaturkosten bereits getragen habe, ist als (teilweise) anspruchsvernichtende Tatsache von ihm zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0109832 [insb T7, T13]). Dazu hat er im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen erstattet; die darauf bezogenen Rechtsmittelausführungen sind aufgrund des Neuerungsverbots im Rechtsmittelverfahren (§§ 482 Abs 1, 504 Abs 2 ZPO) unbeachtlich.
6.2. Die Vorteilsausgleichung hat nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen ebenfalls die Behauptungs- und Beweislast trifft (RIS-Justiz RS0036710, RS0022849 [T3]). In der allgemeinen Bestreitung der Höhe des Schadens liegt nicht schon der Antrag auf Vornahme einer Vorteilsausgleichung (RIS-Justiz RS0036710 [T2]).
Zu den Positionen eines ersparten Motorölwechsels und einer durch die Reparatur eintretenden Wertsteigerung hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen erstattet, sondern in diesem Zusammenhang bloß Fragen an den Sachverständigen gestellt. Damit sind auch Ausführungen zur Vorteilsausgleichung aufgrund des Neuerungsverbots im Rechtsmittelverfahren (§§ 482 Abs 1, 504 Abs 2 ZPO) unbeachtlich. Die Frage, ob eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, wonach im Gewährleistungsrecht eine Vorteilsausgleichung nicht gilt (vgl RIS-Justiz RS0018699), zu erwägen wäre, kann daher dahingestellt bleiben.
6.3. Der Wertminderungsanspruch betrifft nicht den mangelbehafteten Traktor Steyr, sondern den Traktor New Holland; dieser Anspruch steht demnach in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Reparaturkosten‑ forderung der Beklagten. Zu prüfen ist daher, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dieser Anspruch das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB beeinflussen kann.
6.3.1. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB endet durch Erlöschen der zu sichernden Forderung (5 Ob 113/09t; Schuhmacher in Straube , UGB I 4 § 369 Rz 24; Kerschner in Jabornegg/Artmann , UGB² § 369 Rz 46), unter anderem durch außergerichtliche Aufrechnung nach § 1438 ABGB (vgl Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1052 Rz 77). Nur eine solche kommt hier betreffend den dem Kläger aus einer Schlechterfüllung gegenüber der Beklagten allenfalls zustehenden Preisminderungsanspruch in Betracht, ist doch eine Prozessaufrechnung gegen die Zug‑um‑Zug-Einrede der Beklagten schon mangels Gleichartigkeit unzulässig (§ 1440 ABGB). Diese anspruchsvernichtende Tatsache ist vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0109832 [insb T7, T13]).
Das gegenseitige Zusammentreffen aufrechenbarer Forderungen allein führt nicht schon deren Aufrechnung herbei, sondern gibt nur das Recht, auf Aufrechnung zu dringen. Es ist demnach eine entsprechende Aufrechnungserklärung erforderlich (RIS-Justiz RS0033904 [T7], RS0033876). Die außergerichtliche Aufrechnung wird unbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt, setzt also die Anerkennung der Hauptforderung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe (RIS-Justiz RS0033970). Die Aufrechnungserklärung kann auch erst während des Verfahrens abgegeben werden (RIS-Justiz RS0102345).
6.3.2. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren keine außergerichtliche Aufrechnung mit dem allfälligen Preisminderungsanspruch behauptet oder eine solche erklärt. Dies erachtet er nicht einmal im Revisionsverfahren für erforderlich. Dazu kommt, dass er im erstinstanzlichen Verfahren und auch noch im Berufungsverfahren die von der Beklagten geltend gemachte Reparaturkostenforderung zur Gänze bestritten hat. Damit liegt aber in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht keine wirksame außergerichtliche Aufrechnung mit einem allfälligen Preisminderungsanspruch vor.
6.4. Demnach beträgt die Reparaturkosten‑ forderung der Beklagten 4.800 EUR. Ein (rechtlicher) Feststellungsmangel liegt in diesem Zusammenhang nicht vor.
7. Insgesamt folgt daraus, dass sich die Beklagte aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger zustehenden, aus einem beidseitigen Unternehmergeschäft resultierenden Reparaturkostenforderung von 4.800 EUR bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB stützen konnte. Demnach haben die Vorinstanzen zu Recht das jeweils auf Schadenersatz infolge widerrechtlicher Zurückbehaltung des Traktors New Holland gegründete Zahlungs- und Feststellungsbegehren abgewiesen. Zu prüfen ist noch, ob dem Herausgabebegehren im Umfang einer um die Reparaturkostenforderung erhöhten Zug‑um‑Zug‑ Verpflichtung stattzugeben ist.
8.1. Die Erklärung, dass die klagende Partei selbst bereit sei, ihre Verbindlichkeit zu erfüllen, muss nicht in das Klagebegehren aufgenommen werden (RIS-Justiz RS0020963). Tut sie dies nicht und erhebt die beklagte Partei die Zug-um-Zug-Einrede, dann hat das Gericht darüber zu verhandeln und kann die beklagte Partei auch ohne einen ausdrücklichen Urteilsantrag zur Leistung Zug um Zug mit der von der klagenden Partei zu erbringenden Gegenleistung verurteilen. Voraussetzung für die Aufnahme einer Zug‑um‑Zug-Verpflichtung in den Urteilsspruch durch das Gericht ist entweder ein entsprechendes Klagebegehren oder zumindest eine entsprechende, im Klagsvorbringen zum Ausdruck kommende Bereitschaft der klagenden Partei zur Erbringung der Gegenleistung oder aber ‑ wie hier ‑ ein entsprechendes Einwendungsvorbringen der beklagten Partei (RIS-Justiz RS0107733, RS0020997 [T11]).
Die Einfügung einer Zug-um-Zug-Verpflichtung durch das Gericht ist nur dann unzulässig, wenn die klagende Partei die Erbringung der Gegenleistung endgültig verweigert hat (RIS-Justiz RS0020973 [T10, T13]). Die (bloße) Bestreitung der von der beklagten Partei behaupteten Forderung ist in diesem Zusammenhang nicht als endgültige Weigerung der klagenden Partei anzusehen, einen zu Recht bestehenden Teil der bestrittenen Forderung zu zahlen (RIS‑Justiz RS0020973 [T10]).
8.2. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren nur die Berechtigung der von der Beklagten zur Begründung ihres Zurückbehaltungsrechts herangezogenen Reparaturkostenforderung dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Darin liegt noch keine endgültige Verweigerung der Gegenleistung im Sinn der Judikatur. Damit kommt dem Zug-um-Zug-Einwand Berechtigung zu. Daraus folgt, dass die Beklagte zur Herausgabe des dem Kläger gehörenden Traktors in der vertraglich vereinbarten Form gegen Zahlung einer um 4.800 EUR erhöhten Gegenleistung, das sind insgesamt 15.900 EUR, verpflichtet ist.
9. In teilweiser Stattgebung der Revision war daher dem Herausgabebegehren gegen Zahlung von 15.900 EUR stattzugeben.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 43 Abs 2 ZPO. Die Beklagte hat nicht nur die auf Schadenersatz gegründeten Begehren (Zahlungs- und Feststellungsbegehren) zur Gänze abgewendet, sondern auch hinsichtlich des Herausgabebegehrens mit der dem Zurückbehaltungsrecht zugrunde liegenden Gegenforderung die Zug-um-Zug-Einrede erfolgreich eingewendet; damit hat sie insofern einen nicht in Geld bestehenden Teilerfolg erreicht, dessen Wert im Einzelfall nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung einzuschätzen ist ( Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 118). Da hier fast der gesamte Verfahrensaufwand auf die Feststellung der Gegenforderung entfiel und sich letztlich von einem geltend gemachten Reparaturkostenbetrag von 5.000 EUR ein Betrag von 4.800 EUR als berechtigt herausstellte, wogegen die grundsätzliche Berechtigung des Herausgabebegehrens von Anfang an unstrittig blieb, ist es im Einzelfall sachgerecht, unter Heranziehung des Gesichtspunkts des Verfahrensaufwands (vgl 4 Ob 281/00b) die Beklagte hinsichtlich des Herausgabebegehrens nahezu zur Gänze als obsiegend anzusehen. Ihr gebührt daher dem Grunde nach vollständiger Kostenersatz. Zu den Einwendungen des Klägers nach § 54 Abs 1a ZPO ist auszuführen, dass der vorbereitende Schriftsatz der Beklagten vom 21. 3. 2014 ‑ von ihr nicht bestritten ‑ dem Kläger nicht innerhalb der Frist des § 257 Abs 3 ZPO zuging, sodass dafür keine Entlohnung zusteht ( G. Kodek in Fasching/Konecny ² § 257 ZPO Rz 37). Der Schriftsatz vom 30. 6. 2014 ist nach TP 2 RATG zu honorieren, weil er inhaltlich ‑ vom Kläger mit seinem Vorlageantrag veranlasst ‑ über eine bloße Urkundenvorlage hinausging; Portokosten sind nach § 23 Abs 1 RATG vom Einheitssatz umfasst. Mangels gerichtlichen Auftrags zur Beiziehung der Parteienvertreter ist die Befundaufnahme nach TP 7/2 RATG (vgl Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 692) zuzüglich einfachem Einheitssatz zu entlohnen; der Ersatz ist allerdings mit dem verzeichneten Kostenansatz begrenzt.
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