OGH 7Ob134/99b

OGH7Ob134/99b26.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert T*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die beklagte Partei M***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Siegfried Leitner und Dr. Rudolf Hammer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 42.025,60 sA und Feststellung (Feststellungsinteresse S 20.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 2. Februar 1999, GZ 5 R 327/98i-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 14. Mai 1998, GZ 3 C 2748/97i-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.524,32 (darin S 1.420,72 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, damals "S*****-Kaufmann", beauftragte einen Mitarbeiter des V*****-Versicherungsdienstes GmbH namens P***** mit dem Abschluss einer (Zusatz-)Krankenversicherung. Das entsprechende Antragsformular an die beklagte Partei hat der Kläger nie gesehen, sondern wurde es von Herrn P***** ausgefüllt und von diesem auch "i.A." unterfertigt. Zuvor fragte er den Kläger nach Größe und Gewicht; weitere Fragen zum Gesundheitszustand stellte er dem Kläger nicht. Im mit "nein" beantworteten Punkt 7.) des Antragsformulares werden an den Antragsteller umfangreiche Fragen zum Vorliegen einzeln angeführter Erkrankungen (auch in der Vergangenheit), unter anderem hinsichtlich der Verdauungsorgane gestellt, auch war ausdrücklich anzugeben, ob Erkrankungen bestehen, nach denen nicht ausdrücklich gefragt wurde.

Tatsächlich war beim Kläger im Jahr 1991 das letzte Mal vor der Antragstellung im Krankenhaus Bruck/Mur ein Magen- sowie Zwölffingerdarmgeschwür festgestellt worden. Dieses wurde medikamentös behandelt. Ende Februar 1997 hatte der Kläger eine stärkere Grippe und spürte auf der linken Körperseite einen Druck, weshalb er sich über Anraten seines Hausarztes für die Zeit vom 18.

3. bis 26. 3. 1997 in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder zur Durchuntersuchung begab. Dort gab der Kläger seine bisherigen Beschwerden, darunter auch den intermittierenden Nüchternschmerz und Sodbrennen nach dem Verzehr von fetten Speisen sowie den Umstand, dass er seit 12 Jahren mit dem Magen Probleme habe, an. Es wurde festgestellt, dass sich beim Kläger wiederum ein Zwölffingerdarmgeschwür entwickelt hat, das er zuvor nicht gespürt hatte. Die beklagte Partei lehnte eine Deckung aus dem vorliegenden Versicherungsvertrag für diesen Krankenhausaufenthalt ab und teilte dem Kläger mit, er habe im Aufnahmeantrag die Gesundheitsfragen unrichtig bzw unvollständig beantwortet, wodurch die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt worden sei, weshalb die beklagte Partei sich veranlasst sehe, mit sofortiger Wirkung vom Vertrag zurückzutreten.

Der Kläger hatte schon 1991 den *****-Versicherungsdienst zur Vertretung seiner Interessen und jener seiner Ehefrau und im Besonderen zum Abschluss und zur Kündigung von Versicherungsverträgen sowie zur Regulierung von Schadensangelegenheiten bis zum Erlöschen der Geschäftsverbindung bevollmächtigt.

Der *****-Versicherungsdienst arbeitet mit allen Versicherungen, die es am Versicherungsmarkt gibt, zusammen und hat für gewisse Sparten, darunter auch für Krankenversicherungen, mit Versicherungsunternehmungen Rahmenverträge, darunter auch mit der beklagten Partei, abgeschlossen.

In der Sparte Krankenversicherung hat der *****-Versicherungsdienst in den letzten beiden Jahren, bezogen auf das Gebiet der Steiermark und des südlichen Burgenlandes nahezu ausschließlich mit der beklagten Partei zusammengearbeitet. Der *****-Versicherungsdienst hat österreichweit, bezogen auf alle Sparten, ein Prämienaufkommen von S 59,000.000,--, davon entfallen S 2,100.000,-- auf die Sparte der Krankenversicherung, wovon wiederum auf mit der beklagten Partei abgeschlossene Versicherungsverträge ein Betrag von S 1,300.000,-- entfällt. Der österreichische Gesamtumsatz, bezogen auf sämtliche vom *****-Versicherungsdienst für die beklagte Partei vermittelten Versicherungsverträge, umfasst ein Prämienvolumen von ungefähr S 1,430.000„--.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung des der Höhe nach unstrittigen Betrages von S 42.025,60 sowie die Feststellung, dass der Krankenversicherungsvertrag zwischen den Streitteilen nach wie vor aufrecht bestehe. Der *****-Versicherungsdienst habe zum Zeitpunkt des Abschlusses ausschließlich mit der beklagten Partei derartige Krankenversicherungsverträge abgeschlossen. Diese Gesellschaft stehe in ständiger Geschäftsbeziehung mit der beklagten Partei, P***** sei somit ihr Versicherungsagent im Sinne des § 43 VersVG gewesen. Die beklagte Partei werfe ihm zu Unrecht eine Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten im Sinne des § 11 AVB vor und verweigere die Zahlung. Tatsächlich habe der Kläger am Zustandekommen des Versicherungsvertrages nicht mitgewirkt, sondern sei dieser ausschließlich durch P***** als Agenten der beklagten Partei abgeschlossen worden. Äußerungen zum Gesundheitszustand des Klägers seien von Seiten der beklagten Partei vom Agenten entgegengenommen worden; es liege somit eine Verletzung der Sorgfaltspflicht der beklagten Partei vor, für die sie selbst einzustehen habe. Den Kläger treffe an der unrichtigen Beantwortung der Fragen im Antragsformular kein Verschulden, weshalb kein Rücktritt vom Versicherungsvertrag möglich sei. Im Übrigen seien die Vorerkrankungen nicht so gravierend, dass die beklagte Partie bei wahrer Kenntnis davon abgehalten worden wäre, diesen Vertrag abzuschließen. Die beklagte Partei kooperiere in einer überwiegenden Sparte, nämlich der Krankenversicherung, mit dem *****-Versicherungsdienst, sodass zwischen den Beiden ein wirtschaftliches Naheverhältnis vorliege.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Nach ihren Behauptungen habe der Kläger der Firma V***** -Versicherungsdienst GesmbH Vollmacht zum Abschluss und zur Kündigung von Versicherungsverträgen erteilt. Dieses Unternehmen sei Handelsmäkler im Sinne der Bestimmungen der §§ 93 ff HGB und somit nicht nur auf Grund der Vollmacht, sondern auch von Gesetzes wegen Erfüllungsgehilfe des Klägers, sodass die vom Kläger behauptete Verletzung der Sorgfaltspflicht des Mitarbeiters des *****-Versicherungsdienstes P***** nicht der beklagten Partei, sondern dem Kläger zuzurechnen sei. Der zugrundeliegende Antrag sei von der V***** -Versicherungsdienst GmbH im Auftrag und im Vollmachtsnamen des Klägers unterfertigt worden. Der Punkt 7.) des Antragsformulares enthalte Fragen nach Vorerkrankungen, die vom vom Kläger beauftragten Handelsmäkler mit "keine" beantwortet worden seien. Den unabhängig davon enthaltenen Fragenkatalog habe der Antragsteller mit "nein" angekreuzt und damit ausdrücklich erklärt, bis zum Zeitpunkt der Antragstellung an keiner bezughabenden Vorerkrankung erkrankt gewesen zu sein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, dass dem *****-Versicherungsdienst auf Grund der bestehenden Courtagevereinbarung die Stellung eines Versicherungsagenten zukomme und somit in Entsprechung hiezu entwickelter Judikatur als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei zu qualifizieren sei, weshalb die beklagte Partei für die Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten durch den Versicherungsagenten einzustehen habe. Es begründe kein Verschulden des Versicherungsnehmers, wenn er Belehrungen oder Beratungen eines Agenten gefolgt sei, so beispielsweise bei unklaren oder schwer zu beantwortenden Fragen eines Antragsformulars. Weil der Versicherungsagent die genannten Fragen dem Kläger nicht gestellt habe, liege kein Verschulden des Klägers an der behaupteten Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vor, weshalb die Rechtsfolgen des Rücktritts vom Versicherungsvertrag gemäß des § 11 Abs 2 AVB nicht eintreten könnten und der Versicherungsvertrag nach wie vor aufrecht bestehe.

Das Berufungsgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil in eine Abweisung des Klagebegehrens ab. Es erklärte die Erhebung der Revision für zulässig. Während nach der früheren Rechtslage ein Versicherungsvermittler bei Abschluss einer Courtagevereinbarung mit einer bestimmten Versicherung bereits als Versicherungsagent im Sinne des § 43 Abs 1 VersVG anzusehen gewesen sei, weil damit das wirtschaftliche Naheverhältnis zum Versicherer gegeben sei, treffe dies seit Inkrafttreten des MaklG nicht mehr zu. Die übliche Rahmenprovisionsvereinbarung, die keine Vermittlungsverpflichtung in sich berge, sondern lediglich im Vorhinein festlege, welche Provisionen der Vermittler im Falle eines erfolgreichen Tätigwerdens für die Vereinbarung erhält, allein führe zu keiner ständigen verpflichtenden Betrauung durch die jeweiligen Versicherer und beeinträchtige daher nicht das den Makler ausmachende Wesensmerkmal des Fehlens einer ständigen Betrauung mit der Vermittlungstätigkeit. Nur eine solche Dauerverpflichtung zum Tätigwerden für den Versicherer "störe" die Maklereigenschaft und mache den Vermittler zum Versicherungsagenten im Sinne der §§ 43 ff VersVG. Auch stehe nicht fest, dass der *****-Versicherungsdienst in einem wirtschaftlichen Naheverhältnis zur beklagten Partei gestanden sei oder stehe. Im Bereich der Krankenversicherung erreiche das von ihm vermittelte Prämienvolumen nur 3,6 % aus den von ihm versicherten Vermittlungsverträgen, worauf auf die beklagte Partei ingesamt nur 2,2 % entfielen. Beim V*****-Versicherungsdienst handle es sich um ein in Salzburg registriertes Unternehmen mit dem Ziel, seinen Kunden die besten Versicherungsleistungen mit den günstigsten Prämien anzubieten. Dabei arbeite dieses Unternehmen mit allen Versicherungen zusammen. Der *****-Versicherungsdienst sei daher als Versicherungsmakler im Sinne des § 26 Abs 1 MaklG anzusehen. Dies bedeute wiederum, dass der V*****-Versicherungsdienst als Vermittler Hilfsperson und somit Interessenswahrer des Klägers als Versicherungsnehmer sei. Als solcher trete der Makler als Erfüllungsgehilfe des Versicherungsnehmers und daher des Klägers auf, das wiederum bedeute, dass der Kläger der beklagten Partei gegenüber für die Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten durch den Versicherungsmakler einzustehen habe. Die falsche Beantwortung der vom Versicherer im Antragsformular gestellten Frage nach Vorerkrankungen falle daher dem Kläger zur Last. Für die Obliegenheitsverletzung wegen Unterbleibens der geforderten Information genüge bereits leichte Fahrlässigkeit. Im vorliegenden Fall habe der Mitarbeiter des *****-Versicherungsdienstes den Kläger nur oberflächlich über seinen Gesundheitszustand befragt und dadurch entgegen den Tatsachen diese Fragen im Auftragsformular unrichtig beantwortet. In dieser Vorgangsweise sei zweifellos ein Verschulden begründet. Da jeder Umstand, nach dem der Versicherer frage, im Zweifel als erheblich gelte und der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass dieser betreffende Umstand überhaupt nicht geeignet gewesen sei, den Annahmebeschluss des Versicherers zu beeinflussen bzw dass der Versicherer diesen Umstand bereits gekannt habe, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen. Überhaupt seien nach § 6 Abs 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegten AVB Krankheiten und Unfallsfolgen, die schon vor Versicherungsbeginn entstanden seien, aber erst nach Versicherungsbeginn zu einer Heilbehandlung führten, nur nach Maßgabe des § 11 der AVB in den Versicherungsschutz mit einbezogen. Nach § 11 Abs 1 AVB habe der Versicherungsnehmer bei Antragstellung alle erheblichen Gefahrenumstände anzuzeigen.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision wäre nur darin beizupflichten, dass der Beurteilung der Stellung des *****-Versicherungsdienstes in Bezug auf die beklagte Partei entscheidende Bedeutung zukommt.

Der Versicherungsmakler im Sinne der §§ 26 ff MaklerG, RV BlgNR 2 20. GP, 13) wird bei einer wie vorliegender Sachverhaltslage als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als "Bundesgenosse" des Versicherten dessen Interessen zu wahren (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht 3, 105 f; Fenyves, Die Haftung des Versicherungsmaklers nach österreichischem Recht in Fenyves/Koban [HrsG] Die Haftung des Versicherungsmakler, 5 f; RV zum MaklerG aaO, 29; vgl zur deutschen Rechtslage etwa jüngst Zinnert, Das Recht des Versicherungsmakler am Anfang des 21. Jahrhundert VersR 2000, 399).

Davon zu unterscheiden wäre der Versicherungsagent im Sinne des § 43 VersVG, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen, damit zu der Versicherung ein Naheverhältnis hat und der der Sphäre des Versicherers zugerechnet wird (vgl RV zum MaklerG aaO, 29; Schauer aaO 97 ff; Grassl, Maklerrecht für Mehrfachagenten RdW 1999, 445 uva).

Die Abgrenzung ist anhand der Festlegung des Begriffes des Versicherungsagenten nach § 43 VersVG vorzunehmen (vgl § 26 Abs 3 MaklerG), wobei das MaklerG noch ergänzend vorsieht, dass alleine das Bestehen einer Rahmenprovisionsvereinbarung noch nicht die Annahme eines unabhängigen Versicherungsmaklers ausschließt (vgl § 26 Abs 1 MaklerG).

Allerdings ist auch festgelegt, dass der Versicherer selbst für den Makler iSd Abgrenzung haftet, wenn das wirtschaftliche Naheverhältnis zum Makler so intensiv ist, dass es zweifelhaft scheint, ob dieser in der Lage ist, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (vgl § 43a VersVG; vgl zu der von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Abgrenzung etwa BGH 22. 9. 1999 zfs 2000, 67; Baumann, Ist der Versicherungsmakler Auge und Ohr des Versicherers NVersZ 2000, 116; Reusch, Wie weit reicht der Auge- und Ohr-Grundsatz ? NVersZ 2000, 120). Hier hat sich nun der Kläger auf ein solches wirtschaftlichen Naheverhältnis gestützt, dies aber nicht unter Beweis stellen können.

Es ist daher davon auszugehen, dass vom Beklagten ein unabhängiger Versicherungsmakler beauftragt wurde. Zusätzlich zum reinen Vermittlungsauftrag können damit noch weitere Vollmachten auch konkludent erteilt werden (vgl Prölss/Martin aaO Anh zu §§ 43-48 Rz 8 mwN). Hier hat nun der klagende Versicherungsnehmer seinen Versicherungsmakler auch noch mit der Ausfüllung des Versicherungsantrages beauftragt. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, hat der Vollmachtsgeber die Fahrlässigkeit seines Vollmachtnehmers zu vertreten, wobei bei Verletzung der Anzeigeobliegenheiten bereits leichte Fahrlässigkeit genügt (vgl zuletzt 7 Ob 69/00y mwN). Die falsche Beantwortung einer vom Versicherer gestellten Frage ohne vorherige Absprache mit dem Versicherungsnehmer begründet zumindest leichte Fahrlässigkeit. Da alles, was der Versicherer in Erfahrung bringen will, im Zweifel als erheblich gilt, ist das Verschweigen von andauernden Erkrankungen des Magen-Darmtraktes die bis zur Ausbildung eines Zwölffingerdarmgeschwüres geführt haben, als Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten zu qualifizieren. Dementsprechend war die beklagte Partei berechtigt, die Deckung aus dem vorliegenden Versicherungsfall zu verweigern und den Versicherungsvertrag zur Auflösung zu bringen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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