OGH 7Ob127/13x

OGH7Ob127/13x3.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. mj F***** W*****, 2. mj B***** W***** und 3. H***** T*****, alle: *****, vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in Melk, gegen den Gegner der gefährdeten Partei F***** W***** sen., p.A. *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ehrnberger, Rechtsanwalt in Purkersdorf, wegen einstweiliger Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 30. April 2013, GZ 23 R 179/13s‑25, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 29. März 2013, GZ 2 C 6/13y-17, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00127.13X.0703.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Gegner der gefährdeten Parteien hat den gefährdeten Parteien die mit 855,77 EUR (darin 142,63 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Begründung

Die einstweilige Verfügung gegen den Großvater der beiden minderjährigen Antragsteller erließ das Rekursgericht nach „§§ 382 b und e EO“ in Abänderung der Punkte 1. und 5. des erstgerichtlichen Beschlusses (auch) hinsichtlich des Auftrags, die gemeinsam bewohnte Liegenschaft zu verlassen, und ein Rückkehrverbot. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil nach der erheblichen Erweiterung des Personenkreises durch das 2. Gewaltschutzgesetz ‑ wonach es nur noch darauf ankomme, ob eine häusliche Gemeinschaft vorliege ‑ aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, wie intensiv das zu 10 Ob 103/98i geforderte „Naheverhältnis“ sein müsse, um die Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch ist der Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht zulässig, weil er keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darlegt. Die Zurückweisung seines Rechtsmittels kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO).

Der Rechtsmittelwerber geht nicht von dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, sondern davon aus, dass „im hier vorliegenden Spezialfall ja gerade die Familien durch die Ausgedingevereinbarung getrennt“ worden seien. Auch im Provisorialverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechtsinstanz (nicht hingegen Tatsacheninstanz) und an den vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt gebunden (RIS-Justiz RS0002192; 7 Ob 14/12b; 7 Ob 195/12w).

Nach der allein maßgebenden Tatsachengrundlage besteht jedoch nicht der geringste Zweifel, dass der Antragsgegner als Ausgedingsberechtigter die Liegenschaft gemeinsam mit seinem ausgedingsverpflichteten Sohn und dessen Lebensgefährtin (der Drittantragstellerin) sowie ihren gemeinsamen Kindern (der Erstantragstellerin und dem Zweitantragsteller) bewohnte: Waren doch ein persönlicher Kontakt (beim Betreten und Befahren des Hofes) und ein Aufeinandertreffen (bei geschuldeten Ausgedingsleistungen) „unvermeidlich“. Beim Zusammenleben kam es ja zu den im Sachverhalt detailliert dargelegten Konflikten, wie etwa zu „beinahe täglichen“ Streitereien (vor allem wegen der Ausgedingsleistungen), bei denen der Antragsgegner schnell sehr zornig und aggressiv wird, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen abläuft. Nunmehr ist (seit der Eskalation am 7. 3. 2013, wo der Antragsgegner nach dem hier als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ‑ im Zorn ‑ seinen PKW startete und mit durchdrehenden und quietschenden Reifen direkt auf die Kinder und deren Hund zufuhr, sodass diese zur Seite sprangen und davonliefen) die Angst der Minderjährigen so groß, dass sie im Bett ihrer Eltern schlafen und eines der Kinder begonnen hat, Bett zu nässen. Auch die Drittantragstellerin fürchtet die schweren Beschimpfungen und aufdringlichen Forderungen des Antragsgegners nach prompter Erledigung seiner Wünsche und ist durch die Tatsache, dass er wiederholt im Hof und im Stall „auch groß hinmacht“ (selbst wenn es die Kinder sehen können), psychisch erheblich belastet.

Demgegenüber meint der Antragsgegner, er lebe „alleine in seinen Ausgedingsräumlichkeiten“, während die Familie des „Nachfahren“ in ihrem Familienverband in eigenen Räumlichkeiten lebe, und will daraus ableiten, dass kein Naheverhältnis wie in einer häuslichen Gemeinschaft bestehe. Er entfernt sich damit von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung, sodass darauf nicht einzugehen ist, weil dem Revisionsrekursgericht ‑ wie ausgeführt ‑ eine Überprüfung der Beweiswürdigung verwehrt ist (RIS-Justiz RS0002192 [T17, T27]).

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit weiteren Zusammenlebens gemäß § 382b EO, was auch für das weitere Zusammentreffen gemäß § 382e EO gilt, auf das Ausmaß, die Häufigkeit und Intensität der angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe und bei (ernst gemeinten oder als solche verstandenen) Drohungen auf die Wahrscheinlichkeit deren Ausführung an: Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, desto eher wird nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es ‑ ohne weitere „einschlägige“ Vorkommnisse ‑ zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man dem Betroffenen das weitere Verbleiben oder Zusammentreffen zumuten können (7 Ob 195/12w; 7 Ob 14/12b mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0110446).

Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person unzumutbar ist, stellt aber keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar (vgl RIS‑Justiz RS0123926; RS0118857), und die bekämpfte Beurteilung liegt im Rahmen der zitierten Rechtsprechung (10 Ob 103/98i; vgl auch RIS‑Justiz RS0057036; RS0109529):

Anders als nach § 382e EO, auf dessen Interessenabwägung sich der Antragsgegner weiterhin beruft, bedarf es einer solchen bei einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO nämlich nicht (vgl dazu 7 Ob 201/11a; RIS‑Justiz RS0127363); hat doch eine Abwägung, ob das Wohnbedürfnis des Antragstellers oder des Antragsgegners „dringend“ ist, nicht stattzufinden (7 Ob 6/13b mwN).

Mangels erheblicher Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 2 EO und §§ 50, 41 ZPO. Die Antragsteller haben in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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