OGH 7Ob110/19f

OGH7Ob110/19f28.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch sie Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft H*, vertreten durch Dr. Stephan Hieke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Brandstetter, Baurecht, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG in Wien, und deren Nebenintervenienten Architekt DI E* B*, vertreten durch Fidi Unger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 217.800 EUR sA, infolge der außerordentlichen Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Mai 2019, GZ 133 R 26/19z‑26, womit das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Dezember 2018, GZ 20 Cg 33/17g‑21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126256

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Die Revision wird in Ansehung der von der A* V* GmbH abgetretenen Klagsforderung (3.003 EUR sA) zurückgewiesen.

2. In Ansehung der übrigen Klagsforderungen, jeweils samt Anhang, wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

Die Beklagte errichtete als Bauträgerin und Wohnungseigentumsorganisatorin eine Wohnungseigentumsanlage. Die ursprünglichen Wohnungseigentümer, das heißt Vertragspartner der Beklagten als Bauträgerin waren:

Top 1 und Stellplatz 17 B* I*; Top 2 und Stellplatz 8 DI J* und T* P*; Top 3 und Stellplatz 15 Mag. C* K*; Top 4 und Stellplatz 2 M* N*; Top 5 und Stellplatz 9 Dr. J* und G* W*; Top 6 und Stellplatz 16 T* M*; Top 7 und Stellplatz 10 Dr. M* G*; Top 8 und Stellplatz 19 Dr. E* P*; Top 9 und Stellplätze 6 und 7 P* GmbH; Top 10 und Stellplätze 3 und 4 Mag. A* und S* S*; Top 11 und Stellplatz 14 A* W*; Top 12 und Stellplatz 18 Dr. H* A*; Top 13 und Stellplatz 5 Dr. R* P*; Top 14 und Stellplätze 11 und 12 Dr. F* und B* I*; Stellplätze 1, 13 und 20 A* V* GmbH.

Sämtliche der Genannten traten ihre Schadenersatzansprüche betreffend Garage und Gebäude aus ihren Kaufverträgen mit der Beklagten an die Klägerin ab.

Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrt die Zahlung von 217.800 EUR sA an Kosten einer ordnungsgemäßen und notwendigen Schadensbehebung. Grundlage des Eigentumserwerbs an den einzelnen Wohnungen (und Kfz‑Abstellplätzen) seien die jeweils gesondert zwischen der Beklagten und dem/den jeweiligen Mit‑ und Wohnungseigentümern abgeschlossenen Kaufverträge. Die Beklagte habe bei Errichtung der Wohnhausanlage die Garage 2004 nicht dem Stand der Technik entsprechend errichtet. Aufgrund mangelhafter Betonabdichtungen gebe es Nässeschäden am Mauerwerk und eine beginnende Korrosion des Bewehrungsstahls. Die Beklagte habe ihre Warnpflicht dadurch verletzt, dass sie es unterlassen habe, auf nicht ausreichende Normen zur Hintanhaltung von Nässeschäden hinzuweisen. Der Schaden habe sich langsam und stetig entwickelt. Kenntnis von Schaden und Schädiger bestehe seit Juni 2014.

Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandten insbesondere Verjährung ein.

Mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO sprach das Erstgericht aus, dass das erhobene Zahlungsbegehren nicht verjährt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

1. Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern auch allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach der ständigen Rechtsprechung können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüche geltend machen, ohne dass diesbezüglich die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müssen (RS0082907; RS0119208; RS0108157). Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist allerdings ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (RS0108158; RS0108157 [T6, T7, T10, T14, T16]; RS0082907 [T7, T13]).

Die Klägerin macht ausdrücklich Schadenersatz (Ersatz des Sanierungsaufwands) geltend. Ein dem zustimmender Mehrheitsbeschluss wurde eingeholt.

1.2 Bei Geldforderungen, wie einem ganz allgemein auf Geld gerichteten Schadenersatzanspruch, einem Begehren auf Ersatz der Verbesserungskosten oder des Sanierungsaufwands oder einem Preisminderungsbegehren, steht dem einzelnen Wohnungseigentümer nur ein aliquoter, seinem Miteigentumsanteil entsprechender Anspruch zu (5 Ob 21/09p, 5 Ob 40/18w je mwN).

1.3 Aus der unstrittigen Urkunde Beilage ./A ergeben sich die Miteigentumsanteile der Mit‑ und Wohnungseigentümer und damit die den Miteigentumsanteilen entsprechenden Ansprüche wie folgt:

Mit‑ und Wohnungseigentümer Anteile Forderung:

B* I* 70/2031 7.507,-- EUR

Eigentümerpartner

J* und

T* P* 205/2031 21.984,-- EUR

 

Mag. C* K* 143/2031 15.335.-- EUR

 

M* N* 169/2031 18.123,-- EUR

 

Eigentümerpartner

Dr. J* und G*

W* 90/2031 9.651,-- EUR

 

T* M* 154/2031 16.515,-- EUR

 

Dr. M* G* 107/2031 11.472,-- EUR

 

Dr. E* P* 142/2031 15.228,-- EUR

 

P*

GmbH 92/2031 9.866,-- EUR

 

Eigentümerpartner

Mag. A* und

S* S* 153/2031 16.408,-- EUR

 

A*

W* 102/2031 10.938,-- EUR

 

Dr. H*

A* 137/2031 14.692,-- EUR

 

Dr. R* P* 206/2031 22.091,-- EUR

 

Eigentümerpartner

Dr. F* und

B* I* 233/2031 24.987,-- EUR

 

A*

V* GmbH 28/2031 3.003,-- EUR

 

2.1 Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche sind nach dem Klagsvorbringen die von den ursprünglichen Erwerbern mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufverträge. In einem solchen Fall ist – wie ausgeführt – nur der Erwerber und nicht die dingliche Rechtsgemeinschaft forderungsberechtigt (RS0082907 [T5]; 6 Ob 115/18g).

2.2 § 18 Abs 2 WEG sieht aber ausdrücklich vor, dass die Wohnungseigentümer die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüche an die Eigentümergemeinschaft abtreten können, wodurch die Eigentümergemeinschaft diese Ansprüche erwirbt und im eigenen Namen geltend machen kann. Die Abtretung kann sowohl Ansprüche bezüglich allgemeiner Teile der Liegenschaft, als auch solche bezüglich der einzelnen Wohnungseigentumsobjekte umfassen (6 Ob 115/18g).

3.1 Durch eine Zession ändert sich der Schuldinhalt nicht (§ 1394 ABGB). Insbesondere kommt es dadurch zu keiner Änderung für die Belange des Prozesses (3 Ob 2/11g mwN). Es ändert sich weder die Zulässigkeit des Rechtswegs noch die Rechtsmittelzulässigkeit (2 Ob 21/17b). Das gilt insbesondere für die Frage der Zusammenrechnung mehrerer Forderungen: Gleichartige Forderungen verschiedener Gläubiger, die einem Einzelnen abgetreten werden, sind nicht allein wegen dieser Abtretung zusammenzurechnen (RS0042882). Die prozessuale Lage ist insofern nicht anders, als wenn diese Forderungen von den ursprünglich Berechtigten – als Streitgenossen – geltend gemacht würden (RS0042882 [T2]; 2 Ob 21/17b mwN).

3.2 Eine solche Zusammenrechnung hätte nach § 55 Abs 1 Z 2 JN zu erfolgen, wenn die ursprünglich Berechtigten eine materielle Streitgenossenschaft im Sinn von § 11 Z 1 ZPO gebildet hätten, wenn sie also in Rechtsgemeinschaft gestanden oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt gewesen wären.

3.2.1 Eine Rechtsgemeinschaft als materielle Streitgenossenschaft muss sich nach der Rechtsprechung auf den Streitgegenstand „im engeren Sinn“ beziehen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Rechtsgemeinschaft im bloßen Vorfragenbereich nicht genügt (RS0035355, 1 Ob 267/02z mwN). Eine Rechtsgemeinschaft in Ansehung des Streitgegenstands liegt bei den hier – nach erfolgter Wahl des Ersatzes des Sanierungsaufwands – auf Geld gerichteten Schadenersatzansprüchen der einzelnen Mit‑ und Wohnungseigentümer, die die Grundlage in den jeweiligen Kaufverträgen haben, nicht vor (vgl 5 Ob 119/11b).

3.2.2 Dass sich die Ansprüche aus einem tatsächlichen Grund ergeben, erfordert das Vorliegen eines einheitlichen rechtserzeugenden Sachverhalts (RS0035528 [T1]; 4 Ob 104/11i). Liegt nur eine formelle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO vor, kommt es selbst dann nicht zu einer Zusammenrechnung, wenn die geltend gemachten Ansprüche in einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stehen (RS0035528 [T9]; 7 Ob 85/15y, 2 Ob 21/17b). Die Mit‑ und Wohnungseigentümer wären auch nicht aus demselben tatsächlichen Grund berechtigt, leiten sich ihre Forderungen zwar aus gleichartigen, aber doch jeweils getrennten Vertragsverhältnissen ab (vgl RS0035528 [T8]), sodass der den jeweiligen Klagebegehren jeweils zugrunde liegende rechtserzeugende Sachverhalt nicht derselbe ist.

3.3 Anders verhält es sich nur hinsichtlich des gemeinsamen Wohnungseigentums von Eigentümerpartnern nach § 13 WEG, deren Ansprüche im selben Kaufvertrag gründen.

3.4 Die Klägerin bündelt – zulässigerweise – gleichartige Ansprüche, deren ursprünglich Berechtigte aber wegen der Verfolgung ihres jeweils eigenen Schadens nur formelle Streitgenossen gewesen wären. Damit hat eine Zusammenrechnung – mit Ausnahme der Ansprüche der Eigentümerpartner – zu unterbleiben. Der Bewertungs‑ und Zulassungsanspruch hat sich daher auf jede einzelne der abgetretenen Forderung zu beziehen.

4. Die Revision ist jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO). Die Revision ist daher in Ansehung des unter Punkt 1. des Spruchs genannten Klagsforderung jedenfalls unzulässig, weil diese 5.000 EUR nicht übersteigt.

5. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Streitgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RS0109623). Die übrigen Klagsforderungen der Mit‑ und Wohnungseigentümer übersteigen – unter Zusammenrechnung der Ansprüche der jeweiligen Eigentümerpartner nach § 13 WEG – zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. In Ansehung dieser Forderungen war daher der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

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