OGH 7Ob105/12k

OGH7Ob105/12k17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Verlassenschaft nach der am 9. August 2011 verstorbenen E***** B*****, zuletzt *****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen den Antragsgegner Dr. G***** F*****, vertreten durch Mag. Josef Hofinger und Dr. Roland Menschick, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen 15.579,44 EUR, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 10. April 2012, GZ 3 R 13/12w‑67, womit infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 23. November 2011, GZ 20 Nc 50/09t‑63, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen. Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die während des Verfahrens verstorbene E***** B***** war Eigentümerin der Waldgebiete W*****, H***** und B***** (P*****, KG A*****). Der Antragsgegner ist Pächter dieser zum genossenschaftlichen Jagdgebiet A***** gehörenden Waldgebiete.

Mit Wildschadensmeldung vom 19. 5. 2009 machte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner als Jagdleiter des genossenschaftlichen Jagdgebiets Wildschäden im Ausmaß von 15.579,44 EUR geltend.

Die Jagd‑ und Wildschadenskommission beim Gemeindeamt A***** setzte die vom Antragsgegner zu zahlende Entschädigung mit Bescheid vom 3. 8. 2009 mit 1.000 EUR fest.

Mit am 14. 8. 2009 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz beantragte die Antragstellerin, die vom Antragsgegner zu leistende Entschädigung für die Wildschäden mit 15.579,44 EUR festzusetzen und den Antragsgegner zur Zahlung dieses Betrags zu verpflichten. Die Jagd‑ und Wildschadenskommission habe die Schadenshöhe unrichtig ermittelt.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung. Es seien keine Wildschäden, insbesondere keine Fege‑ oder Verbissschäden ‑ schon gar nicht im geltend gemachten Umfang ‑ entstanden, die die Naturverjüngung beeinträchtigen würden.

Das Erstgericht gab ein schriftliches Gutachten eines Sachverständigen für Forst‑ und Holzwirtschaft in Auftrag, in dem dieser den Schaden unter Heranziehung der Richtlinien der Oberösterreichischen Landesregierung zur Bewertung von Verbiss‑ und Fegeschäden im Wald mit 13.890,10 EUR ermittelte. Nach mündlicher Erörterung des Gutachtens in der Tagsatzung vom 14. 10. 2010 erstattete der Sachverständige ein schriftliches Ergänzungsgutachten, in dem er die Differenz zwischen dem Ertragswert der Flächen ohne Schaden und mit Schaden mit 3.675 EUR berechnete.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung von 3.675 EUR sA. Das Mehrbegehren von 11.904,44 EUR wies es ab. Nach dem Oö JagdG werde das Wild als Mitnutzer des Ökosystems akzeptiert. Verbiss bei einer art‑ und forstgerechten Population könne daher nicht zum Schadenersatz führen. Das Jagdrecht stehe dem Grundeigentümer zu. Es sei Ausfluss des Umstands, dass das Wild unbeweglicher Bestandteil des Waldes sei und werde vom Grundeigentümer auch durch Verpachtung genutzt. Ein Eigenjagd ausübender Grundeigentümer müsse den Wildschaden selbst tragen. Daher stelle sich die Frage nach dem Ertragswert der angeblich geschädigten Waldflächen, also nach dem hypothetischen Reinertrag ohne Schaden und dem tatsächlichen Reinertrag mit den schädigenden Einflüssen (Differenztheorie). Es sei nur der gemeine Wert, also der positive Schaden zu ersetzen, der durch eine Differenzrechnung zu ermitteln sei. Kern der Differenzmethode sei, dass das Vermögen des Geschädigten vor und nach der Schädigung gleich sein solle. Keinesfalls dürfe der Geschädigte eine Bereicherung erfahren. Da das Oö JagdG keine spezifischen Haftungsregeln enthalte, würden die allgemeinen Grundsätze des Schadenersatzes des ABGB gelten. Der Antragstellerin sei daher allein die Differenz zwischen dem Ertragswert der Flächen ohne Schaden und mit Schaden zuzusprechen.

Über Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen die Abweisung von 11.904,44 EUR hob das Rekursgericht den Beschluss im angefochtenen Umfang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Die gegen den Antrag der Antragstellerin unterlassene weitere Erörterung des schriftlichen Gutachtens stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Strittig sei, wie die Schadensermittlung zu erfolgen habe und nach welchen rechtlichen Grundsätzen Gutachter die Beurteilung des Schadensausmaßes vorzunehmen hätten. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 68 Abs 5 zweiter Satz Oö JagdG („ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung“ eingetreten sei) sei nach der Schwere des Eingriffs zu differenzieren. Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung sei die Einzelstammschädigung nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen (zu unterscheiden von der Einzelbaum‑Stammbewertung eines Edel‑ oder Zierholzbaums in einem Garten) als geringstes Niveau der Entschädigung. Sollte durch den Eingriff bereits ein größerer Schaden, nämlich eine Bestandesschädigung oder ein noch größerer Schaden in Form einer betriebswirtschaftlichen Schädigung vorliegen, so gebühre ‑ unter der Voraussetzung, dass ein solcher begehrt werde ‑ ein darüber hinausgehender Schadenersatz. Nach der genannten Bestimmung könne die Landesregierung nähere Richtlinien für die Feststellungs‑ und Berechnungsmethoden erlassen. Die „Richtlinien der Oö Landesregierung zur Bewertung von Verbiss‑ und Fegeschäden im Wald“ enthielten nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen aufgestellte Richtwerte für pauschalierte Forstbetriebe zur Bewertung von Einzelstammschädigungen. Da die Antragstellerin nicht vorgebracht habe, dass der Eingriff bereits zu einer Bestandesschädigung oder einem betriebswirtschaftlichen Schaden geführt habe, sondern vielmehr Ersatz für eine Einzelstammschädigung nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen unter Bezugnahme auf die Richtlinien begehre, sei der Schaden nach diesen Richtlinien zu bewerten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur dazu fehle, wie die Schadensbewertung nach § 68 Abs 5 Oö JagdG zu erfolgen habe.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses:

Den Parteien steht ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bekämpfen, sondern auch dann, wenn sie lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anfechten, obwohl sich diese nur aus den Gründen des Beschlusses ergeben, da nicht nur die Aufhebung selbst, sondern auch eine nachteilige Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien beeinträchtigt (RIS‑Justiz RS0007094).

Der Antragsgegner wendet sich ausdrücklich gegen die zweitinstanzliche Lösung der den Zulassungsausspruch begründenden Rechtsfrage. Der Revisionsrekurs ist zulässig.

II. Zur Sache:

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 65 Abs 1 und 2 Oö JagdG hat der Jagdberechtigte alle entstandenen Jagd‑ und Wildschäden, die von jagdbaren Tieren an Grund und Boden und noch nicht eingebrachten Erzeugnissen innerhalb des Jagdgebiets verursacht wurden, in dem in diesem Gesetz bestimmten Ausmaß zu ersetzen, soweit keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden.

§ 68 Oö JagdG („Schadensermittlung“) lautet:

„(1) Der Ermittlung von Jagd‑ und Wildschäden ist der ortsübliche Marktpreis der beschädigten oder vernichteten Erzeugnisse zugrunde zu legen.

(2) Wenn Jagd‑ oder Wildschäden an Getreide und anderen Bodenerzeugnissen, deren voller Wert sich erst zur Zeit der Ernte bemessen läßt, vor diesem Zeitpunkt verursacht werden, ist der Schaden in dem Umfange zu ersetzen, in dem er sich zur Zeit der Ernte darstellt. Der Wildschaden an den der Futtererzeugung dienenden Wiesen, Weiden und Ackerflächen ist jedoch in dem Umfange festzusetzen, wie er sich zur Zeit der Verursachung des Wildschadens darstellt.

(3) Erreicht jedoch der Jagd‑ oder Wildschaden ein solches Ausmaß, daß ohne Umbruch und ohne Anbau einer anderen Frucht ein entsprechender Ernteertrag nicht mehr zu erwarten ist, so hat der Jagdausübungsberechtigte die für den Anbau erforderliche Arbeit sowie das hiefür aufzuwendende Saatgut und den sich allfällig ergebenden Minderertrag des zweiten Anbaues zu ersetzen.

(4) Wildschaden an erntereifen oder schon geernteten, aber noch nicht eingebrachten Erzeugnissen ist dann nicht zu ersetzen, wenn erwiesen ist, daß zur Zeit, zu der der Schaden verursacht wurde, die Erzeugnisse bei ordentlicher Wirtschaftsführung bereits hätten eingebracht werden können und sollen, oder daß, sofern er sich um Erzeugnisse handelt, welche auch im Freien aufbewahrt werden können, Vorkehrungen mangelten, durch die ein ordentlicher Landwirt diese Erzeugnisse vor Wildschaden zu schützen pflegt.

(5) Wildschäden im Walde (an Stämmen, Pflanzungen, natürlichen Verjüngungen, Vorkulturen usw.) sind nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten. Hiebei ist zwischen Verbiß‑, Fege‑ und Schälschäden zu unterscheiden und zu berücksichtigen, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten ist. Die Landesregierung kann nähere Richtlinien für die Feststellungs‑ und Berechnungsmethoden erlassen.“

Die auf § 68 Abs 5 letzter Satz von der Oö Landesregierung herausgegebenen Richtlinien vom 1. 11. 2008 zur Bewertung von Verbiss‑ und Fegeschäden für pauschalierte Betriebe sehen eine Ermittlung der Schadenshöhe unter Berücksichtigung durchschnittlicher Kostenwerte je nach Pflanze, Schädigungsgrad, Wuchsalter, Kulturpflege und Standortgüte vor.

Der Antragsgegner argumentiert zusammengefasst, dass § 68 Abs 5 Oö JagdG in Verbindung mit diesen Richtlinien keine abschließende Regelung der Schadensberechnung für Wildschäden enthalte, sodass auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regelungen zurückzugreifen sei. Danach sei der Schaden „objektiv‑konkret“ zu berechnen und auf den konkreten Nutzungsentgang im Vermögen des geschädigten Waldeigentümers abzustellen. Keinesfalls sei der Schaden abstrakt zu berechnen, weil dies häufig zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten führen würde. Das Rekursgericht hätte daher die Entscheidung des Erstgerichts, der eine „objektiv‑konkrete“ Schadenserhebung zu Grunde gelegt worden sei, bestätigen müssen.

Das Oö JagdG sieht gleich anderen österreichischen Landesjagdgesetzen eine verschuldensunabhängige Schadenersatzpflicht der Jagdausübungsberechtigten vor. Die solcherart geregelte Haftung für Wildschäden beruht auf zwei Gedanken: 1. Es spielt das Moment der Gefährlichkeit der Tiere eine Rolle; 2. Es wird dem Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigten die Abwehr des Schadens durch Tötung der Tiere genommen, sodass ihm als Ausgleich für das Verbot derartiger Maßnahmen ein Ersatzanspruch gegeben wird (RIS‑Justiz RS0090616, Koziol, Haftpflichtrecht² II 413).

Auf Grund dieser Besonderheiten ist es auch sachlich begründet, das Schadenersatzrecht für Wildschäden einer speziellen, von den Schadenersatzbestimmungen des ABGB allenfalls abweichenden Regelung zu unterziehen. Dazu ist der Landesgesetzgeber als Jagdgesetzgeber nach Art 15 Abs 9 B‑VG zuständig (VfGH B 320/99; B 729/06; B 239/09 je mwN).

Richtig ist, dass die landesgesetzlichen Jagdrechte die verschiedenen Fragen des Wildschadensersatzrechts nicht umfassend regeln. Es ist damit nicht ausgeschlossen, bei der Festsetzung der Verantwortlichkeit des Jagdberechtigten allgemeine Rechtsgrundsätze zur Anwendung zu bringen, die für jedes Schadenersatzrecht als gültig anzusehen sind; dies insbesondere im Zusammenhang mit der Möglichkeit eines Vergleichs oder Verzichts, der Frage des Rückgriffsrechts gegenüber dem an dem Schaden unmittelbar Schuldtragenden oder der Berücksichtigung eines Mitverschuldens (9 Ob 9/11f mwN).

Zentrale Frage des vorliegenden Falls ist jedoch, ob der Oö Landesgesetzgeber die Berechnung des Wildschadens im Wald objektiv‑abstrakt oder subjektiv‑konkret vorsieht. Denn zu dieser Frage sind in erster Linie die in den Jagdgesetzen enthaltenen Schadensbemessungsregelungen heranzuziehen (Binder, Jagdrecht 1992, 106).

Bei objektiv‑abstrakter Berechnung des Schadens ist der „gemeine Wert“ einer Sache im Zeitpunkt der Schädigung ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände im Vermögen des Geschädigten zu ersetzen. Bei subjektiv‑konkreter Berechnung hingegen werden die Auswirkungen des schädigenden Ereignisses auf das konkrete Vermögen des Geschädigten ermittelt und dieser Schaden ersetzt (Karner in KBB³ § 1293 Rz 8, 9).

In Wien (§ 101 Wr JagdG), im Burgenland (§ 116 Bgld JagdG), in der Steiermark (§ 68 Stmk JagdG), in Salzburg (§ 93 Slbg JagdG), in Niederösterreich (§ 106 Nö JagdG) und in Oberösterreich (§ 68 Oö JagdG) ist bei der Ermittlung von Jagd‑ und Wildschäden der ortsübliche Marktpreis zu Grunde zu legen. Wenn Jagd‑ und Wildschäden an noch nicht erntereifen Erzeugnissen verursacht werden, dann ist jedoch der Wert zu ersetzen, den die Erzeugnisse im Zeitpunkt der Ernte hätten. Dabei sind jene Aufwendungen in Abschlag zu bringen, die bis zur Ernte erwachsen wären. Den genannten Gesetzen können damit zwei Grundsätze für die Schadensberechnung entnommen werden. Einerseits ist der ortsübliche Marktpreis zu ersetzen, was aber auf eine rein objektive Berechnung hinweist, andererseits sind einzelne Fälle aufgezählt, bei denen der Schaden nicht nach dem objektiven Wert zur Zeit der Schädigung zu berechnen ist, sondern nach dem konkreten Verlust, der sich für den jeweiligen Geschädigten bei der Ernte ergibt (Binder aaO).

Für Wildschäden im Wald wurde eine derartige Sonderregelung nicht getroffen. Die Ermittlung der Wildschäden im Wald hat nach § 68 Abs 1 und 5 Oö JagdG unter Zugrundelegung des ortsüblichen Marktpreises zu erfolgen, wobei eine Berechnung nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen und unter Berücksichtigung, ob Verbiss‑, Fege‑ oder Schälschäden, nur eine Einzelstammschädigung oder bereits eine Bestandesschädigung oder gar eine betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten ist, vorzunehmen ist.

Dass Waldschäden nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu ersetzen sind, ist eine Selbstverständlichkeit und für die Art der Schadensberechnung nicht von Bedeutung (Binder aaO 107). Daraus ist lediglich abzuleiten, dass forstwirtschaftliche Bewirtschaftungsgrundsätze anzuwenden sind. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners erschließt sich aus der Verwendung des Begriffs „forstwirtschaftliche Grundsätze“ nicht, dass bei der Berechnung des Schadens auf den konkreten forstwirtschaftlichen Betrieb des Geschädigten abzustellen ist.

Zutreffend geht der Antragsgegner davon aus, dass es sich bei der Beschreibung ‑ Einzelstammschädigung, Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung ‑ um eine Typisierung nach der Schwere des Eingriffs handelt. Dass sich das Ausmaß der Beschädigung nach den konkreten Umständen bestimmt, liegt auf der Hand, sagt aber nichts darüber aus, ob die Höhe des Schadens objektiv‑abstrakt oder subjektiv‑konkret zu ermitteln ist.

Aus dem Oö JagdG lässt sich demnach ableiten, dass der Oö Landesgesetzgeber den Wildschaden im Wald objektiv‑abstrakt berechnet wissen will. Dafür spricht auch, dass die Ermittlung des Werts der von Wildschäden betroffenen Forstpflanzen typischerweise mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Soweit die Bewertung beschädigter, zum Verkauf oder zur Holzproduktion vorgesehener Bäume von den Gewinnerwartungen der beteiligten Verkehrskreise bezogen auf den häufig noch fern liegenden Zeitpunkt der Ernte abhängt, ist sie mit schwierigen Prognosen über künftige Kosten und Erträge verbunden; hinzu treten Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ausmaßes des Wildverbisses und seiner Auswirkungen auf den Wachstumsvorgang nur beschädigter, aber nicht zerstörter Pflanzen (vgl BGH III ZR 45/10). Gerade diese Schwierigkeiten können im Wesentlichen durch die vom Landesgesetzgeber vorgesehene objektiv‑abstrakte Bewertung der Wildschäden hintangehalten werden.

In seinem Erkenntnis vom 27. 9. 1994, B 363/92, sprach der Verfassungsgerichtshof zu der ‑ im hier interessierenden Umfang identen ‑ Regelungen des Nö JagdG über den Ersatz von Jagd‑ und Wildschäden aus, dass diese vom Grundsatz der objektiven Schadensberechnung beherrscht seien. So bestimme der unter der Rubrik „Schadensermittlung“ stehende § 106 Nö JagdG in Abs 1, dass der Schadensberechnung der ortsübliche Marktpreis der beschädigten oder vernichteten Erzeugnisse zu Grunde zu legen sei, und erwähne in Abs 4 als ‑ objektive ‑ Maßstäbe die ordentliche Wirtschaftsführung sowie Vorkehrungen eines ordentlichen Landwirts. Der erwähnte Grundsatz gelte insbesondere für den in Abs 5 geregelten ‑ und durch die Nö Jagdverordnung näher bestimmten ‑ Ersatz der Wildschäden im Walde, die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten seien und wobei zu berücksichtigen sei, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine andere Methode als die der objektiven Schadensberechnung anzuwenden wäre. Wenn die belangte Behörde hingegen auf jenen Nachteil abstelle, welcher sich in Ansehung des forstwirtschaftlichen Betriebs des Beschwerdeführers insgesamt ergebe, so bediene sie sich im Ergebnis nicht nur einer dem Gesetz völlig fremden Art der subjektiven Schadensberechnung, sondern verstoße auch gegen den dem Nö JagdG immanenten Grundsatz, dass bei der Schadensermittlung ausschließlich auf die Verhältnisse im konkreten Jagdgebiet abzustellen sei.

Im Erkenntnis vom 21. 9. 2010, B 239/09 ua, gelangte der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass dem Verordnungsgeber der Nö Jagdverordnung nicht entgegenzutreten sei, wenn er die Schadensbemessung anhand allgemein anerkannter forstwirtschaftlicher Bewirtschaftungsgrundsätze vorgenommen wissen wolle und er davon abweichende individuelle Nutzungen im Interesse einer für alle Forstwirte gleichen Schadensermittlung nicht berücksichtige. Eine derartige standardisierte Durchschnittsbetrachtung für die Ermittlung von Wildschäden sei verfassungsrechtlich unbedenklich.

Auch der Oberste Gerichtshof billigte in seiner Entscheidung 4 Ob 93/12y (in einem zwischen denselben Streitteilen anhängigen Verfahren über die Festsetzung der Entschädigung von Wildschäden für einen früheren Zeitraum) die objektiv‑abstrakte Berechnung der Schadenshöhe.

Die diesem Ergebnis teilweise widersprechenden Ausführungen Binders (aaO 107) überzeugen nicht. Seines Erachtens sei jener Schaden zu ersetzen, der durch das Wild im konkreten Vermögen des Geschädigten verursacht worden sei, jedoch ohne Ersatz des entgangenen Gewinns, der sich etwa aus einer besonderen Verkaufsgelegenheit ergebe; dies entspreche dem Wortlaut der Gesetze, die den Ersatz des tatsächlichen Ernteverlusts vorschrieben und diesen durch den ortsüblichen Marktpreis begrenzten. Diese Auffassung würde zu einer sachgerechten Lösung führen, weil der Grundeigentümer durch die konkrete Berechnung des Ersatzes der Wildschäden den tatsächlich entstandenen Nachteil ersetzt bekommen, aber nicht besser gestellt werden solle, als er ohne Wildschaden stünde.

Zum einen führt Binder, wie dargestellt, selbst aus, dass die Anordnung des Ersatzes des ortsüblichen Marktpreises auf eine rein objektive Bewertung hinweise, wobei nur in einzelnen aufgezählten Fällen ‑ zu denen der Wildschaden im Wald aber nicht gehört ‑ der Schaden nach dem subjektiven Verlust zu berechnen sei. Zum anderen meint er mit den oben zitierten Ausführungen (aaO 107) ‑ wie sich aus seinen unmittelbar anschließenden Ausführungen ergibt ‑ offenbar nur, dass jener Teil der jungen Bäume, der bei einer Durchforstung ohnehin entnommen werden müsse, bei der Einzelstammschädigung auszuscheiden sei. Überdies konnte der Autor die erst später ergangenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs naturgemäß nicht einbeziehen.

Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 507/96 die Rechtsansicht des Rekursgerichts billigte, wonach bei der Schadensermittlung jene beschädigten Pflanzen auszuscheiden seien, die ohnehin entnommen werden müssten und weiters, dass durch Wildschäden die Möglichkeit entgangen sei, Christbäume im Rahmen einer Vornutzung zu verkaufen, wodurch im Vermögen ein konkret messbarer Schaden eingetreten sei, der nach dem üblichen Marktpreis zu ersetzen sei. Allerdings erfolgte schon deshalb keine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Wildschaden objektiv‑abstrakt oder subjektiv‑konkret zu berechnen sei, weil dort die Rechtsansicht des Rekursgerichts unbekämpft blieb.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass nach der speziellen Schadensbemessungsregelung des § 68 Abs 1 und 5 Oö JagdG der Wildschaden objektiv‑abstrakt und nicht subjektiv‑konkret zu berechnen ist.

Die gegenteilige Ansicht des Antragsgegners, die sich insbesondere auf die Ausführungen in dem von ihm beauftragten Rechtsgutachten gründet, führte zu einem der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs widersprechenden Ergebnis.

Wieviele Bäume als geschädigt in die Schadensberechnung einzubeziehen sind und ob bereits eine Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung im Sinn des § 68 Abs 5 Oö JagdG eingetreten ist, hängt primär von entsprechenden Feststellungen ab. Dabei geht es um Fragen der Wertermittlung, die mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben dem Sachverständigen obliegt und dem Tatsachenbereich zuzuordnen ist (vgl 4 Ob 93/12y mwN).

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners ist daher der Erfolg zu versagen.

Gemäß § 77 Abs 1 Oö JagdG ist in den gerichtlichen Verfahren auf Ersatz von Jagd‑ und Wildschäden das EisbEG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 30 Abs 4 EisbEG ist das auf die Entscheidung über zu leistende Entschädigungen bezogene Rechtsmittelverfahren zweiseitig, doch ist der gemäß § 44 EisbEG geltende Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht auch in gerichtlichen Verfahren über den Anspruch auf Ersatz von Jagd‑ oder Wildschäden anwendbar (RIS‑Justiz RS0058085 [T3]). Nach diesem Grundsatz (§ 44 Abs 1 leg cit) sind die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung, sofern sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu tragen. Da die Kosten des Revisionsrekurses nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten der Antragstellerin hervorgerufen wurden, bedeutet dies, dass der Antragsgegner die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen hat, dies unabhängig vom Ausgang der Entscheidung.

Dagegen bilden die der Antragstellerin im Revisionsrekursverfahren entstandenen Kosten weitere Verfahrenskosten, weil der Ersatz erst mit der Endentscheidung ausgesprochen werden kann (9 Ob 10/12g).

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