OGH 6Ob89/01h

OGH6Ob89/01h16.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nicole Maria P*****, geboren am 21. August 1997, über den Revisionsrekurs der Mutter Claudia P*****, vertreten durch die Sachwalterin Andrea M*****, diese vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 31. Jänner 2001, GZ 21 R 46/01s-40, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Haag am Hausruck vom 22. Dezember 2000, GZ P 3/99g-37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 21. 8. 1997 geborene Nicole Maria P***** ist das uneheliche Kind von Claudia P*****. Die Mutter steht unter Sachwalterschaft, ihre Sachwalterin hat die Aufgaben der Einkommens- und Vermögensverwaltung, der Personensorge und der Vertretung vor Ämtern und Behörden zu besorgen. Das jährliche Nettoeinkommen der Mutter von 167.856,50 S setzt sich zusammen wie folgt:

Waisenpension 40.549,60 S

Ausgleichszulage 20.918,80 S

Zinserträgen 22.337,10 S

Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag 54.000,-- S

Wohnbeihilfe des Landes Oberösterreich 30.051,-- S.

Dazu kommen ein monatliches Pflegegeld der Stufe 2 von 3.691 S sowie ein Betrag von 2.400 S monatlich, den sie von ihrem Lebensgefährten für die Miete erhält. Sie verfügt weiters über ein Girokonto (Guthabenstand per 31. 8. 2000 51.803,34 S), einen Bausparvertrag (Guthaben zum 31. 12. 1999 69.304,32 S), Wertpapiere in einem Kurswert zum 31. 12. 1999 von 469.550,29 S und ein Sparbuch (Guthabenstand zum 31. 12. 1999 134.509,40 S). Sie hat keine weiteren Sorgepflichten.

Mit Beschluss vom 17. 9. 1998 entzog das Pflegschaftsgericht den Eltern die Pflege und Erziehung des Kindes und genehmigte dessen Unterbringung auf einem Dauerpflegeplatz. Die Kosten dieser Unterbringung von monatlich 4.845 S 14 x jährlich zuzüglich einer einmaligen Bekleidungsbeihilfe von 7.505 S werden vom Jugendwohlfahrtsträger getragen. Mit Vereinbarung vom 23. 11. 1998 verpflichtete sich die Mutter zu einem monatlichen Kostenbeitrag von 1.000 S, der außereheliche Vater leistet 1.700 S monatlich.

Am 24. 10. 2000 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger unter Hinweis auf das Einkommen der Mutter, diese zu einem monatlichen Kostenersatz von 2.000 S ab 1. 9. 2000 zu verpflichten. Das Pflegegeld könne zwar zur Berechnung des Kostenersatzes nicht herangezogen werden, allerdings sei ihr Vermögensstand subsidiär zu berücksichtigen.

Die Mutter sprach sich gegen eine Erhöhung des freiwillig geleisteten Betrages aus.

Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zu einem Kostenersatz von 2.000 S monatlich ab 1. 9. 2000. Ihr monatliches Nettoeinkommen errechne sich unter Einbeziehung der Wohnbeihilfe (Pflegegeld werde in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht einbezogen) mit 14.000 S, ein Betrag, der zur Deckung der begehrten Beitragsleistung ausreiche.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Angesichts der festgestellten Einkünfte der Mutter bestehe kein Anlass zur Reduzierung des auferlegten Pflegekostenanteils. Die Festsetzung der Ersatzleistung nach § 33 JWG richte sich nach den für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Grundsätzen. Danach seien Sozialleistungen (wie Karenzurlaubsgeld, Notstandshilfe, Ausgleichszulage oder Sozialhilfe), die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes für einen Sonderbedarf dienten, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Dieser Grundsatz gelte auch für eine vom Unterhaltspflichtigen bezogene Wohn- bzw Mietzinsbeihilfe, weil diese Sozialleistung der Deckung eines typischen Unterhaltsbedarfs diene und nicht als Ausgleich für den durch einen bestimmten Sonderbedarf entstandenen Mehraufwand gewährt werde. Auch die von der Mutter aufgrund eines Eigenanspruches bezogene Familienbeihilfe sei gleich anderen Geldunterhaltsempfängen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Gemäß § 6 Abs 2 lit d FamLAG stehe volljährigen Vollwaisen zu den dort angeführten Bedingungen ein eigener Anspruch auf Familienbeihilfe zu. § 6 Abs 5 FamLAG stelle jene Kinder den Vollwaisen gleich, deren Eltern der Unterhaltspflicht nicht nachkommen und gewähre auch ihnen Familienbeihilfe unter der Voraussetzung, dass eine Geldunterhaltspflicht der Eltern nicht mehr bestehe. In Anbetracht dieser Bestimmungen und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach auch eigene Geldunterhaltsempfänge des Unterhaltsschuldners in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, wäre es nicht gerechtfertigt, die von der Mutter bezogene eigene Familienbeihilfe bei Bemessung ihrer Ersatzleistung außer Betracht zu lassen, weil sie letztlich die mangelnde Unterhaltsleistung ihrer Eltern substituieren soll, ihr als frei verfügbares Einkommen zur Verfügung steht und nicht dem Ausgleich eines bestimmten Sonderbedarfs aufgrund der Behinderung dient. Ausgehend von dem das Unterhaltsrecht beherrschenden Grundsatz des Teilens sei § 12a FamLAG in einem solchen Fall nicht zugunsten des unterhaltspflichtigen Bezugsberechtigten anzuwenden. Demgegenüber decke das der Mutter ausbezahlte Pflegegeld einen Sonderbedarf an krankheitsbedingtem Personalaufwand und sei bei der Bemessung der Beitragspflicht nicht zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob § 12a FamLAG auch die Einbeziehung eines Eigenanspruches des Unterhaltspflichtigen auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FamLAG in die Unterhaltsbemessungsgrundlage ausschließe, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin wendet sich gegen eine Einbeziehung der Wohn- bzw Mietzinsbeihilfe und ihres Eigenanspruchs auf Familienbeihilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Die ihr nach § 6 Abs 5 iVm § 6 Abs 2 lit d FamLAG gewährte Familienbeihilfe diene der Abdeckung der erhöhten Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Behinderung, wobei diese Aufwendungen ihrem tatsächlichen Ausmaß nach den gewährten Betrag überstiegen. Der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe führe somit zu keinem Einkommenszuwachs im Sinn frei verfügbarer Mittel. Auch die Wohn- bzw Mietzinsbeihilfe sei nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Sie diene nicht der Deckung eines typischen Unterhaltsbedürfnisses, sondern - wie der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe - der teilweisen Abdeckung der der behinderten Kindesmutter aufgrund ihrer Behinderung entstehenden Mehrkosten.

Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich die Höhe des nach § 33 JWG geltend gemachten Kostenersatzanspruches nach dem Umfang der Unterhaltspflicht des in Anspruch genommenen Elternteils. Bestand und Umfang der Unterhaltspflicht richten sich nach den in § 140 ABGB genannten Kriterien (ÖA 1996, 135; RIS-Justiz RS0078933). Die Rechtsprechung versteht unter Einkommen grundsätzlich alles, was einer Person an Natural- oder Geldleistungen welcher Art immer aufgrund eines Anspruches zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen. Außer Betracht bleiben nur jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes dienen. Versteht man aber unter Einkommen die Summe aller verfügbaren Mittel, so sind auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wobei die in der Leistung liegende Zweckbestimmung allein noch nicht zu ihrem Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage führt (EvBl 1994/90, ÖA 1993, 145, JBl 1993, 244, SZ 68/157).

Es ist in Lehre und Rechtsprechung nicht strittig, dass die Familienbeihilfe zwar dem Unterhaltspflichtigen ausbezahlt wird und Bestandteil seines Einkommens ist, dass sie aber für den Unterhalt bzw die Pflege des Kindes verwendet werden muss (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 229; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 12b zu § 140; SZ 59/19, ÖA 1997, 190; RZ 2000/20). Zweck der Familienbeihilfe ist es, die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss zu erleichtern sowie die mit seiner Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil auszugleichen. Sie dient dazu, den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten (RZ 1992/69; RIS-Justiz RS0058747). In Anbetracht dieser Zielsetzungen hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Familienbeihilfe nur dann Teil der Bemessungsgrundlage sei, wenn sie für das unterhaltsfordernde Kind gewährt werde (RZ 2000/20 mwN, RIS-Justiz RS0047467 und RS0047813), nicht jedoch dann, wenn der Unterhaltspflichtige sie für ein anderes Kind bezieht.

Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich von Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige Familienbeihilfe für ein Kind bezieht, grundlegend. Die unterhaltspflichtige Mutter bezieht hier Familienbeihilfe aufgrund eines Eigenanspruches nach § 6 Abs 5 iVm § 6 Abs 2 lit d FamLAG (nach dem Akteninhalt ist ihr Vater verstorben, die Mutter ist unbekannten Aufenthaltes, leistet somit für die unter Sachwalterschaft stehende Kindesmutter keinen Unterhalt). § 6 Abs 5 FamLAG gewährt Kindern, deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen, Anspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen, unter denen ein Vollwaise einen derartigen Anspruch hat. Ein volljähriger Vollwaise hat nach § 6 Abs 2 lit d FamLAG einen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn er wegen einer in einem bestimmt angeführten Alter eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (und sich nicht in Anstaltspflege befindet). Der so gewährte Eigenanspruch der Mutter dient somit - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - dazu, die in den beschriebenen Fällen fehlenden Unterhaltsleistungen der Eltern zu substituieren und dem vom Wegfall unterhaltspflichtiger Eltern Betroffenen eine öffentlich-rechtliche Versorgungsleistung als Beitrag zu seinem Unterhaltsbedarf zu sichern. Dieser Beitrag steht ihm als frei verfügbares Einkommen zur Verfügung und dient (anders als das Pflegegeld siehe ÖA 1999, 35 U 261; ÖA 1999, 117 U 268; 6 Ob 97/00h) entgegen der Auffassung der Mutter nicht unmittelbar dem Ausgleich eines bestimmten Sonderbedarfes aufgrund der Behinderung.

Indem nun der Eigenanspruch an Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 iVm § 6 Abs 2 lit d FamLAG dazu dient, fehlende Unterhaltsleistungen von Eltern des Unterhaltsberechtigten zu substituieren, ist er gleich anderen, dem Unterhaltspflichtigen zukommenden Unterhaltsleistungen (s. dazu EvBl 2000/114) zu behandeln und (wie diese) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Seine Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage steht auch mit der ständigen Rechtsprechung in Einklang, wonach alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann, bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt werden, sofern sie nicht der Abgeltung effektiver Auslagen dienen (RIS-Justiz RS0107262).

Als Einkommen der unterhaltspflichtigen Mutter ist auch die von ihr bezogene Wohn- bzw Mietzinsbeihilfe des Landes Oberösterreich zu berücksichtigen. Diese dient keineswegs bloß der teilweisen Abdeckung der ihr aufgrund ihrer Behinderung entstehenden Mehrkosten, sie dient vielmehr der Deckung eines unzumutbaren Wohnungsaufwandes - somit eines typischen Unterhaltsbedarfes - der Beihilfenwerberin (§ 1 Abs 1 Z 1 der oberösterreichischen Wohnbeihilfenverordnungen LGBl 1990/61 und LGBl 1991/55; siehe SZ 68/157). Ganz abgesehen davon, dass die Einbeziehung der Wohn- bzw Mietzinsbeihilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage der zahlungspflichtigen Mutter somit gerechtfertigt ist, wäre die im vorliegenden Fall begehrte Beitragszahlung von 2.000 S monatlich auch schon durch die übrigen Einkünfte der Mutter (Waisenpension, Ausgleichszulage, Zinserträge und Familienbeihilfe) gedeckt. Die vom Revisionsrekurs befürchtete (ungerechtfertigte) Schlechterstellung der Mutter ist nicht zu erkennen. Abgesehen davon, dass ihre Einkünfte zur Deckung dieser Beitragsleistung ohne weiteres ausreichen, verfügt sie überdies über ein für die Verhältnisse nicht unbeträchtliches Vermögen, das ohnehin unangetastet bleibt.

Dem Revisionsrekurs wird somit nicht Folge gegeben.

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