OGH 6Ob84/14t

OGH6Ob84/14t26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr.

Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** reg GenmbH, *****, 2. R***** reg GenmbH, *****, beide vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer und Mag. Gerlinde Murko, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Beschlussanfechtung (Streitwert 50.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. März 2014, GZ 2 R 37/14z‑22, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. Dezember 2013, GZ 21 Cg 102/12b‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.198,18 EUR (darin 366,36 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerinnen der klagenden Genossenschaften traten im Jahr 1940 der beklagten Genossenschaft bei. Die Klägerinnen begehren die Nichtigerklärung bzw in eventu die Feststellung der Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen der beklagten Partei vom 9. 7. 2012.

1940 haben sich die Rechtsvorgängerinnen der klagenden Parteien der damals gültigen Satzung der beklagten Partei unterworfen. Die damalige Satzung enthielt in § 46 eine Schiedsklausel. Zudem haben die Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen erklärt, sich späteren Änderungen der Satzung der beklagten Partei zu unterwerfen. In den Jahren 1949 und 1993 wurde die Schiedsgerichtsklausel in der Satzung der beklagten Partei jeweils abgeändert.

Die Vorinstanzen haben die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt im Hinblick auf die Schiedsklausel verneint.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten zwischen Genossenschaften vorliege und diese Frage in der Literatur kontrovers diskutiert werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat in einem früheren Verfahren, das eine der beiden auch hier klagenden Parteien betraf, zu dem Ergebnis gelangte, dass jedenfalls noch die ursprüngliche Schiedsklausel aus dem Jahr 1940 in Geltung steht (6 Ob 158/13y). Wären die Änderungen des sachlichen Geltungsbereichs der Schiedsklauselform ungültig, würde dies lediglich die Unwirksamkeit der Erweiterung begründen, nicht jedoch zur gänzlichen Unwirksamkeit der ursprünglich gültigen Schiedsklausel führen. In dieser Entscheidung billigte der erkennende Senat die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die dort begehrte Einsichtnahme in das Protokollbuch der beklagten Partei der Schiedsklausel unterliegt.

2.1. Die Klägerinnen bezweifeln nicht, dass die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen auf genossenschaftliche Generalversammlungsbeschlüsse analog anzuwenden sind (RIS‑Justiz RS0059814; 6 Ob 157/11y; Ch. Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 5/105).

2.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 7 Ob 221/98w die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten einer GmbH bejaht. Demnach ist dem Anspruch auf Verfahrensbeteiligung Genüge getan, wenn die Mitgesellschafter wie im Anfechtungsprozess vor einem ordentlichen Gericht Gelegenheit zur Nebenintervention erhalten, wobei sich bei der Frage deren Zulassung das „freie Ermessen“ der Schiedsrichter (vgl § 587 Abs 1 ZPO) „auf Null“ reduziere. Dem Einwand der mangelnden Vergleichsfähigkeit begegnete der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung mit der Argumentation, der Sinn der Bestimmung des § 577 Abs 1 ZPO solle verhindern, dass die Parteien mittels einer Schiedsgerichtsbarkeitsvereinbarung Rechtsfolgen herbeiführen können, die sie durch Rechtsgeschäft nicht herbeiführen können. Könne ein einmal gefasster Gesellschafterbeschluss durch neuerliche Beschlussfassung der Gesellschafter mit Wirkung ex tunc aufgehoben werden, so sei die objektive Schiedsfähigkeit gegeben. Dies treffe in der Regel auf Gesellschafterbeschlüsse zu, die Rechtswirkungen nur im Innenverhältnis der Gesellschafter erzeugten (RIS‑Justiz RS0045318 [T1]). Ausdrücklich wurde in dieser Entscheidung auch festgehalten, dass die Vereinbarung einer schiedsgerichtlichen Zuständigkeit nicht an der Ausschließlichkeit des Gerichtsstands für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen im Aktienrecht (§ 97 Abs 1 AktG) scheitert.

2.3. Seit dem SchiedsRÄG 2006 kommt es auf die Frage der Vergleichsfähigkeit nicht mehr an, weil nunmehr alle vermögensrechtlichen Ansprüche objektiv schiedsfähig sind. Dazu gehören auch Beschlussmängelstreitigkeiten (Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 197 Rz 18; Reiner, GesRZ 2007, 151, FN 4; Thöni, NZ 2012/114 mwN).

3.1. Der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten steht auch die Rechtskrafterstreckung des über eine derartige Klage ergehenden Urteils nicht entgegen, wenn die Schiedsklausel bereits in der ursprünglichen Satzung enthalten war oder durch einstimmigen Beschluss nachträglich eingeführt wurde (6 Ob 16/84 EvBl 1985/52; Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 197 Rz 18 f; Reiner, GesRZ 2007, 154; Thöni, Rechtsfolgen fehlerhafter GmbH‑Gesellschafterbeschlüsse 229; Pelinka in Hausmaninger/Gratzl/Justich, Handbuch zur Aktiengesellschaft Rz 55). Im vorliegenden Fall ist jedenfalls das Kriterium, dass die Schiedsklausel bereits in der ursprünglichen Satzung aus dem Jahr 1940 enthalten war, erfüllt.

3.2. Im Schrifttum wird überwiegend die Meinung vertreten, dass die durch § 198 AktG gesetzlich determinierte Rechtskrafterstreckung bei genossenschaftlichen Streitigkeiten durch eine Streitverkündung erreicht wird (Hausmaninger in Fasching/Konecny 2 IV/2 § 607 Rz 41 f; vgl auch Koller in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahren I Rz 3/92 f). Demgegenüber vertritt Strasser die Auffassung, das SchiedsRÄG 2006 habe die Frage der Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Anfechtungs‑ und Nichtigkeitsklagen gerade nicht im Sinne einer ohne weiteres anzunehmenden Schiedsfähigkeit entschieden. Im Hinblick auf die bedeutsamen, über die Prozessparteien hinausgehenden Auswirkungen einer Klagsstattgebung würden im Fall eines Beschlussanfechtungsprozesses nach wie vor Zweifel an der Schiedsfähigkeit bestehen. Daher sollte eine Satzungsbestimmung, die für das Anfechtungsverfahren eine Entscheidung durch ein Schiedsgericht vorsieht, als unwirksam angesehen werden (Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 197 Rz 4).

3.3. Diese Auffassung hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 6 Ob 158/13y abgelehnt. Auch in der Entscheidung 6 Ob 42/12p hat der erkennende Senat für Beschlussmängelstreitigkeiten nach §§ 41 ff GmbHG sogar für den Fall die Schiedsfähigkeit bejaht, dass der angefochtene Beschluss Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Vertrag zwischen der beklagten GmbH und einem gesellschaftsfremden Dritten ist (dazu Thöni, NZ 2012/114).

4.1. Die vorliegende Streitigkeit über die Wirksamkeit von Generalversammlungsbeschlüssen ist eindeutig ein „Streit von Mitgliedern mit der Genossenschaft“ iSd § 46 der ursprünglichen Satzung aus dem Jahr 1940 und eine „Streitigkeit aus dem Genossenschaftsverhältnis“ iSd § 30 der Satzung aus dem Jahr 1949 und des § 27 der Satzung aus dem Jahr 1993 bzw § 28 der aktuell geltenden Satzung, zu dessen Entscheidung ein Schiedsgericht vereinbart wurde.

4.2. Zum notwendigen Inhalt der Schiedsvereinbarung gehören nur die Bezeichnung der Parteien, die Bezeichnung des Streitfalls oder des bestimmten Rechtsverhältnisses, aus dem zukünftige Streitigkeiten resultieren können, sowie die Vereinbarung, dass die Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht erfolgen soll (7 Ob 544/86 SZ 59/86; 6 Ob 158/13y; RIS‑Justiz RS0044991; Koller in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 3/137). Diesbezüglich kann auf die Entscheidung 6 Ob 158/13y verwiesen werden. Dies gilt auch für die weitere Argumentation des Revisionsrekurses, der die Wirksamkeit der späteren Satzungsänderungen in Zweifel zieht. Zudem hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 6 Ob 158/13y ausgesprochen, dass jedenfalls die in der Satzung 1940 enthaltene Schiedsklausel in Geltung steht. Von dieser Rechtsauffassung abzugehen, besteht kein Anlass.

5. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die zwischenzeitig eingebrachte Schiedsklage nicht das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit zur Folge hatte, weil die Zustellung der Schiedsklage nur dann Streitanhängigkeit bewirkt, wenn diese vom Schiedsgericht, nicht jedoch ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ vom Vertreter der Schiedsklägerin zugestellt wurde.

6. Damit erweist sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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