OGH 6Ob82/98x

OGH6Ob82/98x7.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.Ing.Rudolf H*****, 2. Alois R*****, beide vertreten durch Dr.Christoph Rittler und Dr.Harald Rittler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Otto M*****, vertreten durch Dr.Thaddäus Schäfer und Mag.Peter Prechtl, Rechtsanwälte in Innsbruck, 2. Jürgen S*****, 3. G***** Bank AG *****, vertreten durch Neudorfer, Griensteidl, Hahnkamper und Stapf, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, 4. Bank H***** AG, ***** vertreten durch Dr.Helmut A.Rainer, Mag.Egon Stöger und Mag.Sebastian Ruckensteiner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen US-Dollar 2,000.000 (Streitwert ATS 20,400.000), infolge Rekurses der viertbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 18.November 1997, GZ 5 R 66/97p-50, womit der Rekurs der viertbeklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.Juli 1997, GZ 12 Cg 148/96m-29, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die viertbeklagte Partei hat den Klägern die mit S 59.746,50 (darin S 9.957,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit ihrer am 30.10.1996 eingebrachten Klage begehren die Kläger je US-Dollar 1,000.000 von den (damals insgesamt sechs) beklagten Parteien. Die Kläger hätten eine Kapitalanlage beabsichtigt, die von ihnen zu veranlagenden Beträge seien jedoch "verschwunden", wobei alle Beklagten am Schadenseintritt mitgewirkt hätten; sie hätten teils wegen Nichterfüllung ihrer als Treuhänder übernommenen Verpflichtungen, teils wegen Nichterfüllung von den Klägern gegenüber vertraglich übernommenen Pflichten, teils wegen Verletzung von Verträgen mit Schutzwirkung für die Kläger als Dritte einzustehen. Gegen zwei der ursprünglich sechs beklagten Parteien (Fünft- und Sechstbeklagte) sind Versäumungsurteile ergangen.

Die Viertbeklagte hat ihren Geschäftssitz in der Schweiz. Zur Begründung der inländischen Gerichtbarkeit berufen sich die Kläger auf Art 6 Z 1 LGVÜ.

In der Klagebeantwortung erhob die Viertbeklagte die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Art 6 Z 1 LGVÜ sei einschränkend im Sinn einer eigentlichen Streitgenossenschaft zwischen den beklagten Parteien auszulegen. Zwischen Klägern und Viertbeklagter bestünden jedoch weder vertragliche noch deliktische Beziehungen. Viert- und Fünftbeklagte hätten im übrigen hinsichtlich aller Auseinanderetzungen aus ihren Geschäftsbeziehungen den Gerichtsstand Zürich vereinbart.

Nach Einlangen von Klagebeantwortungen der Erst-, Dritt- und Viertbeklagten beraumte das Erstgericht eine Streitverhandlung für den 14.4.1997 an. Eine Einschränkung auf die von der Viertbeklagten erhobene Prozeßeinrede wurde nicht vorgenommen. In der Tagsatzung (Protokoll ON 16 des Aktes) erstatteten die Kläger sowie Erst-, Dritt- und Viertbeklagte das aus Klage bzw Klagebeantwortungen ersichtliche Vorbringen. Der Vertreter der Viertbeklagten stellte zum Sachvorbringen noch weitere Beweisanbote und wendete überdies mangelnde inländische Gerichtsbarkeit (und örtliche Unzuständigkeit) ein. Der Klagevertreter sprach sich gegen eine Zurückweisung der Klage aus. Das Erstgericht gestattete den Klägern Äußerungen zum Vorbringen in den einzelnen Klagebeantwortungen und den beklagten Parteien Repliken hiezu. Es hielt fest, daß "unabhängig von diesem Schriftsatzwechsel und der Erfordernis des Erstgerichtes, über die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit zu entscheiden", alle Parteienvertreter damit einverstanden seien, daß der Zeuge Walter G***** so rasch als möglich vor dem Rechtshilfegericht in Zürich einvernommen werde. Diesen Zeugen hatte die Viertbeklagte zum Beweis ihres in der Sache erstatteten Vorbringens namhaft gemacht. Das Erstgericht unterließ eine abgesonderte Verhandlung über die von der Viertbeklagten erhobenen Prozeßeinrede im Sinn des § 261 Abs 1 und 2 ZPO. Es faßte den Beweisbeschluß und erstreckte die Tagsatzung auf unbestimmte Zeit bis zum Einlangen der Schriftsätze und Verständigung, wo der Zeuge einvernommen werden könne.

Nach Durchführung der Rechtshilfevernehmung und Vorlage weiterer Urkunden durch die Viertbeklagten faßte das Erstgericht den (abgesonderten) Beschluß auf Verwerfung der Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Die inländische Gerichtsbarkeit gegenüber der Viertbeklagten gründe sich auf Art 6 Z 1 LGVÜ, eine Rechtsbeziehung zu den übrigen beklagten Parteien sei nicht erforderlich.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Viertbeklagten zurück und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil im Hinblick auf die Problematik des Verhältnisses des Übereinkommens von Lugano zur Jurisdiktionsnorm, aber auch der Anwendbarkeit des § 261 Abs 1 und 2 ZPO bezogen auf die inländische Gerichtsbarkeit eine erhebliche Rechtsfrage vorliege, zu der eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Zur Zurückweisung des Rechtsmittels führte das Rekursgericht aus, § 261 Abs 1 und 2 ZPO sei auch auf andere, in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich angeführte Prozeßhindernisse anzuwenden. Danach sei die Entscheidung des Erstgerichtes abgesondert nicht anfechtbar, weil das Erstgericht über die erhobene Einrede nicht abgesondert verhandelt habe. Daran könne auch die entgegen § 261 Abs 1 und 2 leg cit erfolgte Ausfertigung und Zustellung der Entscheidung nichts ändern.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts - liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht vor:

§ 260 Abs 1 und 3 und § 261 ZPO behandeln die Erledigung bestimmt bezeichneter Prozeßvoraussetzungen. Danach hat in diesen Fällen eine mündliche Verhandlung stattzufinden. Verhandelt das Erstgericht über diese Einreden in Verbindung mit der Hauptsache, so ist die Entscheidung, mit der diese abgewiesen werden, nicht besonders auszufertigen, sondern in die in der Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen. In diesem Fall kann der Ausspruch über die geltend gemachte Prozeßeinrede nur mit dem gegen die Entscheidung in der Hauptsache offenstehenden Rechtsmittel bekämpft werden. Wird der die Prozeßeinrede abweisende Beschluß entgegen § 261 Abs 1 oder 2 ZPO besonders ausgefertigt und den Parteien zugestellt, so macht ihn dies nicht abgesondert anfechtbar (stRspr EvBl 1986/20; RZ 1992/34; 8 Ob 1588/93; RIS-Justiz RS0040207 und RS0037005; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 261 mwN).

Die selbständige Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit ist zwar in § 261 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung vor der Wertgrenzennovelle 1997 nicht ausdrücklich angeführt, sie unterliegt dennoch dieser Regelung (4 Ob 100/83). Prozeßvoraussetzungen sind verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Zulässigkeit einer sachlichen Behandlung und Entscheidung (Fasching, Lehrbuch2 Rz 721). Darunter fallen nicht nur die in § 239 Abs 2 ZPO angeführten Prozeßhindernisse, sondern auch noch andere Fallgruppen, deren Fehlen zur Ablehnung einer Sachentscheidung (und damit zur Zurückweisung der Klage) führt, und zwar unabhängig davon, ob sie auf Antrag oder von Amts wegen wahrgenommen werden (EvBl 1986/20; Fasching, Lehrbuch2 Rz 11 und Rz 721). Der Oberste Gerichtshof hat in Übereinstimmung mit der Lehre (Fasching III 205 Anm 3; Rechberger aaO Rz 1 zu § 261) schon bisher § 261 ZPO auch auf die in dieser Vorschrift nicht angeführten Prozeßeinreden, deren Berechtigung zur Ablehnung einer Sachentscheidung und zur Zurückweisung der Klage führen, angewendet (EvBl 1986/20). So auch auf die Einrede mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit (EvBl 1985/117; 4 Ob 100/83; 9 ObA 39/97v).

Die bekämpfte Entscheidung steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.

Aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls ON 16 ergibt sich, daß das Erstgericht über die von der Viertbeklagten erhobene Einrede nicht abgesondert, sondern in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt hat. Auch der davor erfolgten Ausschreibung dieser Tagsatzung ist nicht zu entnehmen, daß die Verhandlung auf die Prozeßeinrede beschränkt werden sollte. Daß die dann tatsächlich durchgeführte Verhandlung nicht nur über die Prozeßeinrede geführt wurde, sondern auch die Hauptsache betraf, ist angesichts des Protokollinhaltes nicht zweifelhaft, haben doch Kläger und Viertbeklagte sowohl zum Sachthema als auch zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit Vorbringen erstattet und Anträge gestellt.

Das Erstgericht hätte daher seine Entscheidung, mit der es die Prozeßeinrede abwies (verwarf), gemäß § 261 Abs 1 ZPO nicht gesondert ausfertigen dürfen. Die gesonderte Ausfertigung und Zustellung dieses Beschlusses an die Parteien macht ihn nach ständiger Rechtsprechung nicht abgesondert anfechtbar (EvBl 1986/20 mwN; vgl Fasching III 209).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes steht zur Frage der Anwendbarkeit des § 261 ZPO auf in dieser Bestimmung nicht angeführte Prozeßeinreden mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang.

Auf die vom Revisionsgericht als erhebliche angesehene Frage des Verhältnisses des Übereinkommens von Lugano zur Jurisdiktionsnorm kommt es daher im vorliegenden Fall (noch) nicht an.

Der Revisionsrekurs der Viertbeklagten wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 sowie § 52 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodaß ihre Revisionsrekursbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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