European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00081.20K.0915.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es bedürfe einer Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie der Rechtssatz RS0022885 (T4) (= 6 Ob 546/84 und 7 Ob 103/14v ZRB 2016, 24 [Wenusch]), wonach es sich um einen Mangelfolgeschaden handle, wenn das Werk selbst infolge eines Mangels beschädigt wurde, unter Berücksichtigung des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes BGBl 2001/48 zu verstehen sei.
Die Beklagte baute im Zuge des Zu- und Umbaus des Turnsaals einer Schule, deren Erhalterin beim klagenden Versicherungsunternehmen gegen Glasbruch versichert war, unter anderem eine 500 kg schwere Glasscheibe ein, die etwa drei Jahre später brach. Vertragsinhalt waren Lieferung und Einbau der Glasscheiben gewesen. Ursache war eine nicht normgerechte Klotzung der Glasscheibe; dieser nicht fachgerechte Einbau führte zum Glasbruch. Die Beklagte wurde vom Schadenseintritt nicht verständigt, es wurde ihr also keine Möglichkeit gegeben, den Schaden selbst zu verbessern; vielmehr ließ die Klägerin die Schadensbehebung durch ein Drittunternehmen durchführen, deren in Rechnung gestellten und von ihr bezahlten Kosten (15.122,44 EUR) sie nunmehr begehrt.
Das Erstgericht entschied klagsstattgebend. Bei dem hier vorliegenden Mangelfolgeschaden gelte der Primat von Verbesserung und Austausch nicht.
Das Berufungsgericht nahm einen Mangelschaden an und hob die erstinstanzliche Entscheidung in einem 2.500 EUR übersteigenden Betrag – insoweit hatte die Beklagte Rechtskraft eintreten lassen – auf. Die Klägerin habe der Beklagten zu Unrecht keine Möglichkeit gegeben, den Schaden selbst zu verbessern. Sie könne Ersatz deshalb nur insoweit begehren, als der Aufwand auch die Beklagte getroffen hätte, deren Eigenkosten aber nicht feststünden.
Die Revision der Klägerin ist nicht zulässig.
1. Nach § 933a ABGB idFd GewRÄG kann der Übernehmer auch Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer auch als Schadenersatz jedoch zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der Übergeber auch bei „Schadenersatz statt Gewährleistung“ eine zweite Chance erhält (vgl ErläutRV 422 BlgNR 21. GP 20). Der Ersatz von sogenannten Mangelfolgeschäden, also weiteren Schäden, die durch die mangelhafte Leistung des Übergebers entstanden sind, ist hingegen von dem in § 933a Abs 2 erster Satz ABGB festgelegten Grundsatz des Verbesserungsvorrangs vor dem Geldersatz nicht umfasst (10 Ob 94/08h). Die Unterscheidung in Mangel- und Mangelfolgeschäden ist damit für die Frage relevant, für welche Schäden der Vorrang der Verbesserung und des Austauschs gilt (3 Ob 191/13d ZVB 2014/65 [Oppel] = ZRB 2014, 182 [Wenusch]; 5 Ob 65/18x; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 [Stand 1. 1. 2016, rdb.at] § 933a Rz 9).
2. Allgemein wird der Mangelfolgeschaden dahingehend definiert, dass durch den Mangel ein weiterer Schaden verursacht wurde, der Schaden also nicht nur im Vorhandensein des Mangels besteht (RS0022885). Nach Reischauer (in Rummel/Lukas, ABGB4 [2018] § 933a Rz 12 f, 78 und 81) entstehen Mangelbeseitigungskosten, also jene Kosten, die aufgewendet werden, um den Mangel zu beseitigen, wegen des „Mangels selbst“; sie sind deshalb keine Mangelfolgeschäden. Dabei betont Reischauer (aaO Rz 83), die Rechtsprechung habe den Ersatz der Verbesserungskosten zunächst „im falschen Gewand der Mangelfolgeschäden“ gewährt. Tatsächlich gehe es – so Reischauer (aaO Rz 119) – beim Mangelfolgeschaden um jeden Schaden, der wegen der Mangelhaftigkeit der Sache entsteht, nicht im Mangel selbst liegt und auch nicht in den Kosten der Mangelbeseitigung besteht. Sind etwa die Bremsbeläge des gelieferten Autos mangelhaft, so handle es sich – soweit es um den Zustand des Autos geht – um einen Mangelschaden; versagen aufgrund des mangelhaften Zustands die Bremsen, kommt es zu einem Unfall und wird der Lenker verletzt, so liege ein Mangelfolgeschaden vor. Ebenso wenn die eingebaute Stiege einstürze und infolgedessen der Besteller verletzt werde (Reischauer aaO Rz 120). Löst sich von der geleisteten Sache (etwa einer Badverfliesung) wegen eines Mangels ein Teil (eine Fliese) und beschädigt diese ein anderes Gut des Gläubigers (etwa die Badewanne), so sei bezüglich der Mangelbeseitigung § 933a Abs 2 ABGB anzuwenden, hinsichtlich des Mangelfolgeschadens dagegen § 1323 ABGB (Reischauer aaO Rz 147).
3. In einem dem hier zu beurteilenden Sachverhalt (durch den Montagefehler der Beklagten, nämlich die fehlerhafte Klotzung, rutschte die Glasscheibe nach unten, wodurch es zu einem Glas-Metall-Kontakt mit der unteren Schraube der Glashalteleisten und in weiterer Folge zum Bruch der Glasscheibe kam) vergleichbaren Fall ging der Oberste Gerichtshof nicht von einem Mangelfolge-, sondern von einem Mangelschaden aus (9 Ob 3/09w Zak 2009/210 [P. Bydlinski]). Dort war ein lockerer Befestigungsbolzen für die Spannrolle des Zahnriemens die Ursache für das zwingende „Weiterfressen" des Mangels in der Form, dass schon nach kurzer Inbetriebnahme des PKW der Zahnriemen riss, was zu einem Motorschaden führte; dieses „Weiterfressen“ habe die Fahruntüchtigkeit des PKW bewirkt. In der Entscheidung 5 Ob 65/18x wiederum ging es um einem Schaden an einem Wasserrohr, der bei Benützung durch den Innendruck zu einem Wasseraustritt führte. Der 5. Senat führte aus, der Schaden an dem Wasserrohr sei „zweifelsfrei“ ein Mangel im Sinn des § 922 Abs 1 ABGB, wobei es keine Rolle spiele, ob dieser Mangel durch einen Verlegungsfehler der (dort) Beklagten entstanden war oder nicht.
4. Auf jene Entscheidungen, die das Berufungsgericht zum Anlass nahm, die ordentliche Revision gemäß § 519 Abs 1 Z 2, Abs 2 ZPO für zulässig zu erklären, weil sie seiner rechtlichen Beurteilung entgegenstünden, kann sich die Klägerin nicht berufen. Die Entscheidung 6 Ob 546/84 erging lange vor Inkrafttreten des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes. Und die Entscheidung 7 Ob 103/14v wiederholte zwar die Aussage der erstgenannten Entscheidung, wonach es sich „um einen Mangelfolgeschaden auch [handle], wenn das Werk selbst infolge eines Mangels beschädigt wurde“; sie schränkte diese Aussage aber zutreffend und unter Hinweis auf die Entscheidung 9 Ob 3/09w dahin ein, dass es sich dabei nicht um ein „Weiterfressen“ eines bereits bei Übergabe angelegten Mangels handeln dürfe. Tatsächlich war es durch die mangelhafte Ausführung einer (undichten) Bodenanschlussfuge zwischen Kelleraußenwand und Fundamentplatte lediglich durch von außen eindringendes Wasser zu einer Beschädigung des Kellergeschosses gekommen, was nach Ansicht des 7. Senats ein typischer Mangelfolgeschaden sei, habe es doch insofern eines externen Einflusses zur Schadensherbeiführung bedurft. Ein solcher externer Einfluss war im Übrigen auch Auslöser für den Einsturz einer Vordachkonstruktion in der Entscheidung 6 Ob 546/84, die fehlerhaft statisch berechnet worden war und eine mangelhafte konstruktive Durchbildung aufgewiesen hatte: Zum Einsturz kam es infolge des Druckes auf dem am Vordach liegenden Schneelast. Derartige externe Einflüsse auf die von der Beklagten eingebauten Glasscheibe wurden hier jedoch weder behauptet noch festgestellt.
Die Annahme des Vorliegens eines Mangel- und nicht eines Mangelfolgeschadens durch das Berufungsgericht begegnet somit keinen Bedenken des Obersten Gerichtshofs.
5. Dass in diesem Fall die Schulerhalterin bzw die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit zur Verbesserung hätten einräumen müssen, stellt die Klägerin in ihrem Rekurs nicht (mehr) in Frage. Dass der Übernehmer allerdings auch dann, wenn er dem Veräußerer (Werkunternehmer) keine Verbesserungsmöglichkeit eröffnete, sondern vielmehr die Sache selbst oder (im Regelfall) durch einen Dritten verbessern ließ, jedenfalls jene Kosten begehren kann, die der Veräußerer (Werkunternehmer) hätte aufwenden müssen, wenn ihm die im Gesetz grundsätzlich vorgesehene „Chance zur zweiten Andienung“ eingeräumt worden wäre, hat das Berufungsgericht richtig erkannt (vgl RS0123969). Wenn es bezüglich dieser Kosten eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen durch das Erstgericht für notwendig erachtete, so entzieht sich dies der Beurteilung des Obersten Gerichtshofs.
6. Die Klägerin weist in ihrem Rekurs darauf hin, dass die Beklagte auch noch während des gerichtlichen Verfahrens das Vorliegen eines Mangels bestritten habe, weshalb sie im Hinblick auf die Verweigerung der Mangelbeseitigung durch die Beklagte selbst bei Annahme eines Mangelschadens berechtigt sei, die Reparaturkosten in Höhe des Klagsbetrags zu fordern. Darauf hat sich die Klägerin allerdings im Verfahren erster Instanz gar nicht berufen. Im Übrigen hat die Beklagte zwar im Einspruch vorgebracht, es liege kein Mangel vor, sie brachte aber außerdem vor, selbst wenn ein von ihr zu vertretender fehlerhafter Einbau der Glasscheibe vorgelegen sein sollte, wäre der geltend gemachte Anspruch der Höhe nach völlig ungerechtfertigt, sei ihr doch keine Gelegenheit zur Verbesserung gegeben worden (vgl dazu 8 Ob 14/08d, wo nicht beanstandet wurde, dass der Übergeber sowohl das Vorliegen eines Mangels bestritten als auch die voreilige Selbstverbesserung eingewendet hatte).
7. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurs hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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