European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00075.21D.0423.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens unterlässt der Revisionsrekurs jegliche Ausführungen zur Relevanz der behaupteten Mängel, sodass die Rüge nicht gesetzeskonform ausgeführt ist (vgl RS0120213 [T14]).
[2] 2. Nach Art 13 Abs 1 lit a HKÜ ist das Gericht des ersuchten Staates unter anderem dann nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, die sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist, dass die Person, der die Sorge für die Person des Kindes zustand, dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt oder dieses nachträglich genehmigt hat.
[3] Die Zustimmung iSd Art 13 Abs 1 lit a HKÜ kann grundsätzlich auch formfrei erklärt werden oder durch konkludentes Verhalten erfolgen (6 Ob 25/21a mwN). Ob sich die Zustimmung unmittelbar aus den Umständen ergibt, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden (6 Ob 25/21a; 6 Ob 130/20s). Eine Einzelfallbeurteilung ist für den Obersten Gerichtshof dabei nur dann überprüfbar, wenn den Vorinstanzen eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl RS0044088).
[4] 3. Im vorliegenden Fall bestand eine Vereinbarung dahin, dass „sie alle“ (gemeint beide Eltern und die Kinder) in Österreich leben wollten. Im Jänner 2020 wurde auch besprochen, dass die Mutter und die Kinder fix nach Österreich kommen, wo der Vater bereits seit 1991 lebte. Im Oktober 2020 wollte der Vater die Kinder bei der Mutter in Bosnien abholen. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung, in der der Vater der Mutter vorwarf, trotz ihrer Zusage zur Übersiedlung nach Österreich keine Schritte zur Umsetzung unternommen zu haben. Daraufhin übergab ihm die Mutter die Kinder und sagte: „Nimm sie mit! Du bekommst aber keine Sachen für die Kinder!“ In weiterer Folge fuhr der Vater mit den Kindern nach Österreich. Anschließend telefonierten die Eltern immer wieder, wobei die Mutter meinte, sie werde sich erkundigen, wann ein Bus nach Österreich fährt.
[5] Wenn die Vorinstanzen bei diesem Sachverhalt von einer (schlüssigen) Zustimmung der Mutter zu einer dauerhaften Aufenthaltsänderung der Kinder nach Österreich ausgingen, liegt darin keine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste.
[6] Soweit die Mutter meint, es habe lediglich eine „lose gemeinschaftliche Zukunftsplanung“ oder „lose Zukunftsträume“ gegeben, und von einer „spontanen Mitnahme“ der Kinder spricht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt.
[7] 4. Auch die Überlegungen der Mutter zum Zeitpunkt der Zustimmung zeigen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Die Mutter hat durch ihre Äußerung, sie werde schauen, wann ein Bus nach Österreich fährt im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass sie dem Vater in Aussicht stellte, sich auch um einen Pass für den älteren Halbbruder der beiden Kinder zu bemühen auch noch nach deren Übersiedlung ihre Zustimmung zum Aufenthalt der Kinder in Österreich signalisiert. Sie kann auch nicht überzeugend erklären, wie der Vater ihre Äußerung „Nimm sie mit!“ anders hätte verstehen sollen denn als ihre Zustimmung zum seit langem geplanten Umzug nach Österreich.
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