OGH 6Ob71/18m

OGH6Ob71/18m24.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen M***** Privatstiftung mit dem Sitz in L***** über den Revisionsrekurs der Privatstiftung, vertreten durch die Mitglieder des Stiftungsvorstands 1. P***** M*****, 2. H***** C*****, diese vertreten durch Dr. Georg Maxwald und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 26. Februar 2018, GZ 6 R 19/18h‑7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 2. Februar 2018, GZ 32 Fr 7751/17g‑4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00071.18M.0524.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die M***** Privatstiftung mit dem Sitz in L***** ist zu FN ***** im Firmenbuch eingetragen. Stifter waren E***** N***** und H***** N*****. Unter Punkt 18. der Stiftungsurkunde behielt sich der Erststifter während seiner Lebzeiten das Recht vor, die Stiftungsurkunde und etwaige Zusatzurkunden zu ändern, dies mit Ausnahme des Widerrufs der Stiftung.

Am 24. 10. 2017 änderte der Erststifter Punkt 18. der Stiftungsurkunde dahin, dass während der Lebzeiten beider Stifter diese gemeinsam die Stiftungsurkunde und etwaige Zusatzurkunden ändern können, dies mit Ausnahme des Widerrufs der Stiftung. Nach dem Ableben oder im Fall der Geschäftsunfähigkeit eines der beiden Stifter sei eine Änderung der Stiftungsurkunde oder etwaiger Stiftungszusatzurkunden durch den überlebenden beziehungsweise geschäftsfähigen Stifter zulässig.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag auf Eintragung dieser Änderung der Stiftungsurkunde ab. Das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle konkrete Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei Stiftermehrheit nach dem Entstehen der Privatstiftung ein Änderungsrecht eines Stifters, der sich das Änderungsrecht nicht vorbehalten hatte, im Wege einer (vorbehaltenen) Änderung durch einen anderen Stifter neu entstehen könne. In der Sache selbst verneinte das Rekursgericht diese Frage, weil ein Stifter nur sich selbst und nicht einem anderen Stifter Änderungen vorbehalten könne; das Änderungsrecht sei höchstpersönlich, also nicht übertragbar. Die Zweitstifterin habe sich aber ein Änderungsrecht nicht vorbehalten gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Ausgehend von § 1 Abs 1 PSG, wonach die Privatstiftung eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, ist das Vermögen der Stiftung grundsätzlich von jenem der Stifter getrennt zu betrachten; durch Errichtung der Stiftung verlieren auch die Stifter den Zugriff auf das Vermögen (RIS‑Justiz RS0052195 [T5]). Behält sich der Stifter das Recht zur Änderung der Stiftungserklärung oder zum Widerruf der Stiftung vor, so können sich daraus Einflussmöglichkeiten des Stifters ergeben, sodass das Prinzip der vollständigen Trennung der Stiftung vom Stifter nicht verwirklicht ist (RIS‑Justiz RS0115134 [T8], vgl RS0115134 [T16]). Ohne entsprechende Vorbehalte hat sich der Stifter seines Änderungsrechts beziehungsweise Widerrufsrechts jedoch endgültig begeben (RIS‑Justiz RS0115134 [T4]). Ist in der Stiftungserklärung kein Änderungsrecht vorbehalten, so kann dies nach Eintragung der Privatstiftung nicht mehr nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0120753 [T7]; Arnold, PSG³ [2013] § 33 Rz 36).

2. Bereits in der Entscheidung 6 Ob 61/04w führte der Oberste Gerichtshof aus, es sei grundsätzlich richtig, dass eine einmal getroffene Einschränkung des Änderungsrechts des Stifters nachträglich nicht wieder aufgehoben werden dürfe. Die Entscheidung 6 Ob 210/14x (GesRZ 2015, 144 [Briem] = PSR 2015/26 [Hartlieb] = ZfS 2015, 53 [Hochedlinger]) unterschied zwischen – einer nachträglichen Änderung nicht zugänglichen – „inhaltlichen“ Beschränkungen und bloßen „Modalitäten“ der Ausübung des Änderungsrechts; eine inhaltliche Beschränkung des Änderungsrechts wäre etwa eine in der ursprünglichen Stiftungserklärung vorgesehene Unmöglichkeit der Änderung der Begünstigtenregelung oder des Zwecks der Privatstiftung. Die Entscheidung 6 Ob 122/16h (GesRZ 2017, 181 [Kalss] = ZfS 2017, 59 [Kepplinger; Schauer, 156] = JEV 2017/7 [Hügel, 70] = wbl 2017/149 [Kraus, wbl 2018, 121] = ecolex 2017/452 [Rizzi]) hielt diese Auffassung aufrecht. In der Entscheidung 6 Ob 237/15v (GesRZ 2016, 237 [Hasch/Wolfgruber] = ecolex 2016/228 [Rizzi] = NZ 2016/50 [Umlauft, 404]) wurde klargestellt, dass dann, wenn zwar ein Änderungsrecht, aber kein Widerrufsrecht vorbehalten worden ist, ein Widerrufsrecht nachträglich auch nicht in Ausübung des Änderungsrechts eingeführt werden könne. Erst jüngst führte der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 228/17y zur Frage, ob eine inhaltliche Einschränkung eines Änderungsrechts zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgenommen werden könne, aus, es sei kein Grund ersichtlich, zwischen einer schon ursprünglich vorhandenen und einer erst später vorgenommenen Einschränkung des Änderungsrechts zu unterscheiden, und verneinte die Frage.

3. Aus dieser Rechtsprechung folgt für den hier zu beurteilenden Fall, dass die nachträgliche Einführung eines Änderungsrechts nicht zulässig ist und dies auch nicht dadurch umgangen werden kann, dass das Änderungsrecht des (hier: Zweit-)Stifters bloß in Ausübung des bestehenden Änderungsrechts des (hier: Erst‑)Stifters eingeführt werde. Auch damit würden die Änderungsmöglichkeiten gegenüber den bislang vorgesehenen Möglichkeiten inhaltlich erweitert, was aber nach der dargestellten Judikatur nicht zulässig ist. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch die vom Rekursgericht angestellte Überlegung, wonach das Änderungs- und Widerrufsrecht höchstpersönlich und unübertragbar ist (RIS‑Justiz RS0118046 [T9]).

Dass bei einem umfassenden, nicht eingeschränkten Änderungsvorbehalt in der Stiftungserklärung (§ 33 Abs 2 PSG) grundsätzlich jede Änderung der Stiftungsurkunde zulässig ist (RIS‑Justiz RS0120753), ändert daran nichts. Das Argument, dass damit auch ein Widerrufsrecht eingeführt werden könne, wurde bereits zu 6 Ob 237/15v (ErwGr 3.3–4.2) ausdrücklich abgelehnt; damit ist auch die vorliegende Sachverhaltskonstellation vergleichbar. Die Gegenmeinung von Ch. Nowotny (Urkunden und Privatstiftungen, in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen: Gestaltungs-möglichkeiten in der Praxis [2000] 134; ähnlich Schimka/Zollner, Aktuelles zum Widerruf einer Privatstiftung, PSR 2010/45, 168 und Feltl, GesRZ 2011, 378 [Entscheidungsanmerkung]) wurde bereits zu 6 Ob 72/11y (ErwGr 3.3 ff) ausdrücklich abgelehnt.

4. Damit war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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