Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 3.395,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 565,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der zum öffentlichen Gut gehörigen Liegenschaft EZ 50.000 KG St.Martin am Techelsberg mit dem als Gemeindeweg ("Karlweg") gewidmeten Grundstück 1787. Im Süden grenzt an diesen Gemeindeweg das Grundstück 238 (landwirtschaftliche Nutzfläche), welches zum Gutsbestand der EZ 2 KG St.Martin am Techelsberg mit dem Haus Arndorf Nr. 2 gehört. Bücherliche Eigentümer dieser Liegenschaft sind Ernst und Martina H*** je zur Hälfte. Mit dem als Notariatsakt errichteten Übergabsvertrag vom 24. Februar 1983 haben Ernst und Martina H*** diese Liegenschaft an ihre Tochter und an ihren Schwiegersohn - die beiden Kläger - übergeben. Der Übergabsvertrag war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz grundbücherlich noch nicht durchgeführt. Im Norden des öffentlichen Weges 1787 grenzen die Grundstücke 239 (landwirtschaftliche Nutzfläche) und 223 (Baufläche) an, welche zum Gutsbestand der EZ 475 KG St.Martin am Techelsberg mit dem Haus Arndorf Nr. 3 gehören. Grundbücherlicher Alleineigentümer dieser Liegenschaft ist Rudolf H***, ein Bruder des Ernst H***. Ursprünglich waren die beiden durch den öffentlichen Weg getrennten Liegenschaften EZ 2 und EZ 475 KG St.Martin am Techelsberg in der sogenannten "H***-Liegenschaft" vereinigt, deren Alleineigentümer Josef H*** war. Im Jahre 1976 kam es zur Teilung, wobei Josef H*** das Anwesen mit dem Haus Nr. 2 und Rudolf H*** jenes mit dem Haus Nr. 3 erhielt. Vorher war bereits im Jahre 1968 der öffentliche Weg mit einer Spritzdecke versehen und staubfrei gemacht worden. Im Jahre 1979 wurde ein Asphaltbelag aufgetragen. Seither wird der ca 2,4 m breite "Karlweg" unverändert bis zu seinem asphaltierten Südrand im Rahmen des Gemeindegebrauches benützt.
Alle diese Grundstücke sind offenbar noch nicht im Grenzkataster eingetragen (vgl. das unbestritten gebliebene Parteivorbringen der Beklagten AS 132).
Unter Berufung auf ihr "außerbücherliches Eigentum" am Grundstück 238 begehrten die Kläger mit ihrer am 18. November 1987 eingebrachten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der Asphaltdecke auf diesem Grundstück "im Bereich zur Grenze an die Wegfläche 1787 KG St.Martin am Techelsberg, in einer Länge von ca. 10 m und einer Breite von ca. 1,3 bis 1,5 m." Die Kläger behaupteten, ihnen sei mit Notariatsakt vom 24. Februar 1983 die Liegenschaft EZ 2 KG St.Martin am Techelsberg übergeben worden. Der von ihnen beanstandete Asphaltstreifen befinde sich auf "ihrem Grund" und nicht mehr auf dem öffentlichen Weg 1787. Dies sei dadurch bewirkt worden, daß Rudolf H*** in den Jahren 1978 oder 1979 an der Grenze seines Grundstückes 239 zum "Karlweg" eine Stützmauer und darüber hinaus vor seinem Haus ein - 1,3 m in das öffentliche Gut hineinragendes - Betonpodest (Stiegenaufgang) errichtet habe. Insbesondere wegen dieses Stiegenpodestes sei der Weg beim anschließenden Ausbau und seiner Asphaltierung im Jahre 1979 "natürlich zu schmal" geworden. Die Beklagte habe den Weg in diesem Bereich ohne vorheriges Einverständnis der Kläger in der ursprünglichen Breite asphaltiert, so daß er nunmehr an seiner tiefsten Stelle 1,3 m in ihr Grundstück 238 "hineinrage". Die Beklagte erhob den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation, weil das Grundstück 238 nicht im Eigentum der Kläger stehe. Auch könne von einer "Wegverschiebung" auf das Grundstück 238 keine Rede sein, weil sich der Stiegenaufgang des Rudolf H*** zur Gänze auf dessen Grundstück 239 befinde. Die Asphaltierung habe sich ausschließlich auf das Grundstück 1787 beschränkt, der Weg sei dabei weder verbreitert noch verlegt worden. Die Asphaltdecke sei auch im strittigen Bereich mit Zustimmung des Ernst und der Martina H*** als Eigentümer des Grundstückes 238 hergestellt worden. Die südliche Weggrenze gegenüber dem Grundstück 238 sei sowohl vor als auch nach der Asphaltierung in der Natur gleich verlaufen und von allen Beteiligten anerkannt worden (ON 20, AS 104). Der südliche Rand der Asphaltfahrbahn des Grundstückes 1787 beschreibe die tatsächliche Weg- und Nutzungsgrenze in der Natur zum Grundstück 238 seit unvordenklichen Zeiten, zumindest aber seit 50 Jahren (ON 26, AS 131 f).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es über den eingangs geschilderten Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Feststellungen traf:
Ursprünglich verlief die südliche Grenzlinie zwischen dem "Karlweg" und dem Grundstück 238 im jetzt strittigen Bereich in Übereinstimmung mit der Mappengrenze gerade. Als der Vater der beiden Brüder Ernst und Rudolf H***, Josef H***, etwa im Jahre 1953 auf dem Grundstück 239 ein Wohnhaus mit einer südlichen Fluchtlinie entlang der Grenze zum "Karlweg" erbaute und danach im Jahre 1975 zunächst er sowie in der Folge Rudolf H*** westlich des Hauses Nr. 3 ein Podest als Stiegenaufgang errichteten, welches zur Gänze auf dem "Karlweg" lag, weitete sich dieser im Laufe der Zeit in zunehmendem Maße bogenförmig nach Süden in das Grundstück 238 aus. Die spätere Asphaltierung folgte dem durch die Wegnutzung entstandenen Verlauf. Die Asphaltdecke ragt in diesem Bereich südlich auf einer Länge 10 m bogenförmig - an ihrer breitesten Stelle bis zu 2,4 m tief - in das Grundstück 238 hinein. Weder Ernst oder Martina H*** noch die beiden Kläger haben dieser Form der Asphaltierung zugestimmt. Ernst H*** erhob während der Asphaltierung und danach insbesondere bei der Beklagten, beim AMT DER K*** L*** und bei der B***
K***-LAND wiederholt Einwendungen gegen die Baumaßnahmen und gegen die Benützung seiner Grundstücksteile. Es kam zu mehreren öffentlichen Verhandlungen und Ernst H*** wäre schließlich im Vergleichswege damit einverstanden gewesen, daß die Asphaltdecke in ihrer jetzigen Breite verbleiben könne, wenn darauf in weißer Farbe die Grenzlinie zwischen den Grundstücken 1787 und 238 gekennzeichnet werde. Eine solche Kennzeichnung nahm die Beklagte aber nicht vor. Ernst H*** verlangte die Beseitigung der Asphaltdecke nicht nur mit einigen Eingaben an die Beklagte sondern auch im Rahmen einer an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gerichteten Sachverhaltsdarstellung. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Aktivlegitimation der Kläger, weil sie als außerbücherliche Erwerber der Liegenschaft ihre Rechte auch gegenüber Dritten geltend machen könnten, die nicht im Vertrauen auf den Grundbuchsstand erworben hätten. Wenn auch der Übergabsvertrag vom 24. Februar 1983 noch nicht verbüchert sei, so liege darin doch eine wirksame Willensübereinstimmung zwischen Ernst und Martina H*** einerseits und den Klägern andererseits in Ansehung der Übergabe der Liegenschaft EZ 2 KG St.Martin am Techelsberg an die beiden Kläger. Die Beklagte habe am strittigen Grundstreifen schon deshalb kein Eigentum ersessen, weil die Wegausweitung erst ab 1975 stattgefunden habe und somit die erforderliche Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sei. Wenngleich auch die Asphaltdecke bis zu einer Tiefe von 2,4 m in das Grundstück 238 hineinreiche, so sei doch im Sinne des Klagebegehrens deren Entfernung nur bis zu 1,5 m anzuordnen gewesen.
Das Gericht zweiter Instanz änderte das Ersturteil in Stattgebung der von der Beklagten erhobenen Berufung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht erachtete die Sache aus rechtlichen Gründen bereits als spruchreif, so daß es auf die Mängel- und Beweisrüge der Berufung nicht mehr einging. Es führte aus: Da die Kläger mangels der gemäß § 431 ABGB erforderlichen Erwerbungsart noch nicht Eigentümer des Grundstückes 238 seien, könne ihrer Klage nur unter den Voraussetzungen des § 372 ABGB ein Erfolg beschieden sein. Danach mögen sie zwar aufgrund des Notariatsaktes vom 24. Februar 1983 titulierte, redliche und echte Besitzer eines großen Teiles dieses Grundstückes sein, sie hätten sich aber niemals im Besitz der strittigen Teilfläche befunden, an der zumindest seit der Asphaltierung im Jahre 1979 die Beklagte den Naturalbesitz im Wege des Gemeingebrauches ausgeübt habe. Das Klagebegehren habe daher schon aus diesem Grunde abgewiesen werden müssen, so daß es nicht mehr darauf ankomme, ob es angesichts der völlig unzureichenden Beschreibung der Fläche, von der der Asphalt entfernt werden solle, in der vorliegenden Form überhaupt vollstreckbar wäre. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles oder auf Urteilsaufhebung. Die Beklagte stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Kläger nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), sie ist aber nicht berechtigt.
Die Kläger bestreiten nicht mehr die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, wonach sie zur Erhebung einer Eigentumsklage gemäß § 366 ABGB schon deshalb nicht berechtigt waren, weil sie sowohl nach ihrem Vorbringen als auch nach den diesbezüglich unbekämpften Feststellungen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz noch nicht Eigentümer des zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 2 KG St.Martin am Techelsberg gehörigen Grundstückes 238 gewesen sind. Nach der neueren, von der Lehre gebilligten Rechtsprechung vermag im Bereich der Herrschaft des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB), dessen Ausnahmen hier nicht vorliegen, die bloße Übergabe eines Grundstückes selbst bei Vorliegen eines zur Eigentumsübertragung hinreichenden Titels den Übergang des Eigentums nicht zu bewirken (SZ 56/125 mwN). Gemäß den §§ 431, 440 ABGB ist für den derivativen Erwerb des Eigentums an Grundstücken unter Lebenden die Eintragung des Erwerbsgeschäftes in das Grundbuch erforderlich. Der Titel allein gibt kein dingliches Recht, sondern nur einen obligatorischen Anspruch (SZ 59/145 mwN). Das bedeutet, daß weder der bloße Titel (hier: Übergabsvertrag) verbunden mit der Einräumung des faktischen Besitzes noch die bloße Eintragung jeweils für sich allein Eigentum verschaffen können (SZ 58/177; BankArch. 1988, 401 ua). Im übrigen erkennen die Rechtsmittelwerber selbst, daß es sich bei ihrem Sachvorbringen in der Revision, wonach sie nunmehr seit 7. März 1989 grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft seien, um eine unzulässige Neuerung handelt.
Die Käger haben sich aber im erstinstanzlichen Verfahren auf den Notariatsakt vom 24. Februar 1983 berufen, mit dem ihnen die Liegenschaft EZ 2 KG St.Martin am Techelsberg von den bücherlichen Eigentümern übergeben worden sei. Hiezu liegt kein konkretes Sachgegenvorbringen der Beklagten vor, so daß die Klagsbehauptung gemäß § 267 ZPO als zugestanden zu gelten hat. Im übrigen traf das Erstgericht auch entsprechende Tatsachenfeststellungen, die unbekämpft geblieben sind. Als außerbücherliche Erwerber des Grundstückes 238 könnten die Kläger daher zur Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum gemäß § 372 ABGB berechtigt sein. Diese publizianische Klage steht nach herrschender Lehre und Rechtsprechung unter anderem gerade auch dem außerbücherlichen Erwerber, der eine Liegenschaft zwar durch einen tauglichen Rechtstitel erworben hat, dessen Eigentumserwerb aber wegen Nichteinhaltung des gesetzlich vorgesehenen Modus unterblieben ist, gegen jeden Dritten zu, dem kein Recht oder nur ein schwächeres Recht zukommt. Voraussetzung ist allerdings, daß ihm vom Eigentümer (Vormann) bereits der physische Besitz der Liegenschaft eingeräumt worden ist, er sich also bereits im fehlerfreien Ersitzungsbesitz der Liegenschaft befindet (Apathy, Die publizianische Klage, 51 f;
Koziol-Welser, Grundriß8, II, 36; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 372; Schwimann/Pimmer, ABGB, II, § 372 Rz 5; SZ 28/31;
SZ 41/112; EvBl 1979/86 ua). Hier liegt auch die wesentliche Funktion der Klage nach § 372 ABGB, dem solcherart qualifizierten Erwerber den verlorenen Besitz wieder zu verschaffen, wenn der Beklagte überhaupt keinen Besitztitel nachzuweisen vermag (Apathy, aaO, 44). Der Kläger hat daher nicht nur einen gültigen und tauglichen Rechtsgrund, sondern auch seinen ihm entzogenen oder doch beeinträchtigten Naturalbesitz und dessen Echtheit zu behaupten und zu beweisen (Apathy aaO 45; Schwimann/Pimmer, aaO). Die Klage nach § 372 ABGB steht nämlich nur demjenigen zu, der im rechtmäßigen, redlichen und echten Besitz einer Sache war und ihn verloren hat (NZ 1986, 280 mwN).
Auf den titulierten außerbücherlichen Erwerb einer Liegenschaft angewendet bedeutet dies, daß eine tatsächliche Übergabe in den körperlichen Besitz erfolgt sein muß, der - wenn auch nur kurze Zeit - bestanden hat. Wurde aber bereits dem Vormann des außerbücherlichen Erwerbers die tatsächliche Sachherrschaft über ein ganzes, zum Gutsbestand der Liegenschaft gehöriges Grundstück, oder auch nur über einen bestimmten Teil eines solchen Grundstückes entzogen, so kann trotz erfolgter physischer Übergabe der übrigen Liegenschaft ein titulierter Besitzerwerb des Nachmannes am betreffenden Grundstück oder Grundstücksteil nicht stattfinden. Das Berufungsgericht hat auch entgegen der Meinung der beiden Revisionswerber zutreffend erkannt, daß gerade dieser Fall hier schon nach dem Klagevorbringen vorliegt: Danach erfolgte nämlich die Asphaltierung des "Karlweges" unter Inanspruchnahme von Teilen des Grundstückes 238 im beanstandeten Bereich bereits im Jahre 1979, also vier Jahre bevor die Liegenschaft EZ 2 KG St.Martin am Techelsberg an die Kläger übergeben wurde. Damit ist aber bereits den beiden Vormännern der Kläger die tatsächliche Sachherrschaft am fraglichen Grundstücksteil entzogen worden, weil dieser seither im Wege des Gemeingebrauches als öffentliches Gut von der Allgemeinheit benützt wurde. Ernst und Martina H*** können daher mit der Übergabe der genannten Liegenschaft an die Kläger im Jahre 1983 an diese am strittigen Teil des Grundstückes 238 nicht mehr den Naturalbesitz eingeräumt haben, weil ihnen selbst damals die Sachherrschaft darüber längst entzogen war. Sind die Kläger aber selbst nie Besitzer der strittigen Grundfläche gewesen, dann können sie schon aus diesem Grunde ihre Klage nicht mit Erfolg auf § 372 ABGB stützen. Die Abweisung des solcherart unschlüssigen Klagebegehrens erweist sich demnach als berechtigt, so daß die Frage, ob es nach § 226 ZPO überhaupt ausreichend bestimmt und exequierbar ist, dahingestellt bleiben kann. Der Revision mußte jedenfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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