OGH 6Ob606/94

OGH6Ob606/9413.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Handelsgesellschaft mbH,***** vertreten durch Dr.Peter Prettenhofer und Dr.Peter Jandl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V*****bank, *****vertreten durch Dr.Wolfgang Hirsch, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 232.200 S (Revisionsinteresse 38.700 S) sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des gerichtes als Berufungsgerichtes vom , GZ , womit infolge Berufung der klagenden/beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.Jänner 1994, GZ 1 b R 301/93-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 21.Oktober 1993, GZ 2 C 491/93-10, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes unter Einschluß des vom Berufungsgericht unangefochten abgeänderten Teiles insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 193.500 S samt 5 % Zinsen seit 15.November 1992 zu bezahlen und die mit 29.101 S anteilig bestimmten Verfahrenskosten (darin 4.197 S Umsatzsteuer und 5.204 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Das Mehrbegehren des Inhalts, die beklagte Partei seit weiters schuldig, der klagenden Partei den weiteren Betrag von 38.700 S samt 14 % Zinsen seit 15.November 1992 sowie 9 % Zinsen aus 232.200 S seit 15. November 1992 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.224 S anteilig bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 2.204 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.593 S anteilig bestimmten Barauslagen des Berufungsverfahrens (Pauschalgebühr) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,84 S Umsatzsteuer und 3.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei erhielt einen Auftrag zur Lieferung von 250 elektronischen Bauteilen, von denen die letzten 125 auf Abruf bis spätestens 31.Dezember 1992 zu liefern waren, jedoch nicht abgerufen, geliefert und bezahlt wurden, weil über das Vermögen der Käuferin der Konkurs eröffnet worden und der Masseverwalter in den Kaufvertrag nicht eingetreten war. Die beklagte Partei hatte für die Käuferin und spätere Gemeinschuldnerin zugunsten der klagenden Verkäuferin eine Garantie für die ordnungsgemäße Bezahlung der Lieferung erstellt. Die Vorinstanzen gaben dem Zahlungs-Klagebegehren auf - garantierten - Ersatz des Schadens (Differenz zwischen dem mit der Käuferin vereinbarten und dem nach Rücktritt des Masseverwalters bei einem "Notverkauf" mit 20 % Abschlag erzielten Kaufpreis der nicht mehr abgenommenen elektronischen Bauteile) von 232.000 S inclusive 20 % Umsatzsteuer von 38.700 S statt. Zum Zuspruch von Umsatzsteuer führte die zweite Instanz, die das Ersturteil in der Hauptsache bestätigte und die ordentliche Revision nicht zuließ, unter Hinweis auf die Entscheidung VwGH 1154/67 aus, daß es sich beim Ersatz des aus vorzeitiger Vertragsauflösung resultierenden Schadens um sogenannten "unechten" und daher umsatzsteuerpflichtigen Schadenersatz handle.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei, die sich nur gegen den Zuspruch des Umsatzsteuerbetrages von 38.700 S sA wendet, ist zulässig und berechtigt.

Der Anspruch auf Ersatz (auch) der Umsatzsteuer hat zur Voraussetzung, daß den ersatzberechtigten Geschädigten selbst eine Steuerpflicht traf, somit eine Lieferung oder sonstige Leistung iS des § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1972 vorliegt. Das Umsatzsteuerrecht kennt den Begriff des Schadenersatzes nicht (Kolacny-Mayer, Umsatzsteuergesetz 1972, Anm 22 zu § 1 UStG). Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der - hier von der beklagten Partei als einem dritten Garanten zu erbringenden - Schadenersatzleistung kommt es allein darauf an, ob einer Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) des Leistungsempfängers gegenübersteht, also ein wirtschaftlicher Leistungsaustausch stattfindet (RdW 1992, 17 = ecolex 1992, 318 mwN; GesRZ 1990, 42 = RdW 1989, 131; VwSlg 6394/F ua; Doralt-Ruppe, Grundriß des österr.Steuerrechts4 289). Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, daß bei Schadenersatzleistungen für die Verursachung eines Schadens oder ein Einstehenmüssen für einen solchen kein Leistungsaustausch und demnach sogenannter "echter", nicht der Umsatzsteuer unterliegender Schadenersatz vorliegt. Wer einen solchen Schadenersatz gewährt, leistet nicht deshalb, weil er vom Schadenersatzempfänger eine Lieferung oder Leistung empfangen hat oder empfangen will, sondern aus anderen Gründen (SZ 56/157, SZ 51/119 = ÖBl 1979, 28; 7 Ob 521/86; VwSlg 6394/F; Kolacny-Mayer aaO Anm 22 zu § 1 UStG; Doralt-Ruppe aaO 289;

Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer-Paukowitsch, Kommentar zum UStG, Anm 8 zu § 3; Kranich-Siegl-Waba-Cagasek, Mehrwertsteuer-Handbuch5 Anm 7 zu § 1). Stellt dagegen die Ersatzleistung des Schädigers eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Geschädigten dar - wie etwa bei der Schadensbeseitigung im Auftrag und im Interesse des Schädigers -, dann liegt ein Leistungsaustausch und somit "unechter Schadenersatz" vor (RdW 1992, 171 mwN; Kolacny-Mayer aaO Anm 22 zu § 1 UStG; Doralt-Ruppe aaO 289). Ob "echter" oder "unechter" Schadenersatz vorliegt, ist jeweils im Einzelfall auf Grund der gegebenen Verhältnisse nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu überprüfen (RdW 1992, 171; Kolacny-Mayer aaO Anm 22 zu § 1 UStG).

Hier ergibt sich dazu folgendes:

Nach neuerer Rechtsprechung wird durch den Rücktritt des

Masseverwalters nach § 21 Abs 1 KO der Vertrag nicht aufgelöst,

sondern es unterbleibt nur die weitere Erfüllung (WBl 1991, 403; SZ

61/170 = EvBl 1989/62 = RZ 1988/61 = RdW 1988, 452 = WBl 1988, 439;

SZ 61/31 = WBl 1988, 203; SZ 54/168 = EvBl 1982/52 = HS 12.962,

13.406; SZ 39/147 = EvBl 1967/227; vgl dazu auch Pitkowitz, Wirkt der

Rücktritt des Masseverwalters gem § 21 KO ex tunc ? in ÖJZ 1990, 677 ff mwN zur Lehre) und es wandelt sich der Erfüllungsanspruch des vertragstreuen Teils in einen von einem Verschulden des Gemeinschuldners unabhängigen Schadenersatzanspruch (SZ 56/78 = EvBl 1983/166 = MietSlg 35.908 = RdW 1984, 206; SZ 54/18, SZ 39/147), der eine Konkursforderung bildet. Ein Leistungsaustausch - mit der Gemeinschuldnerin - fand in Ansehung der von der Käuferin nicht mehr abgenommenen und von der klagenden Partei nach dem Vertragsrücktritt des Masseverwalters an einen Dritten verkauften 125 elektronischen Bauteile nicht statt; der Schaden der klagenden Partei liegt auch in der Differenz zwischen dem mit der Käuferin vereinbarten und mit dem Dritten beim "Notverkauf" erzielten Kaufpreis. Kommt es nicht zum Umsatzgeschäft, weil der Kaufvertrag nicht erfüllt wird, und wird dann vom vertragstreuen Teil Schadenersatz begehrt, steht dem keine Gegenleistung gegenüber. Es liegt daher kein steuerpflichtiger Vorgang und demnach "echter" Schadenersatz vor (Doralt-Ruppe aaO 289;

Doralt-Hassler-Sauerland, Die österr.Umsatzsteuer ab 1973, 42; vgl auch VwGH MietSlg 42.588 = WoBl 1991/93 mit Anm von Arnold;

Kolacny-Mayer aaO Anm 23 zu § 1 UStG mwN). Dies gilt auch für die Nichterfüllung des Kaufvertrages infolge Vertragsrücktritts des Masseverwalters nach § 21 KO (vgl zu halbfertigen Bauten Kolacny-Mayer aaO Anm 30 zu § 1 UStG "Konkurs"). Die von der zweiten Instanz zur Stützung ihrer Auffassung herangezogene - in Doralt-Ruppe aaO 289 als Beleg für unechten Schadenersatz ("Entschädigung für vorzeitige Vertragsauflösung") zitierte - Entscheidung VwGH 1154/67 bezieht sich auf die Entschädigung des selbständigen Handelsvertreters nach § 25 HVG (1921) und damit die Abgeltung für frühere Leistungen des Handelsvertreters, soweit diese über die Auflösung des Vertragsverhältnisses hinaus zu Vorteilen für den Geschäftsherrn geführt haben. Dort lag somit, anders als hier, ein Leistungsaustausch vor. Leistungen von Versicherern für eingetretene Versicherungsfälle werden als "echter" Schadenersatz beurteilt (Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Anm 164 zu § 1 UStG; Doralt-Ruppe aaO 289). Gleiches hat für Leistungen von Garanten in Ansehung von Schadenersatz-Garantieleistungen zu gelten.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist die Leistung von Schadenersatz nach § 21 Abs 2 zweiter Satz KO mangels Vertragserfüllung eines Kaufvertrages wegen Vertragsrücktritts des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen des Käufers nicht umsatzsteuerpflichtig, auch wenn dieser Schadenersatz durch einen dritten Garanten gegenüber dem geschädigten Begünstigten zu erbringen ist.

Demgemäß ist der Revision im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz fußt auf § 43 Abs 1 und 2 iVm § 50 ZPO, über die Kosten des Revisionsverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Der klagenden Partei wurden infolge mit der Berufung verbundenen Kostenrekurses der beklagten Partei mit dem Berufungsurteil für das Verfahren erster Instanz Kosten von 43.651,20 S (darin 6.295,10 S Umsatzsteuer und 6.240 S Barauslagen als Pauschalgebühr) zugesprochen. Angesichts eines Obsiegens mit 83,4 % (unter Vernachlässigung der geringfügigen Zinsenteilabweisung) hat sie Anspruch auf Ersatz von 83,4 % ihrer Barauslagen und 2/3 ihrer übrigen Kosten; dies ergibt einen Zuspruch von (gerundet) 29.101 S (darin 4.197 S Umsatzsteuer und 5.204 S Barauslagen). Für das Verfahren zweiter Instanz sprach die zweite Instanz Kosten von 19.836,60 S (darin 3.306,10 S Umsatzsteuer) zu; auf Grund der Ergebnisse des Revisionsverfahrens stehen der klagenden Partei davon nur 2/3 zu, das sind 13.224 S (darin 2.204 S Umsatzsteuer). Die beklagte Partei hat dagegen nach § 43 Abs 1 dritter Satz ZPO für das Berufungsverfahren Anspruch auf Ersatz von 16,6 % ihrer Barauslagen (Pauschalgebühr von 9.600 S), das sind 1.593 S.

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