OGH 6Ob600/94

OGH6Ob600/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz W*****, vertreten durch Dr.Herbert Pflanzl und Dr.Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Raiffeisenkasse O***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 675.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15.Februar 1994, GZ 3 R 12/94-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. Oktober 1993, GZ 3 Cg 247/92-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 32.601,60 (darin S 5.433,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 43.555,20 (darin S 3.259,20 Umsatzsteuer und S 24.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger zeichnete im Oktober 1985 eine Kommanditbeteiligung an der Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilschein OHG Serie 14 (Beteiligungsgesellschaft), die von der Sparkasse Bregenz TreuhandgesmbH gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Ausgabe von Hausanteilscheinen der Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilschein OHG Serie 14 treuhändig gehalten wurde. Der Ausgabepreis betrug S 600.000, die Mindestvertragsdauer 10 Jahre. Zur Finanzierung dieses Geschäftes nahm der Kläger bei der beklagten Partei einen Kredit auf. Er begehrt die Feststellung, daß zwischen den Streitteilen zu Konto Nr.331413 ein rechtswirksamer Darlehens-(richtig: Kredit-)vertrag nicht zustande gekommen sei, in eventu dessen Aufhebung wegen listiger Irreführung. Er brachte dazu im wesentlichen vor, hinsichtlich des Kreditvertrages sei Dissens vorgelegen. Ein Verkaufsberater der Beteiligungsgesellschaft habe erklärt, daß das Geschäft ohne jegliches Eigenrisiko mit einem Kredit der beklagten Partei finanziert werden könne, ohne daß der Kläger mit seinem Privatvermögen hafte. Es sei lediglich der Abschluß einer Lebensversicherung über S 300.000 und deren Vinkulierung zugunsten der beklagten Partei erforderlich. Daneben sollte ausschließlich der Hausanteilschein die für die beklagte Partei erforderliche Bonität begründen. Die Bedienung des Kredites sollte ausschließlich durch die Ausschüttungen der Seriengesellschaft und durch die beim Kläger für Kreditzinsen anfallenden Steuerrückvergütungen erfolgen. Der Kläger habe den Kreditantrag in der Überzeugung unterschrieben, daß dessen Inhalt den Erklärungen des Verkaufswerbers der Beteiligungsgesellschaft entspreche. Die beklagte Partei müsse sich dessen Verhalten zurechnen lassen, weil über ihn der gesamte Kontakt zwischen den Streitteilen abgewickelt worden sei. Die Annahmeerklärung der beklagten Partei sei, im nachhinein betrachtet, erheblich vom Anbot des Klägers abgewichen, weil sie eine weitergehende Haftung des Klägers enthalte und auch vorsehe, daß dieser Leistungen aus seinem persönlichen Vermögen hätte zuschießen sollen. Über Inhalt und Umfang der Verpflichtungen des Klägers sei daher keine Einigung zustande gekommen. Da die beklagte Partei in wirtschaftlicher Einheit mit der Beteiligungsgesellschaft gehandelt habe, stünden alle Einwendungen des Klägers gegen letztere auch gegen die beklagte Partei zu, die über die schlechte finanzielle Situation der Beteiligungsgesellschaft und deren unzureichende, nicht den Vereinbarungen entsprechende Geschäftsgebarung als kontoführende Bank Bescheid gewußt habe. Die problematische Situation der Beteiligungsgesellschaft ergebe sich daraus, daß diese seit Mitte 1989 nicht mehr in der Lage sei, Dividenden auszuzahlen. Die beklagte Partei sei überdies schadenersatzpflichtig aus dem Titel der Prospekthaftung.

Die beklagte Partei wandte ein, der Kläger habe ein Standardkreditformular unterschrieben, in welchem unmißverständlich seine Zinszahlungs- und Rückzahlungsverpflichtung enthalten sei. Dieses Anbot auf Abschluß eines ganz normalen Personalkredites habe die beklagte Partei angenommen. Von einem Dissens könne keine Rede sein. Im übrigen habe der Kläger noch im Jahr 1989 an seinen Verpflichtungen aus dem geschlossenen Kreditvertrag nicht gezweifelt und - erfolgreich - um Zinssenkung und Freigabe von Sicherheiten ersucht. Eine Zusammenarbeit mit der Beteiligungsgesellschaft habe es nicht gegeben. Eine allfällige schlechte Wirtschaftslage der Beteiligungsgesellschaft, in deren Geschäftsgebarung die beklagte Partei keinen Einblick gehabt habe, sei nicht bekannt gewesen. Ein Einwendungsdurchgriff komme mangels der Möglichkeit, das Konsumentenschutzgesetz analog auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, ebensowenig in Betracht wie eine Prospekthaftung. Die beklagte Partei sei an der Prospekterstellung nicht beteiligt gewesen.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren unter Zugrundelegung des folgenden wesentlichen Sachverhaltes ab:

Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Ausgabe von Hausanteilsscheinen an der Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilschein OHG Serie 14 durch die Sparkasse Bregenz Treuhand Gesellschaft mbH ist der genannte Hausanteilschein eine Urkunde über einen Anteil an der von der Sparkasse Bregenz TreuhandgesmbH zu haltenden Beteiligung an der Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilschein OHG Serie 14. Diese Gesellschaft ist eine offene Handelsgesellschaft, deren Zweck der Erwerb von geldlastenfreien Immobilienobjekten, Liegenschaften und Grundstücken sowie auch Anteilen davon, die Bebauung und Bestandgabe und sonstige Verwertung dieser Immobilien und Veranlagung der Gesellschaftsmittel in sonstigen hypothekarisch sichergestellten und durch Banken und Sparkassen veanlagten Vermögenswerten sowie die Beteiligung an Gesellschaften mit gleichem oder ähnlichem Unternehmensgegenstand ist. Der Zeichner ist am Gewinn und Verlust der Gesellschaft im Verhältnis des Standes des sogenannten Kontos 1 zur Gesamtsumme der von der Serie 14 gehaltenen Konten 1 beteiligt. Der Treuhänder ist unter anderem verpflichtet, seine Tätigkeit unter Wahrung der Interessen aller Zeichner vorzunehmen, was heißt, das das Gesamtinteresse aller Zeichner Vorrang vor dem Einzelinteresse hat. Zu diesem Zweck ist der Treuhänder berechtigt, zu zustimmungspflichtigen Handlungen der Geschäftsführung ohne vorhergehende Rücksprache mit dem Zeichner seine Zustimmung zu erteilen. Zur Vertretung gegenüber der Ausgabegesellschaft der Hausanteilscheine ist in sämtlichen wie immer gearteten Angelegenheiten ausschließlich der Treuhänder berechtigt. Nur er kann Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft nehmen sowie alle erforderlichen Erklärungen verlangen. Für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses nach zehn Jahren steht dem Zeichner ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe der saldierten Konten 1-5, welche die Wertsteigerung berücksichtigen, unter Ausschluß weitergehender Ansprüche zu. Eine Rücknahmegarantie ist in den Verträgen nicht enthalten.

In der zweiten Jahreshälfte 1985 kam es zu Gesprächen zwischen einem Mitarbeiter jener Gesellschaft, die für die Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilschein OHG Serie 14 den Verkauf der Anteilsscheine organisierte (Immobilien- und Versicherungswerbungs AG) und dem Kläger. Die beiden waren bereits länger miteinander bekannt; der Vertreter hatte dem Kläger einige Jahre vorher schon ein ähnliches Geschäft vermittelt, das gut funktioniert hatte. Nunmehr warb der Vertreter damit, er habe eine todsichere Sache, es handle sich um eine Beteiligung an einer Hausanteilscheingesellschaft, bei welcher der Kläger letzten Endes aus der eigenen Tasche überhaupt kein Geld aufbringen müsse, wenn er den Erwerb seiner Beteiligung mittels Kredit finanziere. Der Kredit könne durch zehn Jahre hindurch aus den Ausschüttungen der Gesellschaft einerseits und Steuerrückvergütungen für die Kreditzinsen andererseits bedient werden. Nach Ablauf von zehn Jahren habe der Kläger die Möglichkeit, seine Beteiligung abzugeben, wobei bereits jetzt ein schriftliches Rückkaufangebot der IV AG vorliege. Der Kläger bekomme seine Beteiligung samt Wertsteigerung zurück und könne mit einem Teil dieses Geldes den offenen Kredit endgültig abdecken. Als Kreditgeber könne er die beklagte Partei anbieten, welche mit Ausnahme der Verpfändung des Hausanteilscheines und der Vinkulierung einer Lebensversicherung vom Kläger keine weiteren Sicherheiten verlange. Der Vertreter der Verkaufsorganisation wies dem Kläger Berechnungslisten der IV AG vor, welche auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers zugeschnitten waren und die Ausführungen des Vertreters stützen sollten. Diese Berechnung zeigte, daß der Kläger zum Erwerb eines Hausanteilscheines im Nominale von S 600.000 einen Kredit in Höhe von S 675.000 aufzunehmen habe, welcher mit 9 %, nach Steuern mit 4,05 % zu verzinsen sei. Die Zinsen betrügen pro Jahr S 60.750, welche aus den Ausschüttungen der Gesellschaft und Steuerrückvergütungen zur Gänze aufgebracht werden könnten. Nach zehn Jahren betrage der Rücknahmewert der Immobilien mindestens S 900.000. Für die Ablebensversicherung habe der Kläger monatlich S 327 zu bezahlen. Eine Zeichnung auf diesem Berechnungsblatt suggeriert, daß der Anteilsscheinzeichner nichts anderes zu tun habe, als die Versicherungsprämie von monatlich S 327 zu bezahlen und sich im übrigen in seinen Polstersessel zurücklehnen und das Geld sich selbst vermehren lassen könne. Die Steuerrückvergütung des Finanzamtes von jährlich S 33.412,50 ergebe sich aus der Absetzbarkeit der Kreditzinsen. In einer beigelegten Broschüre wird die Hausanteilscheinserie wie folgt beschrieben: "Während die Serie 16 die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft hat, wurde die Serie 14 als offene Handelsgesellschaft gegründet. Ohne jegliches Risiko für den Zeichner (Geschäftsumfang ausschließlich zur Haltung eigenen Vermögens, welches nur mit Eigenkapital angeschafft wurde, kein Konkurs möglich!), wird mit der Serie 14 OHG bei Kreditfinanzierung die jährliche Absetzbarkeit der Kreditzinsen als Sonderwerbungskosten dauerhaft sichergestellt.

Als sich der Kläger zum Abschluß eines solchen Geschäftes entschlossen hatte, legte ihm der Mitarbeiter der Verkaufsorganisation eine Reihe schriftlicher Unterlagen vor, darunter auch die Kreditunterlagen der beklagten Partei, welche diese der Verkaufsgesellschaft im Rahmen einer Abmachung überlassen hatte und welche diese wiederum den einzelnen Mitarbeitern bei Bedarf weitergab. Dem Kläger wurden ein Kreditantragsformular, ein Pfandvertragsformular für den Hausanteilsschein, ein Verpfändungsformular für die Versicherungspolizze, ein Ermächtigungsschreiben an die beklagte Partei, Ansprüche aus der abgeschlossenen Lebensversicherung geltend zu machen, ein Schreiben an die Versicherung, in welchem diese zur Durchführung der Schritte gegenüber der beklagten Partei verpflichtet wurde, Kontoeröffnungsformulare, Unterschriftsprobenblätter und Abbuchungsaufträge für Lastschriften vorgelegt. Das Kreditantragsformular füllte der Vermittler nach den Angaben des Klägers aus. Dieser gab ein monatliches Nettogehalt von S 26.000 und als Beruf Vertreter, als Aktivvermögen einen Hälfteanteil an einer nicht näher genannten Liegenschaft in Wals, deren Schätzwert 3,5 Mio betrage, Schulden von S 160.000 bei der Bausparkassse mit monatlichen Tilgungsraten von S 1.600, als monatlich zur Verfügung stehend für die Lebenshaltung einen Betrag von S 22.000, als Familienstand verheiratet und die Sorgepflicht für ein Kind an. Als Bescheinigungsmittel wurde dem Kreditantrag der Lohnzettel des Klägers für das Jahr 1984 angeschlossen. Der Kreditantrag trägt das Datum 24.10.1985. Dasselbe Datum trägt der vom Kläger unterfertigte Abstattungskreditvertrag. Nach diesem gewährt der Kreditgeber dem Kreditnehmer für die Zeichnung von Immobilienzertifikaten aus Anteilsscheinserie 14 B der Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilsschein OHG einen Kredit von S 675.000. Der Kredit ist in 120 gleichbleibenden Raten a S 5.203 zurückzuzahlen. Die Höhe der letzten Rate ergibt sich aus dem Abschluß des Kontos. Der Kredit ist bis zum 1.11.1995 zur Gänze zu tilgen. Über der Unterschrift des Klägers unter der Rubrik Sicherheiten ist festgehalten, "Zur Besicherung des Kredites werden uns die von der Sparkasse Bregenz & Co Hausanteilschein Serie 14 B gehaltenen Hausanteilsscheine der Serie 14 B während der Kreditlaufzeit gemäß separatem Abtretungsvertrag verpfändet. Zur weiteren Sicherstellung für diesen Kredit verpfändet Herr Franz W***** (Kläger) sämtliche Forderungen undAnsprüche aus der bei der Bundesländer Versicherung abgeschlossenen Kreditrestschuldversicherung Polizzennummer..... mit einer Versicherungssumme von S 300.000 gemäß separater Vereinbarung." Der Kläger erhielt von der beklagten Partei den von ihr unterfertigten und mit Bewilligungsvermerk vom 12.11.1985 und der Kontonummer 331413 versehenen Kreditvertrag ebenso in Kopie wie die übrigen für die Bank bestimmten von ihm unterfertigten Unterlagen.

Der Mitarbeiter der Vertriebsgesellschaft hat sich dem Kläger gegenüber zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich als Vertreter der beklagten Partei ausgegeben. Es kann nicht festgestellt werden, daß er dem Kläger gegenüber jemals die Zusicherung gegeben hätte, den Kläger werde aus diesem Kreditvertrag keine persönliche Haftung treffen, wohl aber, daß die von ihm vorgeschlagene Anlageform für den Kläger risikolos sei.

Anläßlich des Vertragsabschlusses kam auch zur Sprache, was geschehe, wenn sich das Einkommen des Klägers verringere, wodurch sich auch der Steuervorteil für den Kläger verringern oder ganz wegfallen könnte. Hiezu erhielt der Kläger die Auskunft, für einen solchen Fall gebe es einen Sekundärmarkt, man könne den Hausanteilschein auch weiterverkaufen.

Bis 1989 konnten die Zinsen auf dem Kreditkonto des Klägers aus den Ausschüttungen der Gesellschaft zuzüglich der Steuerrückvergütungen durch das Finanzamt abgedeckt werden. Anfang 1989 sprach der Kläger bei der beklagten Partei vor und ersuchte unter Hinweis auf die besseren Konditionen bei seiner Hausbank, der S***** Sparkasse, um einen niedrigeren Zinssatz. Weiters bemühte er sich um eine Devinkulierung seiner Lebensversicherung unter Verweis auf die Sicherheit des Kredites durch seinen Liegenschaftsbesitz. Beide Ansuchen wurden von der beklagten Partei bewilligt. Der Kläger erwähnte nicht, ihm sei bei Vertragsabschluß nicht klar gewesen, daß ihn eine persönliche Haftung für den Kredit treffe.

Ab Mitte 1989 blieben die Ausschüttungen der Beteiligungsgesellschaft aus. Die bis dahin vorgenommenen Umbuchungen vom Girokonto des Klägers auf das Kreditkonto waren nicht mehr möglich. Auf diesem ergab sich daher ein Rückstand, welchen die beklagte Partei durch Zusendung von EDV-Mahnungen dem Kläger mitteilte. Dieser leistete keine Rückzahlungen. Die Beklagte lehnte einen Wunsch des Klägers auf Bestätigung, daß er persönlich für den Kredit nicht hafte, am 4.9.1990 ab.

Die beklagte Partei kam im Jahre 1985 mit der Beteiligungsgesellschaft sowie der Vertriebsgesellschaft für die Hausanteilscheine in Kontakt. Deren maßgebliche Vertreter ersuchten die beklagte Partei, für den Ankauf von Hausanteilscheinen durch Interessenten Kredite zur Verfügung zu stellen. Die beklagte Partei erklärte sich bereit, Finanzierungen bis zu einem Gesamtvolumen von 10 bis 15 Mio durchzuführen. Es wurden die Kreditbedingungen, die die beklagte Partei Kreditwerbern bieten konnte, die Sicherheiten und benötigten Urkunden besprochen. So war eine Vorgangsweise vereinbart, wie sie auch beim Kläger eingehalten wurde. Die Kreditsummen sollten zwischen einer halben Million und 1 Mio S betragen. Die beklagte Partei verließ sich dabei auf die Auskünfte über die persönlichen Verhältnisse in den an sie geleiteten Kreditanträgen. Bei Zweifelsfällen über eine ausreichende Bonität des Kreditwerbers nahmen die Mitarbeiter der Vertriebsgesellschaft Kontakt mit der beklagten Partei auf und ersuchten um Auskunft, ob mit einer Kreditgewährung gerechnet werden könne. Die Geschäftsgebarung und die Bonitätsentwicklung der Hausanteilscheinsgesellschaft sowie der Treuhandgesellschaft waren der beklagten Partei nicht bekannt. Die Ursachen, warum die Ausschüttungen der Seriengesellschaft im Jahre 1989 eingestellt wurden oder eingestellt werden mußten, konnten mangels ausreichender Beweisanbote nicht festgestellt werden.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, ein Dissens beim Vertragsabschluß liege nicht vor. Der Kläger habe einen nach seinen Angaben ausgefüllten Kreditantrag unterfertigt, der von der beklagten Partei in unveränderter Form angenommen worden sei. Eine Zusicherung, daß der Kläger keinesfalls aus eigenen Mitteln den Kredit zurückzahlen müsse, habe der Vertreter der IV AG nicht gemacht. Auch ein wesentlicher Irrtum sei zu verneinen. Der in geschäftlichen Dingen nicht unerfahrene Kläger habe zwar aufgrund der mündlichen Zusagen des Vermittlers das Risiko der Geldanlage in Hausanteilsscheinen für gering erachtet; die Naivität, daß diese Vermögensanlage zu 100 % sicher sei, sei ihm aber nicht zuzutrauen. Dies würde zu dem absurden Ergebnis führen, daß alle Personen, deren Einkommen entsprechende steuerliche Rückvergütungen erlaubten, ohne auch nur einen eigenen Schilling aus eigener Tasche einsetzen zu müssen, mehr oder weniger reiche Leute werden müßten. Da sich der Kläger über den Inhalt des Kreditvertrages nicht im Irrtum befunden habe, sei es unerheblich, ob sein Verhandlungspartner als Handlungsgehilfe oder Empfangsbote der beklagten Partei zu qualifizieren sei. Ein Einwendungsdurchgriff, wie ihn § 18 KSchG vorsehe, komme mangels Analogiefähigkeit auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht. Während für Abzahlungsgeschäfte und diesen gleichgestellte Geschäfte die Vorleistungspflicht des Verkäufers und die Nachleistungspflicht des Käufers typisch seien, sei ein Anleger, der ein Wertpapier oder eine Beteiligung in Erwartung eines Gewinnes erwerben wolle, von vornherein nicht im gleichen Maße schutzwürdig wie jener Personenkreis, auf welchen die Bestimmungen des 3. Abschnittes des KSchG zugeschnitten seien. Auch von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne nicht gesprochen werden, weil der Nichteintritt des erwarteten Erfolges immer dann rechtlich unbeachtlich sei, wenn die Zweckverfehlung in der eigenen Sphäre desjenigen entstanden sei, der sich auf sie zu berufen suche oder wenn sie vorhersehbar gewesen sei. Der vom Kläger abgeschlossene Kreditvertrag sei bloß Mittel zum Zweck - Genuß von Vermögensvorteilen aus der Veranlagung - gewesen. Die eingetretene, im voraus keineswegs sicher auszuschließende Zweckverfehlung habe das finanzierte und nicht das Finanzierungsgeschäft betroffen. Es sei auch nicht Aufgabe einer Bank, das Beteiligungsrisiko für den Kapitalgeber abzuschätzen; die Bank müßte sich nur eigenes positives Wissen über die tatsächliche finanzielle Lage der Beteiligungsgesellschaft zurechnen lassen. Das schon im Vertragstyp gelegene Risiko des finanzierten Geschäftes lasse sich nicht im Wege der Lehre von der Geschäftsgrundlage vom "spekulierenden" Partner des Unternehmers zu Lasten des Geldgebers ohne dessen Garantieerklärung auf das Finanzierungsgeschäft übertragen. Da die Bank nicht verpflichtet sei, einen Kunden über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Geschäften oder über die mit ihnen verbundenen wirtschaftlichen Risken aufzuklären, komme auch ein Schadenersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten nicht in Betracht. Es sei dem Kläger nicht der geringste Beweis gelungen, daß die beklagte Partei Kenntnisse über die Geschäftsgebarung der Beteiligungsgesellschaft oder der Treuhandgesellschaft gehabt habe. Daß die Ausschüttungen ab 1989 eingestellt worden seien, lasse keineswegs den Schluß auf die Erkennbarkeit eines erhöhten Risikos zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon 1985 zu. Die beiden gestellten Klagebegehren seien daher als unbegründet abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des gestellten Hauptbegehrens ab.

Nach den vom Obersten Gerichtshof in einem gleichgelagerten Fall in der Entscheidung 7 Ob 546/93 (WBl 1993, 331 = ecolex 1993, 664) aufgestellten Grundsätzen sei der Vertreter der IV AG als Verhandlungsgehilfe und Empfangsbote der beklagten Partei anzusehen. Seine Erklärungen über den Rückzahlungsmodus seien damit notwendig Inhalt des vom Kläger an die beklagte Partei gerichteten Anbotes auf Abschluß des Kreditvertrages geworden. Da die Annahme durch die beklagte Partei unter anderen Prämissen erfolgt sei, sei zwischen den Streitteilen kein Kreditvertrag zustande gekommen. Das in der abweichenden Annahmeerklärung liegende Anbot der beklagten Partei auf Abschluß eines "normalen" Kreditvertrages habe der Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt weder ausdrücklich noch schlüssig angenommen. Sein Schweigen anläßlich der Vorsprache bei der beklagten Partei Anfang 1989 könne auch nicht als schlüssige Willenserklärung im Sinne des § 863 ABGB aufgefaßt werden, daß er nunmehr den Kredit selbst zurückzahlen werde, zumal die Ausschüttungen der Beteiligungsgesellschaft erst Mitte 1989 eingestellt worden seien. Wegen Dissenses bei Vertragsabschluß sei daher kein wirksamer Kreditvertrag zustande gekommen, so daß das Feststellungsbegehren berechtigt sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil nur das Zustandekommen eines Vertrages im Einzelfall zu beurteilen gewesen sei und die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu einem gleichgelagerten Fall vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die entscheidungswesentliche Frage des Dissenses beim Vertragsabschluß unrichtig gelöst hat und der Entscheidung wegen der Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle eines Erwerbes von Hausanteilsscheinen mittels Kreditaufnahme über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist auch berechtigt.

In der Entscheidung 7 Ob 546/93 = ecolex 1993,664 mit Anmerkung von Wilhelm, der ein ähnlicher Sachverhalt über die Finanzierung eines Hausanteilsscheines zugrunde lag, wurde die Auffassung vertreten, daß die mündlichen Erklärungen des Verhandlungsgehilfen der Bank über den Rückzahlungsmodus Inhalt des vom Erwerber des Hausanteilscheines an die finanzierende Bank gerichteten Anbotes zum Abschluß des Kreditvertrages werden und durch (schlüssige) Erklärung gegenüber dem Empfangsboten als der Bank zugegangen gelten. Der erkennende Senat vermag diese Auffassung, die schon in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29.3.1994, 1Ob 599/93, abgelehnt wurde und auch in der Lehre auf berechtigte Kritik gestoßen ist (Peter Bydlinski in ÖBA 1993, 911 f; Anmerkung von Wilhelm in ecolex 1993, 664), nicht zu teilen. Im vorliegenden Fall ist festgestellt, daß der Anlageberater dem Kläger die Anlage als "todsicher" geschildert hat, weil das Geld in unbelastete Immobilien angelegt werde und bei einem durch Kredit finanzierten Erwerb von Hausanteilscheinen durch zehn Jahre hindurch die Kreditzinsen durch Ausschüttungen der Gesellschaft und durch Steuerrückvergütungen bedient werden könnten und nach zehn Jahren aufgrund eines schriftlichen Rückkaufangebotes der Firma IV AG die Möglichkeit bestehe, die Beteiligung abzugeben sowie - neben einem hohen Gewinn, der mit 47,6 % (!) angegeben wurde - das Kapital des Kredites zurückgezahlt werden könne. Ausdrücklich nicht festgestellt werden konnte, daß der Anlageberater dem Kläger gegenüber jemals die Zusicherung abgegeben hätte, es treffe ihn aus dem Kreditvertraeg keine persönliche Haftung, sondern lediglich, es handle sich um eine besonders günstige risikolose Anlageform.

Die einem Boten des Anerklärten (Empfangsboten) gegenüber abgegebene Erklärung des Auftraggebers gilt so, wie sie dem Boten gegenüber abgegeben wurde; eine unrichtige Übermittlung geht zu Lasten des Erklärungsempfängers (SZ 59/36; SZ 55/75). Stets aber ist zu prüfen, was Inhalt dieser Erklärung geworden ist. Die Erklärungen des Anlageberaters konnten aber nur dahin verstanden werden, die besondere Vorteilhaftigkeit der Anlage zu unterstreichen, keineswegs aber daß die Bank das Zinsen- und Rückzahlungsrisiko trage. Daß dies dem Kläger auch bewußt war und er selbst von einer gültigen, ihn treffenden Rückzahlungsverpflichtung aus dem Kreditvertrag ausgegangen ist, zeigt seine Vorgangsweise im Jahr 1989, als er erfolgreich unter Hinweis auf seine Bonität (Liegenschaftsbesitz) die Freigabe von Sicherheiten und eine Zinsenreduktion bei der beklagten Partei durchsetzte.

Es entspricht der Rechtsprechung und Lehre (SZ 61/148; Krejci inRummel2 Rz 1 zu §§ 18, 19 KSchG; Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II 1/104 FN 408), daß bei wirtschaftlicher Einheit des Finanzierungs- und des finanzierten Geschäftes ein Einwendungsdurchgriff zufolge analoger Anwendung der Bestimmungen des § 18 KSchG oder eine Heranziehung der Grundsätze der Lehre von der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen kann. Bei Finanzierung risikoträchtiger Beteiligungen ist aber ungeachtet wirtschaftlicher Einheit zwischen finanziertem Geschäft und Kreditgeschäft ein Einwendungsdurchgriff abzulehnen, weil es bei solchen Geschäften nicht gerechtfertigt ist, das Risiko der Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäftes den Kreditgeber tragen zu lassen. Dies hat solange zu gelten, als sich das Kreditinstitut auf seine Rolle als Finanzierer beschränkt und sich nicht in einer darüber hinausgehenden Weise am finanzierten Geschäft beteiligt. Das Risiko einer Beteiligung hat grundsätzlich derjenige zu tragen, der Kapital investieren will. Er kann nicht erwarten, daß der Nichteintritt seiner geschäftlichen Erwartungen auf den Finanzierer überwälzt werden kann. Für diesen käme eine Haftung nur in Betracht, wenn er Kenntnis von solchen tatsächlichen Verhältnissen hatte, die einen Fehlschlag der Beteiligung mit größter Wahrscheinlichkeit erwarten ließen (SZ 61/148). Es obliegt dem Kreditinstitut aber nicht darüber hinaus eine allgemeine Verpflichtung, für seinen Kunden die Seriosität der Anlagegesellschaft zu prüfen (ÖBA 1991, 917, 919). Der Erwerb einer Kommanditbeteiligung, die von einem Treuhänder verwaltet wird, ist aber ein typisches Risikogeschäft. Nach den Feststellungen hat sich die beklagte Bank allein auf die Finanzierung beschränkt, ohne sich in irgendeiner Weise am finanzierten Geschäft aktiv beteiligt zu haben und ohne eigene Kenntnis von der Geschäftsgebarung der Anlage- und Vertriebsgesellschaft oder der Treuhandgesellschaft zu haben. Es kommen somit weder ein Einwendungsdurchgriff noch die Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht. Tatsächlich konnte das vom Kläger gewählte Modell auch durch vier Jahre hindurch zu seinem Vorteil - wie ursprünglich beabsichtigt - aufrechterhalten werden. Erst nach diesem Zeitraum verwirklichten sich die Erwartungen - weitere Ausschüttungen und Wertsteigerung der Hausanteilscheine - nicht mehr. Der Kläger hat auch nicht über den klaren und eindeutigen Wortlaut des Kreditvertrages und die darin enthaltenen Zahlungsverpflichtungen geirrt; geirrt hat er lediglich über das Risiko des getätigten Anlagegeschäftes, das Motiv für den Abschluß des Kreditvertrages war.

Da sich somit sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren als unberechtigt erweisen, war in Stattgebung der Revision das Ersturteil wieder herzustellen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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