Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.094 S (darin 849 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Aufgrund einer am 2. Mai 1988 eingebrachten Klage war zwischen den Parteien dieses Verfahrens in identer Parteirollenverteilung ein Verfahren zu AZ 22 Cg 116/88 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (im folgenden nur Vorverfahren) wegen desselben Anspruches auf Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Mietvertrages über zwei Wohnungen in einem Haus in W***** anhängig. In diesem Vorverfahren wies das Erstgericht mit Beschluß vom 28. August 1990 die Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit, einem Einwand der Beklagten folgend, wegen sachlicher Unzuständigkeit (Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 5 JN) zurück; dieser Beschluß wurde am 13. September 1990 beiden Parteien zugestellt.
Im vorliegenden Verfahren wies das Erstgericht, einem Einwand der Beklagten folgend, mit Beschluß vom 4. März 1991 die Klage wegen Streitanhängigkeit in Bezug auf das Vorverfahren zurück und erklärte das bisherige Verfahren für nichtig, im wesentlichen, weil die Klagszurückweisung im Vorverfahren noch nicht rechtskräftig sei.
Das Rekursgericht wies die Einrede der Streitanhängigkeit in Bezug auf das Vorverfahren ab; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ die zweite Instanz zu. Nach deren Rechtsauffassung sei der Zurückweisungsbeschluß im Vorverfahren wegen des Rechtsmittelausschlusses nach § 45 JN unanfechtbar gewesen und deshalb bereits mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses am 13. September 1990 rechtskräftig geworden, sodaß zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung in diesem Verfahren das Vorverfahren nicht mehr anhängig gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt. Nach § 240 Abs 3 ZPO ist unter anderem die Streitanhängigkeit jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Streitanhängigkeit hat gemäß § 233 Abs 1 ZPO die Wirkung, daß während ihrer Dauer über den geltend gemachten Anspruch weder bei demselben noch bei einem anderen Gerichte ein Rechtsstreit durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit wegen des nämlichen Anspruches angebrachte Klage ist auf Antrag oder von Amts wegen zurückzuweisen. Die Streitanhängigkeit endet unter anderem mit einer Prozeßbeendigung ohne Sachentscheidung durch rechtskräftige Klagszurückweisung (Fasching Lehrbuch2 Rz 1192). So wie die Klage nicht mehr zurückgewiesen werden kann, wenn der bei Klagseinbringung bestandene Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit (SZ 47/97 = ZfRV 1977, 118 mit Anm von Hoyer) oder der Unzuständigkeit (SZ 56/159 mwN, RZ 1956, 140; 2 Ob 508, 509/90 ua) später weggefallen ist, gilt dies auch für die Streitanhängigkeit. Maßgeblich sind hier die Verhältnisse im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung (Fasching III 95). Der Einwand der Streitanhängigkeit ist daher hier dann nicht gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung (4. März 1991) das Vorverfahren infolge rechtskräftiger Zurückweisung der Klage nicht mehr anhängig war. Dies ist der Fall. Denn gemäß § 45 zweiter Satz JN idF des Art III Z 14 der ZVN 1983, BGBl 1983/135, sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit ergangene Entscheidungen, mit denen das Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann anfechtbar, wenn das sonst zuständige Gericht seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Nach den Materialien (669 Blg XV.GP, 32) sollte die Anfechtung einer Entscheidung des Gerichtes über seine sachliche Zuständigkeit noch weiter eingeschränkt werden als bisher. Denn welche Art von Gericht zu entscheiden habe, sei für die Parteien meist von geringerer Bedeutung, zumal ja auch vor dem Gerichtshof in der Mehrzahl der Fälle der Einzelrichter entscheide. Von größerer wirtschaftlicher Bedeutung für die Parteien sei der Ort an dem das Verfahren ablaufe. Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit eines Gerichtes sollten bei Verneinung der Zuständigkeit durch das angerufene Gericht nur dann zulässig sein, wenn durch die Änderung der sachlichen Zuständigkeit das Verfahren an einem anderen Ort ablaufen würde; Verschiebungen innerhalb derselben Gemeinde sollten jedoch dabei keine Rolle spielen. Im Vorverfahren hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien seine sachliche Unzuständigkeit ausgesprochen; das sonst nach § 83 Abs 1 JN (örtlich) zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat seinen Sitz in derselben Gemeinde. Entgegen der Auffassung von Fasching (Lehrbuch2 Rz 232) vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Rechtsmittelausschluß nach § 45 JN im Falle einer zuständigkeitsverneinenden Entscheidung nicht von der Benennung des als zuständig angesehenen Gerichtes in der Zuständigkeitsentscheidung abhängig gemacht werden darf, sofern nur - wie hier nach § 83 Abs 1 JN - dieses Gericht eindeutig bestimmbar ist (EvBl 1985/128; 3 Ob 96/88, 9 Ob A 69/87, 6 Ob 591/86).
Das Rekursgericht hat demgemäß die erstinstanzliche Entscheidung im Vorverfahren über dessen sachliche Unzuständigkeit zutreffend gemäß § 45 JN als unanfechtbar angesehen. Die formelle Rechtskraft trat daher mit der Zustellung dieser durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Entscheidung ein. Die allfällige Nichtbeachtung dieses Rekursausschlusses durch die Rechtsmittelinstanzen im Vorverfahren ist hier nicht relevant. Dem Revisionsrekurs ist demnach nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO (Obsiegen in einem Zwischenstreit).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)