European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00055.20M.0520.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Streitteile, deren Ehe im Juni 2016 geschieden wurde, sind je zur Hälfte Gesellschafter der ***** Holding GmbH, die wiederum Alleingesellschafterin der G***** GmbH ist; der Beklagte ist Alleingeschäftsführer sowohl der Holding als auch der Gesellschaft.
Während aufrechter Ehe erhielten die Streitteile von der Holding jeweils ein Gehalt von zuletzt monatlich 3.000 EUR brutto und von der G***** F***** GmbH, deren Hälftegesellschafter sie ebenfalls sind, jeweils 1.000 EUR brutto pro Quartal. Zu diesen Bezügen kamen einmal im Jahr die Gewinnausschüttungen, durch welche das durchaus luxuriöse Leben der Streitteile tatsächlich finanziert wurde. Seit dem Jahr 2016 gibt es allerdings keine Gewinnausschüttungen mehr; die letzte erfolgte im Jahr 2015 – vorgezogen, weil mit 1. 1. 2016 die Kapitalertragsteuer erhöht werden sollte – für das Jahr 2015. Seit 2016 genehmigt die Klägerin – die Streitteile trennten sich im Februar 2016 – die Jahresabschlüsse der Holding nicht mehr, obwohl deren Gewinne in den letzten Jahren jährlich zumindest 4 Mio EUR betrugen.
Am 24. 1. 2017 schlossen die Gesellschaft, vertreten durch die Holding, diese vertreten durch den Beklagten, und der Beklagte einen Anstellungsvertrag, der auf beiden Seiten vom Beklagten unterfertigt wurde. Vereinbart wurden ein jährlicher Bruttobezug als Geschäftsführer ab 1. 1. 2017 in Höhe von 240.000 EUR zuzüglich (allfälliger) Umsatzsteuer, eine Tantieme als erfolgsabhängiges Entgelt von 10 % des EBIT vor Tantieme für jedes volle Geschäftsjahr, höchstens aber 210.000 EUR, die Bezahlung einer Unfallversicherung für den Beklagten für die Dauer des Anstellungsvertrags, die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens der Luxusklasse und eines Mobiltelefons– beides darf der Beklagte unbeschränkt privat nutzen – und auf Dienstreisen die Inanspruchnahme der Business Class bei Flugreisen bzw der ersten Klasse bei Zugreisen. Dieser Anstellungsvertrag war mit der Klägerin nicht besprochen worden, es hatte allerdings im November 2016 einen E‑Mail‑Verkehr zwischen den Streitteilen gegeben, bei dem unter anderem ein Geschäftsführergehalt für den Beklagten ein Thema gewesen war. Der Beklagte hatte ein Gehalt zwischen 150.000 und 300.000 EUR gefordert, was für die Klägerin im Großen und Ganzen gepasst hatte. Vor Abschluss des Anstellungsvertrags hatte der Beklagte eine Stellungnahme einer Wirtschaftstreuhandkanzlei zur Angemessenheit und Fremdüblichkeit eingeholt (Beilage ./78). Dieser Stellungnahme, deren Echtheit die Klägerin anerkannte (AS 294), ist zu entnehmen, dass der vorgesehene Geschäftsführerbezug in Höhe von insgesamt 500.000 EUR (Fixum, Kfz‑Nutzung, Versicherungsschutz, ergebnisabhängiger Anteil) zwar in Österreich überdurchschnittlich, im konkreten Fall jedoch im Hinblick auf die umfangreichen Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche des Beklagten, seine Leistungsbereitschaft und die bisher hervorragenden und zukünftig ähnlich erwarteten Ergebnisse der Gesellschaft angemessen und fremdüblich sei.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin, die sich auf zahlreiche (angebliche) Pflichtverletzungen des Beklagten berufen hatte, diesen als Geschäftsführer der Holding abzuberufen und ihm Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmach zu entziehen ab. Zu dem allein noch revisionsgegenständlichen Anstellungsvertrag vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es habe sich dabei zwar um ein Insichgeschäft des Beklagten gehandelt, dieser habe jedoch vor Abschluss des Anstellungsvertrags ein Gutachten zur Fremdüblichkeit/Marktüblichkeit der vereinbarten Bezüge eingeholt, womit ihm grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden könne. Der Anstellungsvertrag sei außerdem vor dem Hintergrund zu sehen, dass infolge des Verhaltens der Klägerin seit Jahren keine Ausschüttungen der hohen Gewinne der Gesellschaft mehr erfolgen können.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 16 Abs 2 GmbHG kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Ist er zugleich Gesellschafter, so sind die § 117 Abs 1 und § 127 UGB sinngemäß anzuwenden. Im vorliegenden Fall wählte die Klägerin den Weg der gerichtlichen Abberufung, weil der Beklagte ebenso wie sie selbst zu 50 % Gesellschafter und somit unter den Gesellschaftern keine Mehrheit für seine Abberufung zu erzielen ist (vgl RS0059536). In diesem Fall hat das Gericht zu prüfen, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt, wobei die Klägerin die Beweislast trifft (6 Ob 63/03p). Im Allgemeinen ist ein wichtiger Grund für die Abberufung dann gegeben, wenn die Umstände das Verbleiben des Geschäftsführers unzumutbar machen. Dabei sind – insbesondere im Hinblick auf die Interessen der Gesellschaft – die Gesamtumstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter zu würdigen (RS0118175 [T2]; vgl zur Interessenabwägung auch Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 117 Rz 28 ff und Schopper/Walch in Zib/Dellinger, UGB § 117 Rz 25); bei dieser Interessenabwägung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (Thöni in Zib/Dellinger, UGB § 127 Rz 39). Ob eine Pflichtverletzung vorliegt und ob diese grob ist, ist regelmäßig anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RS0059403 [T11]), weshalb regelmäßig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme (RS0118175).
2. Grundsätzlich verbietet § 25 Abs 4 GmbHG dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäfte mit der Gesellschaft einschließlich des Selbstkontrahierens; Insichgeschäfte des Geschäftsführers können nur durch die (formlose) Zustimmung aller Gesellschafter saniert werden (RS0028129 [T13]). Im vorliegenden Fall stimmte die Holding als Alleingesellschafterin der Gesellschaft dem Anstellungsvertrag mit dem Beklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft zu, wobei die Holding wiederum durch den Beklagten vertreten wurde. Formell erscheinen damit die Anforderungen des § 25 Abs 4 GmbHG erfüllt, dies allerdings letztlich bloß in Form eines Insichgeschäfts. Für eine vergleichbare Konstellation wurde in der Entscheidung 6 Ob 175/98y eine Kette von genehmigenden Willenserklärungen aller Gesellschaften der Unternehmenskette verlangt, weil ansonsten die Interessenkollision nicht beseitigt wäre.
3. Allerdings ist – im Hinblick auf die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zur grundsätzlichen Zustimmung der Klägerin zum Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einem Bezug von 150.000 bis 300.000 EUR, zur Einholung der Stellungnahme einer Wirtschaftstreuhandkanzlei, aus der sich aufgrund der konkreten Umstände Angemessenheit und Fremdüblichkeit eines Bezugs von (rund) 500.000 EUR ergeben, und zur Genesis des Anstellungsvertrags einschließlich der jährlichen Gewinne von zumindest 4 Mio EUR, die nicht ausgeschüttet werden können – die Verneinung einer groben Pflichtverletzung des Beklagten jedenfalls vertretbar. Auch wenn die Klägerin nicht den konkreten Vergütungen laut Anstellungsvertrag zugestimmt haben mag, so war sie doch grundsätzlich mit dem Abschluss eines Anstellungsvertrags einverstanden; hinsichtlich der konkreten Vergütungen konnte sich der Beklagte aber auf die bereits mehrfach erwähnte Stellungnahme (Gutachten) stützen. Dass es sich dabei um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt hätte, lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass zwar das Argument, im Rahmen eines Familienbetriebs sei die Sonderbegünstigung von Angehörigen üblich, verfehlt wäre (8 ObA 53/18d). Persönliche Animositäten oder Familienstreitigkeiten bilden jedoch im Regelfall keinen wichtigen Grund für den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis (Schopper/Walch in Zib/Dellinger, UGB § 117 Rz 35).
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