Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.934,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.600,-- Barauslagen und S 1.575,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist die Nichte der am 10. Februar 1911 in Horn geborenen Klägerin. Mit Übergabsvertrag vom 5. Juli 1983 übertrug die Klägerin der Beklagten ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 812 KG Josefstadt, bestehend aus dem Grundstück 686 mit darauf errichtetem Haus in 1080 Wien, Trautsongasse 2. Der Einheitswert des Hälfteanteiles ist im Übergabsvertrag mit S 886.000,-- festgehalten. Als Gegenleistungen wurden das ausschließliche, lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht an einer im Hause gelegenen Wohnung, die Versorgung und Pflege im Falle der Erkrankung, Gebrechlichkeit oder sonstigen Bedürftigkeit der Übergeberin sowie ein Übergabspreis von S 200.000,-- vereinbart. Im Punkt IV. zweiter Absatz des Vertrages ist festgehalten: "Sollte die vereinbarte Gegenleistung nicht dem wahren Wert des vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteiles entsprechen, so herrscht darüber Einverständnis, daß insoweit eine Schenkung vorliegt, die von der Übernehmerin dankend angenommen wird. Die Übergeberin verzichtet auf einen Widerruf einer allfälligen Schenkung aus welchen Gründen auch immer."
Außer Streit steht, daß zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage ob dem der Klägerin gehörigen Liegenschaftsanteil auf Grund des Übergabsvertrages vom 5. Juli 1983 das Eigentumsrecht der Beklagten bereits einverleibt war (ON 1, AS 2; ON 10, AS 32; ON 11, AS 43).
Mit der am 27. Februar 1984 beim Erstgericht eingebrachten Klage bestritt die Klägerin die Gültigkeit der Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Beklagte ob dem früher ihr gehörigen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 812 KG Josefstadt. Entgegen ihrer ausdrücklichen Erklärung in der Klagsschrift, wonach sie "die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes" begehre, lautete ihr Urteilsantrag nur auf Nichtigerklärung und Aufhebung des Übergabsvertrages vom 5. Juli 1983 "über die der Klägerin gehörigen Hälfteanteile an der Liegenschaft EZ 812 des Grundbuches über die KG Josefstadt". Die Klägerin brachte vor, die Beklagte habe sie durch ständiges Zureden zur Unterfertigung des Übergabsvertrages veranlaßt. Die Klägerin stehe seit Anfang 1981 wegen ihres depressiven Zustandsbildes mit angstneurotischer Färbung bei Praesklerose der Hirngefäße, hypotoner Kreislauflage und Morbus Raynaud in ständiger ärztlicher Behandlung. Dieser Zustand und die dadurch gegebene außergewöhnliche Beeinflussungsmöglichkeit seien der Beklagten bekannt. Die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, den Inhalt des Vertrages und die Folgen der Unterfertigung zu erkennen und danach einsichtsgemäß zu handeln. Sie stützte ihre Klage sowohl auf die Bestimmungen der §§ 865 ff ABGB als auch auf die §§ 870 und 871 ABGB. Außerdem focht sie den Vertrag wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes an, weil dem Verkehrswert der Liegenschaftshälfte von S 1,860.600,-- nur ein Übergabspreis von insgesamt S 650.000,-- gegenüberstehe. Die Klägerin behauptete, die im Punkt IV. des Übergabsvertrages angeführte Schenkung sei mangels Einhaltung der Notariatsaktform unwirksam. Eine tatsächliche Übergabe der Liegenschaftshälfte sei nicht erfolgt. Das gelte auch für die im Punkt XIV. des Übergabsvertrages vorgesehene Übertragung der gesamten Wohnungseinrichtung, deren Wert S 200.000,-- übersteige. Die Beklagte hielt dem entgegen, die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrages geistig völlig normal gewesen. Sie sei vom Vertragsverfasser Dr. G*** eingehend informiert worden, habe klare und logische Fragen gestellt und deutlich und unmißverständlich erklärt, die Übergabe mit der Verpflichtung zur Pflege und Betreuung im Bedarfsfalle sowie unter Vorbehalt des Wohnungsrechtes zu wollen. Es seien alle Punkte des Übergabsvertrages durchbesprochen worden und die Klägerin habe ganz genau gewußt, um was es gehe. Sie habe auch verschiedene Wünsche geäußert, die vom Vertragsverfasser berücksichtigt worden seien. Das Erstgericht hat im Zuge des Verfahrens das Pflegschaftsgericht gemäß § 6 a ZPO verständigt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. Juni 1986, GZ 8 SW 41/85-17, wurde das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für die Klägerin eingestellt, weil diese prozeßfähig sei und derzeit keine Angelegenheiten vorlägen, die sie nicht selbständig besorgen könne (ON 52).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus seinen Feststellungen ist hervorzuheben:
Schon als eines von sechs Kindern litt die Klägerin häufig unter der Angst, niemanden mehr auf der Welt zu haben. Sie hatte auch Angst vor ihrer überstrengen Mutter, welche an einer schweren, lebensbedrohlichen Krankheit litt. Die Klägerin mußte mehrmals miterleben, wie die Mutter in der Wohnung bereits versehen wurde. Mit etwa 17 Jahren kam die Klägerin nach Wien in den Haushalt der Familie R***, wo sie ihren späteren Ehegatten - einen Sohn der Familie R*** - kennen lernte. Dieser litt unter starkem Asthma und war daher sowohl im Berufsleben als auch im privaten Bereich stark behindert. Bei schweren Asthmaanfällen ihres Gatten wurde die Klägerin wiederum häufig von Angstzuständen geplagt. Während ihrer Ehe besorgte die Klägerin meist den Haushalt und arbeitete nur teilweise auch in der Parfümerie der Familie R*** mit. Durch den Tod ihrer Schwester (1972) und ihres Ehegatten (1975) wurde die Klägerin ihrer Stütze beraubt. Sie leidet seither an einer Entwurzelungsdepression, welche dazu führt, daß sie wenig belastbar ist und Angstzustände hat. Ein häufiges Merkmal dieser Art von depressiver Charakterneurose ist, daß ihr Bild mit der jeweiligen Situation sehr stark wechseln kann. Die Depression ist also derart, daß sie regelmäßig im Zusammenhang mit äußeren Erscheinungen auftritt oder nicht. Die aus der Krankheit der Klägerin resultierenden Angstzustände treten hauptsächlich in Belastungssituationen auf, in denen sie keine Bezugs- bzw. Vertrauensperson an ihrer Seite hat. Dabei kommt es auch vor, daß sie nicht mehr fähig ist, die Folgen ihres Handelns einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.
Die Beklagte hatte seit ihrer Kindheit ein sehr gutes Verhältnis zur Klägerin, welche die Familie der Beklagten mit sieben Kindern auch laufend unterstützte. Etwa im Alter von acht Jahren besuchte die Beklagte die Klägerin erstmals in Wien. Sie war dann von 1951 bis 1955 bei der Landwirtschaftskammer in Wien beschäftigt und wohnte bei einer Tante ihrer Mutter. Abends hielt sich die Beklagte jedoch fast immer bei der Familie R*** auf, wo sie auch meist die Wochenenden verbrachte und Ausflüge in den Wienerwald mitmachte. Die Klägerin führte die Beklagte in die Hauswirtschaft, insbesondere ins Kochen, ein. Sie unterwies sie im Umgang mit Kosmetika und vermittelte ihr auch die eigenen Kenntnisse in bezug auf Kunstgegenstände, Antiquitäten und Schmuck. Im Jahre 1951 finanzierte die Klägerin der Beklagten einen vierwöchigen Maschinschreib- und Stenographiekurs. Während der Kursdauer wohnte die Beklagte auch bei der Familie R***. 1955 heiratete die Beklagte Dkfm. Günther G***, der sie schon in den Jahren davor häufig aus der Wohnung der Familie R*** abgeholt hatte. Anläßlich der Hochzeit bekam die Beklagte von der Klägerin eine reichliche Ausstattung, in weiterer Folge der Ehe auch Möbel und Antiquitäten. Auch nachdem die Beklagte 1962 von Linz nach Wels gezogen war, riß der Kontakt zur Klägerin nie ab und es fanden gegenseitige Besuche statt. Dieser Kontakt wurde nach dem Tode des Ehegatten der Klägerin noch intensiver. Die Klägerin verbrachte mehrere Wochen im Jahr bei der Beklagten in Wels bzw. in deren Wochenendhaus am Attersee. Die Klägerin war in der Familie der Beklagten voll integriert, sie wurde Bekannten als "Tante Berta" vorgestellt bzw. zu Besuchen mitgenommen. 1980 befand sich die Klägerin nach einem Krankenhausaufenthalt sieben Wochen bei der Familie der Beklagten in Wels. Auch 1981 erholte sie sich dort nach einem nur ambulant versorgten Armbruch. Sie äußerte sich oft lobend über die Beklagte. Insbesondere sagte sie, daß man sich dort sehr um sie kümmere. Die Klägerin wurde sowohl von der Beklagten als auch von deren Gatten bzw. von beiden gemeinsam in Wien besucht.
Die Agenden im Zusammenhang mit der Verwaltung ihrer Haushälfte bedeuteten für die Klägerin eine erhebliche Belastung, weshalb sie im Verkehr mit dem Hausverwalter und dem Finanzamt auf ihren Wunsch seit 1980 vom Gatten der Beklagten unterstützt bzw. vertreten wurde. Die Klägerin äußerte gegenüber der Beklagten mehrmals, daß diese das Haus am meisten zu schätzen wisse und auch bereit wäre, dafür finanzielle Opfer zu bringen. Es wurde auch wiederholt darüber gesprochen, was mit dem Haus nach dem Tode der Klägerin geschehen werde. Dabei wies die Beklagte darauf hin, daß es wohl nicht günstig wäre, wenn noch weitere Miteigentümer hinzukämen, zumal es mit dem bisherigen Miteigentümer schon genügend Probleme gebe. Seit 30. März 1981 befand sich die Klägerin in Behandlung beim Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. Theodor Hans M*** in Wien. Dieser diagnostizierte eine Angstneurose bzw. ein depressiv-hypochondrisches Zustandsbild mit neurasthenischen Zügen sowie Praesklerose und hypotone Kreislauflage. Die Besuche bei Dr. M*** fanden in Abständen von ein bis zwei Wochen statt und dauerten jeweils 10 bis 20 Minuten. Die Behandlung bestand im wesentlichen in der Verordnung verschiedener Medikamente. Während ihrer Besuche in Wels bzw. am Attersee litt die Klägerin nie unter Angstzuständen. Es war in diesen Zeiträumen von oft mehreren Wochen niemals eine ärztliche Behandlung notwendig. Vielmehr war die Klägerin bei ihren Besuchen bei der Beklagten aufgeschlossen und optimistisch. Sie unterhielt sich offen auch mit familienfremden Personen über alle möglichen Dinge, ohne in Angst und Hilflosigkeit zu verfallen.
Anfang Juni 1983 kam anläßlich eines Besuches der Klägerin bei der Beklagten zunächst in Wels und dann am Attersee neuerlich die Nachfolge hinsichtlich des Hausbesitzes zur Sprache. Die Klägerin teilte der Beklagten und ihrem Ehegatten mit, daß sie entgegen ihrer Vorstellung doch ein Testament zugunsten mehrerer Personen gemacht habe, nunmehr aber die Beklagte als Alleinerbin einsetzen wolle. Dieses Testament habe sie anläßlich eines Besuches bei Verwandten in Horn bei einem Rechtsanwalt gemacht. Aus diesem Grunde bat sie den Gatten der Beklagten, mit ihr nach Wien zu fahren und das Testament zu holen. Dies geschah auch. Es handelte sich um eine letztwillige Verfügung, mit welcher der Bruder der Beklagten und die Beklagte als Erben eingesetzt worden waren. In der Folge wurde weiter darüber gesprochen, was mit dem Haus nun geschehen solle. Das Ergebnis war, daß jedenfalls die Beklagte die Haushälfte der Klägerin bekommen sollte. Hinsichtlich der Übertragungsart ersuchte die Klägerin den Gatten der Beklagten, er möge sich die verschiedenen Möglichkeiten von einem Rechtsanwalt erläutern lassen. Daraufhin ging Dkfm. Günther G*** am 4. Juli 1983 in die Kanzlei des Dr. G*** in Wels und erkundigte sich dort über mögliche Übertragungsarten. Als solche wurden ihm eine sofortige Schenkung, eine Schenkung auf den Todesfall, ein Testament oder ein Übergabsvertrag genannt. Diese Möglichkeiten wurden danach von der Beklagten und ihrem Gatten mit der Klägerin besprochen, welche sich dahingehend äußerte, daß sie die Liegenschaftshälfte der Beklagten sofort übergeben wolle. Am 5. Juli 1983 begaben sich die Klägerin, die Beklagte und deren Gatte in die Kanzlei Doktoris G***. Dieser legte nochmals sämtliche Übertragungsmöglichkeiten dar und erläuterte sie. Die Klägerin erklärte neuerlich, sie wolle die Liegenschaft der Beklagten sofort übergeben. Dazu teilte Dr. G*** mit, daß die Übergabe unter Lebenden wohl die günstigste Möglichkeit sei, zumal dies einerseits steuerlich am besten sei und andererseits die Klägerin eine Gegenleistung bekomme. Man einigte sich schließlich auf diese Übertragungsform und anschließend wurden die einzelnen Vertragspunkte besprochen. Dabei stellte die Klägerin verschiedene klare, deutliche und auf die einzelnen Vertragspunkte bezogenen Fragen an Dr. G***, welche dieser beantwortete. Darüberhinaus stellte die Klägerin auch Forderungen, welche jedenfalls erfüllt sein müßten, und zwar: Daß sich jemand um sie umschaue, sie in der Wohnung bleiben könne und noch irgendetwas dazu bekomme. Hinsichtlich des wahren Wertes der Liegenschaft erklärte Dr. G***, daß dieser etwa das Drei- bis Fünffache des Einheitswertes betrage, worauf die Klägerin meinte, dann schenke sie die Liegenschaft eben der Beklagten. Der Übergabspreis wurde schließlich von ursprünglich S 150.000,-- auf S 200.000,-- hinaufgesetzt und in den Vertrag aufgenommen, daß die Übergabe - soweit der wahre Wert der Liegenschaftshälfte den Übernahmspreis übersteige - als eine Schenkung anzusehen sei. Nachdem ca. 1 Stunde über den zu errichtenden Übergabsvertrag gesprochen worden war, gingen die Klägerin, die Beklagte sowie ihr Gatte weg und Dr. G*** ließ den Vertrag wie vereinbart schreiben. Nach einem Spaziergang und Kaffeehausbesuch erschienen sie wieder in der Anwaltskanzlei. Dr. G*** las den Vetrag vor und erklärte noch einmal die wesentlichen Punkte. Anschließend wurde der Notar Dr. M*** angerufen und ersucht, zur Beglaubigung der Unterschriften in die Anwaltskanzlei zu kommen. In der Zwischenzeit meinte die Klägerin, man habe auf die Einrichtung ihrer Wohnung vergessen, diese solle ebenfalls die Beklagte bekommen. Es wurde dann unter Punkt XIV. des Vertrages noch die Bestimmung aufgenommen, daß die Inventar- und Ausstattungsgegenstände an die Übernehmerin übergeben werden, die Übergeberin aber das Recht habe, diese wie bisher zu nutzen. In dieser Form wurde der Vertrag schließlich von den Streitteilen unterfertigt und die Unterschriften wurden vom Notar beglaubigt.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. bei der gesamten Besprechung und Festlegung der einzelnen Vertragspunkte litt die Klägerin nicht an Angstzuständen und war in keiner Weise hilf- oder kritiklos, sondern ohne weiteres in der Lage, die Tragweite des abzuschließenden Vertrages und dessen Folgen zu erkennen und diese zu beurteilen. Nach dem Vertragsabschluß fuhr die Klägerin mit der Beklagten wieder zum Attersee. In der Woche darauf verbrachte sie mit Dkfm. Günther G*** zwei Tage in Innsbruck bei dessen Mutter, welche ihren 83. Geburtstag feierte. Bis Ende Juli verlief der weitere Kontakt der Streitteile völlig normal. Es wurde insbesondere mehrmals telefoniert.
Anfang August war die Beklagte ca. 10 Tage auf Urlaub. Nach ihrer Rückkehr rief sie die Klägerin an und kündigte ihr einen Besuch an, worauf diese erwiderte: "Nein, Du kommst mir nicht mehr. Ich habe schon jemand anderen, der mir hilft." Auch ein Treffen außerhalb ihrer Wohnung lehnte die Klägerin ab und meinte, wenn die Beklagte nach Wien komme, müsse sie mit ihr ins Büro des Rechtsanwaltes gehen. Des weiteren sagte sie am Telefon zu der Beklagten, der Rechtsanwalt habe ihr verboten, mit der Beklagten zu sprechen.
Das Erstgericht folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht handlungsunfähig im Sinne des § 865 ABGB gewesen. Sie sei weder durch Zwang oder List zum Vertragsabschluß genötigt worden noch habe sie sich in einem Irrtum im Sinne des § 871 ABGB befunden. Soweit der Vertrag als Schenkung anzusehen sei, sei diese auch ohne Notariatsakt infolge grundbücherlicher Einverleibung rechtswirksam. Der Vertrag könne auch nicht wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes angefochten werden.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es führte eine teilweise Beweiswiederholung und Beweisergänzung durch, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ergänzte diese wie folgt:
Bei der Klägerin liegt kein ausgeprägter Schwachsinn oder erheblicher Abbauprozeß im Sinne einer Demenz vor. Es liegt auch keine endogene Erkrankung im Sinne einer Schizophrenie oder Melancholie bzw. endogenen Depression vor. Das depressive Zustandsbild samt angstneurotischer Färbung ist bei der Klägerin nicht endogen bedingt, sondert geht auf eine Persönlichkeitsentwicklung zurück, die im Bereich des Charakters, nicht aber im Bereiche eines pathologischen Prozesses liegt. Die Ichbildung ist bei der Klägerin derart gering entwickelt, daß die Klägerin nicht in der Lage ist, sich selbst etwas vorzunehmen und zu realisieren. Es genügt bereits eine geringe Einflußnahme durch die Umgebung, um sie zu dem gewünschten Verhalten zu bewegen. Die Klägerin war bei Abschluß des Übergabsvertrages in der Lage, zu erfassen, daß sie ihre Liegenschaft der Beklagten übergibt, und zwar zu einem verhältnismäßig geringen Gegenwert. Es ist möglich, daß sie dabei nicht alle Einzelheiten mitbekommen hat. Sie stand unter dem Eindruck der Beklagten und deren ihr bekannten, auf Erhalt der Liegenschaftshälfte gerichteten Willens. Daß die Beklagte aber Maßnahmen zur Beeinflussung oder Beugung des Willens der Klägerin gesetzt hätte, etwa Drohungen, Einschüchterungen, Irreführungen odr ähnliches, konnte nicht festgestellt werden. Ebensowenig konnte festgestellt werden, daß damals die Übergabe ihrer Liegenschaftshälfte an die Beklagte gegen zum Vergleich zu ihrem Wert geringe Gegenleistungen nicht auch ihrem eigenen Willen entsprochen hätte, wenn dieser auch durch die Situation - Aufenthalt bei der Nichte, die sie immer schon mochte und förderte - beeinflußt war.
In rechtlicher Hinsicht verneinte auch das Berufungsgericht eine zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegende Geschäftsunfähigkeit der Klägerin und meinte: Die Klägerin sei nicht nur in der Lage gewesen, die Tragweite des Übergabsvertrages in seinen wesentlichen Punkten zu beurteilen, sondern auch zu ausreichender eigener Willensbildung imstande gewesen. Bloße Willensschwäche und leichte Beeinflußbarkeit führten noch nicht Geschäftsunfähigkeit herbei. Der davon Betroffene sei durch die Vorschriften über Willensmängel geschützt. Der Klägerin sei aber weder der Beweis gelungen, daß ihre Erklärung erzwungen, betrügerisch entlockt oder irrtümlich abgegeben worden wäre, noch, daß das von ihr Erklärte ihrem damaligen Willen nicht entsprochen hätte. Auch eine Vertragsanfechtung wegen Wuchers scheide aus, weil die Klägerin das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bewußt in Kauf genommen habe. Aus demselben Grunde sei auch eine Anfechtung des Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes ausgeschlossen. Die Nichteinhaltung der Notariatsaktsform sei durch die spätere wirkliche Übergabe geheilt worden. Hinsichtlich der Möbel und Einrichtungsgegenstände könne die Frage nach dem Vorliegen einer Schenkung ohne Notariatsakt oder wirkliche Übergabe dahingestellt bleiben, weil nur die Klägerin die Vertragsaufhebung, nicht aber die Beklagte die Übergabe der Möbel begehre. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit den Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, allenfalls auf Feststellung der Teilnichtigkeit "im Sinne des Punktes XIV. des Übergabsvertrages" oder auf Urteilsaufhebung.
Die Beklagte stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die von der Klägerin geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Mit ihrer Rechtsrüge wendet sich die Klägerin gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, sie sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsfähig gewesen, auf sie sei kein Zwang ausgeübt worden, es lägen weder die Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB noch jene für eine Vertragsanfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes vor. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes habe den Formmangel des Vertrages geheilt und auf die allfällige Unwirksamkeit des Punktes XIV. des Übergabsvertrages sei nicht näher einzugehen.
Zur Frage ihrer Geschäftsfähigkeit geht die Klägerin im wesentlichen nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Hier verweist die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darauf, daß die Sache im Hinblick auf den Vertragsabschluß am 5. Juli 1983 nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 2. Februar 1983 über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, BGBl. Nr. 136 (1. Juli 1984), zu beurteilen ist. Nach der herrschenden Auffassung ist ein verpflichtendes Geschäft bei Vorliegen einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche unwirksam, auch wenn der davon Betroffene - nach alter Rechtslage - bei Vertragsabschluß nicht entmündigt war, soferne er die rechtliche Tragweite des konkreten Geschäftes nicht beurteilen konnte (Ehrenzweig, System2, I/1, 180; Koziol-Welser, Grundriß6, I, 46;
Aicher und Rummel in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 21 und Rz 3 zu § 865;
JBl 1977, 537; SZ 55/166; NZ 1987, 14; 6 Ob 703/87 uva). Die fehlende Einsicht in die Tragweite des Geschäftes muß sich dabei entweder aus der Natur des geschlossenen Vertrages oder aus sonstigen besonderen Umständen ergeben (JBl 1977, 537; NZ 1987, 14;
6 Ob 703/87). Das in Betracht kommende Geschäft muß von der Geistesstörung "tangiert" worden sein. Es kommt darauf an, ob die geistigen Fähigkeiten für die Beurteilung des konkreten Geschäftes ausreichend waren (Koziol-Welser aaO; MietSlg 22.068; JBl 1960, 558; JBl 1977, 537; SZ 55/166; 7 Ob 517/86 ua). Die tatsächlichen Umstände und die persönlichen Eigenschaften des Vertragsschließenden bei Abgabe der Willenserklärung gehören dem irrevisiblen Tatsachenbereich an, wogegen der Schluß, ob dann im Einzelfall mangelnde Geschäftsfähigkeit anzunehmen ist, rechtliche Beurteilung ist (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1926; NZ 1987, 14; 6 Ob 703/87). Die Handlungsunfähigkeit ist vom Anfechtenden zu beweisen (JBl 1962, 500; JBl 1977, 537; 7 Ob 517/86). Ihr Mangel wirkt aber absolut, also auch gegenüber Dritten, die die Tatsachen, welche die Handlungsfähigkeit ausschließen, nicht kannten und auch nicht kennen konnten (JBl 1962, 500; 7 Ob 517/86 ua). Mängel des Intellekts, denen zufolge jemand die Tragweite eines bestimmten Geschäftes nicht überblicken und dessen Folgen nicht einzusehen vermag, begründen nicht Handlungsunfähigkeit nach § 865 ABGB (SZ 31/48; 7 Ob 517/86). Dasselbe gilt auch für eine Willensschwäche des Vertragsschließenden (6 Ob 816/80).
Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen diese Rechtsauffassung zu Grunde gelegt. Sie sind dabei von der Feststellung ausgegangen, daß die Klägerin bei Abschluß des Übergabsvertrages nicht an Angstzuständen litt und in keiner Weise hilf- oder kritiklos war. Sie war in der Lage, zu erfassen, daß sie ihre Liegenschaft der Beklagten zu einem verhältnismäßig geringfügigen Gegenwert übergibt. Es konnte nicht festgestellt werden, daß dies nicht ihrem - wenngleich durch den ihr bekannten Wunsch der ihr vertrauten Beklagten beeinflußten - eigenen Willen entsprochen hätte. Sie hat vielmehr auf den Hinweis des Vertragsverfassers bezüglich der allenfalls unverhältnismäßigen Wertrelation selbst erklärt, daß sie dann eben der Beklagten die Liegenschaft schenke, was auch im Vertrag festgehalten und besprochen worden ist. Daraus wurde mit Recht der Schluß gezogen, daß die geistigen Fähigkeiten der Klägerin für die Beurteilung des konkreten Übergabsvertrages ausreichend waren und dieser auch ihrem damaligen Willen entsprochen hat. Es ist daher der Klägerin der ihr oblegene Beweis für ihre damalige Geschäftsunfähigkeit nicht gelungen. Entgegen ihrer Meinung ist sie nach diesen Feststellungen von der Beklagten auch nicht durch ungerechte Furcht im Sinne des § 870 ABGB zum Übergabsvertrag veranlaßt worden. Um einen solchen rechtswidrigen Zwang begründen zu können, wird stets eine den Willen des Erklärenden beeinflussende Drohung vorausgesetzt (Koziol-Welser, Grundriß8, I, 130; Rummel, aaO, Rz 11 ff zu § 870), für die aber jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Die Kenntnis der Klägerin vom Wunsch der Beklagten, ihre Liegenschaftshälfte übertragen zu bekommen, konnte für sich allein noch keinen rechtswidrigen Zwang auslösen, auch wenn dadurch ihr Wille beeinflußt worden sein mag. Auf eine Irreführung durch die Beklagte kommt die Klägerin in der Revision nicht mehr zurück, sodaß insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden kann. Diese haben auch richtig erkannt, daß das Rechtsmittel der laesio enormis gemäß § 935 ABGB auch dann keine Anwendung findet, wenn die Parteien eine gemischte Schenkung schließen wollten (Koziol-Welser, aaO, 259; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 9a zu § 938). Auch ein Übergabsvertrag kann eine gemischte Schenkung darstellen, wenn der Wert der dem Übernehmer obliegenden Gegenleistungen wesentlich geringer ist als der Sachwert der überlassenen Liegenschaft und die Vertragsschließenden in diesem Umfang eine Schenkung beabsichtigten (JBl 1978, 645 mwN). Ob im vorliegenden Fall Leistung und Gegenleistung die im § 934 ABGB vorausgesetzte Störung der objektiven Äquivalenz im Sinne der Behauptungen der Klägerin aufwiesen, ist ungeprüft geblieben. Dies schadet aber deshalb nichts, weil die Parteien des Übergabsvertrages diesen Fall bedacht und dafür ihren Schenkungswillen auch ausdrücklich erklärt haben. Die Frage von Unverhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung kann aber auch bei einem Rechtsgeschäft, das von vornherein - oder für diesen Fall - als unentgeltliche Zuwendung gedacht ist, nicht mehr entstehen. Wenn beide Vertragspartner von vornherein nicht auf ein bestimmtes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung abstellten, sondern wie bei Schenkungen, ein Mißverhältnis bewußt in Kauf nahmen, liegt auch kein Wucher vor (EFSlg 41.020). Dies gilt auch für gemischte Schenkungen, bei denen hinsichtlich des Übermaßes die Schenkungsabsicht vorliegt, weil es insoweit schon an der gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB erforderlichen Ausbeutung fehlt (8 Ob 129/63). Es verbleibt daher noch der weitere Einwand der Klägerin zu prüfen, der Übergabsvertrag sei im Hinblick auf seinen Charakter als gemischte Schenkung wegen Formmangels unwirksam. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die gemischte Schenkung nur bei überwiegender Unentgeltlichkeit formgebunden ist (so Ehrenzweig, System2, II/1, 367 und ihm folgend SZ 50/101; vgl. Schubert, aaO, Rz 6 zu § 943), oder ob in jedem Falle teilweiser Unentgeltlichkeit die Einhaltung der Schenkungsform zu fordern ist (Koziol-Welser, aaO, 193). Eine (gemischte) Schenkung mit "wirklicher Übergabe" bedarf nähmlich keines Notariatsaktes. Eine solche Übergabe hat aber im Sinne des § 431 ABGB durch die Erfüllung des zunächst formlosen Schenkungsversprechens jedenfalls mit der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten auf Grund der Aufsandungserklärung des beglaubigt unterfertigten Übergabsvertrages stattgefunden (SZ 45/35; 1 Ob 672/81 ua).
Ob eine "wirkliche Übergabe" der im Punkt XIV. des Übergabsvertrages genannten Wohnungseinrichtung stattgefunden hat oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Der Ausspruch einer entsprechenden Teilnichtigkeit dieses Vertragspunktes kann nämlich schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Klägerin ihr Rechtsgestaltungsbegehren spruchmäßig auf die Aufhebung des Übergabsvertrages in Ansehung des Hälfteanteiles an der Liegenschaft EZ 812 KG Josefstadt beschränkt hat.
Der Revision mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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