European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00048.24P.0426.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Für die Ermittlung des Sinngehalts einer Äußerung ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittsadressaten maßgebend (vgl RS0031883). Äußerungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RS0031883 [T9]). Wertende Äußerungen sind nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie verbreitet wurden, zu beurteilen (RS0031883 [T12, T15]). Die im gewerblichen Rechtsschutz für die blickfangartige Herausstellung im Titel maßgeblichen Argumente sind auf Presseaussendungen von Politikern im politischen Meinungskampf nicht ohne Weiteres übertragbar (6 Ob 138/01i), auch die Überschrift eines Postings ist nicht isoliert zu beurteilen (6 Ob 122/13d). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt (RS0031883 [T6]).
[2] 1.2. Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung hinsichtlich des Vorwurfs, die Klägerin sei „in Geldwäsche mit Vorsatz involviert“, zusammengefasst damit, dass ein derartiger Bedeutungsinhalt den Äußerungen der Beklagten nicht zu unterstellen sei. Diesbezüglich zeigt die Revision einen Korrekturbedarf nicht auf:
[3] Die Beklagte hat als Politikerin einer Oppositionspartei in N* Kritik an den Beteiligungsverhältnissen der Klägerin geäußert, weil aus ihrer Sicht der im Streubesitz einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft gehaltene Aktienanteil zu hinterfragen sei. Insbesondere mit Bezug auf die Beteiligung zweier Bundesländer an der Klägerin präsentierte sie – gemeinsam mit der Nebenintervenientin – im Rahmen einer Pressekonferenz im September 2022 ihre politische These, dass die – seit 2014 sukzessive auf über 40 % angewachsene – Beteiligung der Investmentgesellschaft an der Klägerin „nicht zufällig passiert [sei], sondern vorsätzlich“. Soweit sie dabei unter Verweis auf die (unklare) Gesellschafterstruktur der Investitionsgesellschaft, die über einen Trust der Cayman Islands finanziert werde, die Klägerin als „Geldwäscheanlage“ bezeichnete und – unter anderem – ausführte, dass ein derartiger Fonds, dessen Geldmittelherkunft unklar sei, sie „auf jeden Fall zum Schluss bringt, dass ein Verfahren nach Geldwäsche notwendig ist“, sind die Vorinstanzen vertretbar davon ausgegangen, dass sich dieser Vorwurf lediglich gegen den auf den Cayman Islands ansässigen Investor richtete. Dies wird auch durch die weiteren Äußerungen der Beklagten bekräftigt, dass der Fonds Milliarden an Geldern in den Cayman Islands geparkt habe, deren Herkunft im Dunkeln bleibe, dass die EU die Cayman Islands auf die Liste der Geldwäscherei‑Hochrisikoländer gesetzt, und dass der Fonds die Möglichkeit habe, Mittel unbestimmter Herkunft in die Realwirtschaft einzubringen, was als Geldwäsche bekannt sei. Richtig ist, dass die Beklagte in der Presseunterlage zusammenfassend festhielt, „am Flughafen [weise] alles auf Geldwäsche mit Vorsatz hin […]“ und dass auf dem Facebook‑Account der Beklagten unter Bezugnahme auf die Pressekonferenz steht, dass „die Politik Rahmenbedingungen schaffen müsse, damit solche Fälle von möglicher Geldwäsche in Österreich nicht vorkommen können“. Allerdings übergeht die Revision, dass die Beklagte bei der Pressekonferenz auf die (klarstellende) Frage eines Journalisten, ob sich der Geldwäschevorwurf rein auf die Investoren von den Cayman Islands beziehe bzw gegen wen sich der Vorwurf richte, ausdrücklich antwortete: „Gegen diesen Fonds, natürlich.“ Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich die Aussagen der Beklagten zur Geldwäsche ausschließlich auf denInvestor bezogen, nicht korrekturbedürftig, muss doch gerade in der politischen Auseinandersetzung ein im Titel oder einer Zusammenfassung schlagwortartig erhobener Vorwurf in Zusammenschau mit dem erläuternden Text gelesen werden. Die Frage, ob auch die von der Klägerin intendierte Auslegung der Willenserklärung möglich wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0042555 [T4]).
[4] 2.1. Unter Kredit im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB ist allgemein die finanzielle Bonität einer Person zu verstehen. Eine Kreditgefährdung liegt daher etwa vor, wenn die Zahlungsfähigkeit in Frage gestellt wird (RS0120862). Der Betroffene muss eine Kreditschädigungseignung, also eine Gefährdung mittelbar oder unmittelbar wirtschaftlich bedeutsamer Beziehungen oder Verhältnisse dartun (RS0031697 [T2]; vgl auch RS0032294 [T3]). Schädigungseignung ist anzunehmen, wenn Tatsachen behauptet werden, die beim Publikum eine nachteilige Meinung vom Geschäftsbetrieb eines Unternehmers, von seinen Waren oder seiner Kreditwürdigkeit erwecken, sofern die Behauptungen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge meist die Wirkung haben, dass der betroffene Betrieb einen Schaden erleidet oder der Kredit seines Inhabers erschüttert wird (vgl RS0079634).
[5] 2.2. Auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Äußerung, dass die Klägerin eine derart hohe Investition wie die dritte Flughafenpiste nicht aus eigenen Mitteln stemmen könne, nicht kreditschädigend sei, bedarf keiner Korrektur, zumal es der allgemeinen Erwartung im Wirtschaftsleben entspricht, dass derart große Investitionen üblicherweise mit Fremdkapital und/oder einer Erhöhung des Eigenkapitals finanziert werden.
[6] 3. Damit liegen auch die von der Revision behaupteten sekundären Feststellungsmängel zum Widerruf nicht vor.
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