European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00032.22G.0406.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs der Mutter wird zurückgewiesen.
Dem Revisionsrekurs der Minderjährigen wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Teilbeschluss – einschließlich der bereits mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 29. Mai 2019, GZ 2 Pu 105/10v‑181, und mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Februar 2020, GZ 45 R 350/19g‑190, rechtskräftig auferlegten monatlichen Unterhaltsleistungen von 350 EUR je Minderjährigem – insgesamt zu lauten hat:
„Die Mutter A* S*ist schuldig,
1. dem Minderjährigen P* P* für den Zeitraum von 1. Jänner 2018 bis 30. Juni 2019 monatlich 962,50 EUR, von 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 monatlich 982,50 EUR, von 1. Juli 2019 bis 31. August 2019 monatlich 997,50 EUR, von 1. September 2019 bis 30. Juni 2020 monatlich 1.177,50 EUR und von 1. Juli 2020 bis 31. März 2021 monatlich 1.185 EUR sowie 4 % Zinsen aus 692,50 EUR von 1. Jänner 2018 bis 29. Jänner 2018, aus 1.385 EUR von 30. Jänner 2018 bis 28. Februar 2018, aus 2.077,50 EUR von 1. März 2018 bis 28. März 2018, aus 2.770 EUR von 29. März 2018 bis 1. Mai 2018, aus 3.462,50 EUR von 2. Mai 2018 bis 28. Mai 2018, aus 4.155 EUR von 29. Mai 2018 bis 28. Juni 2018, aus 4.867,50 EUR von 29. Juni 2018 bis 30. Juli 2018, aus 5.580 EUR von 31. Juli 2018 bis 28. August 2018, aus 6.292,50 EUR von 29. August 2018 bis 30. September 2018, aus 7.005 EUR von 1. Oktober 2018 bis 23. Oktober 2018, aus 7.717,50 EUR von 24. Oktober 2018 bis 28. November 2018, aus 8.430 EUR von 29. November 2018 bis 30. Dezember 2018, aus 9.142,50 EUR von 31. Dezember 2018 bis 28. Jänner 2019, aus 9.855 EUR von 29. Jänner 2019 bis 28. Februar 2019, aus 10.567,50 EUR von 1. März 2019 bis 28. März 2019, aus 11.280 EUR von 29. März 2019 bis 29. April 2019, aus 11.992,50 EUR von 30. April 2019 bis 28. Mai 2019, aus 12.705 EUR von 29. Mai 2019 bis 30. Juni 2019, aus 13.432,50 EUR von 1. Juli 2019 bis 29. Juli 2019, aus 14.160 EUR von 30. Juli 2019 bis 28. August 2019, aus 15.067,50 EUR von 29. August 2019 bis 30. September 2019, aus 15.975 EUR von 1. Oktober 2019 bis 28. Oktober 2019, aus 16.882,50 EUR von 29. Oktober 2019 bis 28. November 2019, aus 17.790 EUR von 29. November 2019 bis 30. Dezember 2019, aus 18.697,50 EUR von 31. Dezember 2019 bis 28. Jänner 2020, aus 19.605 EUR von 29. Jänner 2020 bis 1. März 2020, aus 20.512,50 EUR von 2. März 2020 bis 30. März 2020, aus 21.420 EUR von 31. März 2020 bis 28. April 2020, aus 22.327,50 EUR von 29. April 2020 bis 17. Mai 2020, aus 19.891,74 EUR von 18. Mai 2020 bis 28. Mai 2020, aus 20.719,24 EUR von 29. Mai 2020 bis 29. Juni 2020, aus 21.554,24 EUR von 30. Juni 2020 bis 28. Juli 2020, aus 22.389,24 EUR von 29. Juli 2020 bis 30. August 2020, aus 23.224,24 EUR von 31. August 2020 bis 28. September 2020, aus 24.059,24 EUR von 29. September 2020 bis 28. Oktober 2020, aus 24.894,24 EUR von 29. Oktober 2020 bis 30. November 2020, aus 25.729,24 EUR von 1. Dezember 2020 bis 28. Dezember 2020 und aus 26.564,24 EUR ab 29. Dezember 2020 sowie
2. der Minderjährigen A* P* für den Zeitraum von 1. Jänner 2018 bis 30. Juni 2019 monatlich 962,50 EUR, von 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 monatlich 982,50 EUR, von 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 monatlich 997,50 EUR und von 1. Juli 2020 bis 31. März 2021 monatlich 1.005 EUR sowie 4 % Zinsen aus 692,50 EUR von 1. Jänner 2018 bis 29. Jänner 2018, aus 1.385 EUR von 30. Jänner 2018 bis 28. Februar 2018, aus 2.077,50 EUR von 1. März 2018 bis 28. März 2018, aus 2.770 EUR von 29. März 2018 bis 1. Mai 2018, aus 3.462,50 EUR von 2. Mai 2018 bis 28. Mai 2018, aus 4.155 EUR von 29. Mai 2018 bis 28. Juni 2018, aus 4.867,50 EUR von 29. Juni 2018 bis 30. Juli 2018, aus 5.580 EUR von 31. Juli 2018 bis 28. August 2018, aus 6.292,50 EUR von 29. August 2018 bis 30. September 2018, aus 7.005 EUR von 1. Oktober 2018 bis 23. Oktober 2018, aus 7.717,50 EUR von 24. Oktober 2018 bis 28. November 2018, aus 8.430 EUR von 29. November 2018 bis 30. Dezember 2018, aus 9.142,50 EUR von 31. Dezember 2018 bis 28. Jänner 2019, aus 9.855 EUR von 29. Jänner 2019 bis 28. Februar 2019, aus 10.567,50 EUR von 1. März 2019 bis 28. März 2019, aus 11.280 EUR von 29. März 2019 bis 29. April 2019, aus 11.992,50 EUR von 30. April 2019 bis 28. Mai 2019, aus 12.705 EUR von 29. Mai 2019 bis 30. Juni 2019, aus 13.432,50 EUR von 1. Juli 2019 bis 29. Juli 2019, aus 14.160 EUR von 30. Juli 2019 bis 28. August 2019, aus 14.887,50 EUR von 29. August 2019 bis 30. September 2019, aus 15.615 EUR von 1. Oktober 2019 bis 28. Oktober 2019, aus 16.342 EUR von 29. Oktober 2019 bis 28. November 2019, aus 17.070 EUR von 29. November 2019 bis 30. Dezember 2019, aus 17.797,50 EUR von 31. Dezember 2019 bis 28. Jänner 2020, aus 18.525 EUR von 29. Jänner 2020 bis 1. März 2020, aus 19.252,50 EUR von 2. März 2020 bis 30. März 2020, aus 19.980 EUR von 31. März 2020 bis 28. April 2020, aus 20.707,50 EUR von 29. April 2020 bis 17. Mai 2020, aus 18.271,74 EUR von 18. Mai 2020 bis 28. Mai 2020, aus 18.919,24 EUR von 29. Mai 2020 bis 29. Juni 2020, aus 19.574,24 EUR von 30. Juni 2020 bis 28. Juli 2020, aus 20.229,24 EUR von 29. Juli 2020 bis 30. August 2020, aus 20.884,24 EUR von 31. August 2020 bis 28. September 2020, aus 21.539,24 EUR von 29. September 2020 bis 28. Oktober 2020, aus 22.194,24 EUR von 29. Oktober 2020 bis 30. November 2020, aus 22.849,24 EUR von 1. Dezember 2020 bis 28. Dezember 2020 und aus 23.504,24 EUR ab 29. Dezember 2020
binnen 14 Tagen zu Handen des Vaters An* P* zu zahlen.“
Begründung:
[1] Die Minderjährigen werden vom obsorgeberechtigten Vater in dessen Haushalt betreut, die Mutter ist geldunterhaltspflichtig.
[2] Sie war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 15. 3. 2017 (ON 161) zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 270 EUR je Kind verpflichtet. Der Bemessung dieses Unterhalts lag ein (aufgrund des Anspannungsgrundsatzes herangezogenes) Nettoeinkommen der Mutter von 1.500 EUR zugrunde.
[3] Die Mutter heiratete am 9. 12. 2017 ihren bisherigen Lebensgefährten und ist seit (richtig) 24. 4. 2018 handelsrechtliche Geschäftsführerin einer GmbH, deren Alleingesellschafter ihr Ehegatte ist, woraus sie ein monatliches Durchschnittseinkommen von rund 1.500 EUR netto erzielt. Ihr Ehegatte war (bis 31. 3. 2021) als Notar tätig und bezog ein so hohes unterhaltsrelevantes Einkommen, dass – bei voller Einrechnung seines Einkommens – der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Mutter gegen ihn einen Unterhalt der Kinder in Höhe der „Luxusgrenze“ rechtfertigen würde. Die Mutter schloss jedoch am 17. 11. 2020 mit ihrem Ehegatten einen „Ehepakt“, wonach Unterhalt seitens des Ehemanns einvernehmlich in natura und nicht in Geldleistungen gewährt werde.
[4] Die Minderjährigen begehrten (zuletzt) die Erhöhung des von der Mutter zu leistenden Unterhalts samt Zinsen wie aus dem Spruch ersichtlich. Die Mutter habe nach der Unterhaltsfestsetzung ihren bisherigen Lebensgefährten geheiratet und sei als handelsrechtliche Geschäftsführerin tätig, weswegen der Unterhaltsanspruch gegen ihren nunmehrigen Ehegatten und das Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien, woraus Unterhaltsansprüche bis zur Höhe der Luxusgrenze gerechtfertigt seien.
[5] Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zur Zahlung von Unterhaltsbeträgen von 600 EUR monatlich je Kind von 1. 1. 2018 bis 31. 8. 2019 sowie von 630 EUR monatlich für P* und von 570 EUR für A* je von 1. 9. 2019 bis 31. 3. 2021 (jeweils samt näher bestimmter Zinsen), wies das darüber hinausgehende Begehren samt Zinsenbegehren ab und sprach aus, dass über den weiteren Unterhaltserhöhungsantrag sowie den Herabsetzungsantrag, die den Zeitraum ab 1. 4. 2021 betreffen, „zu einem späteren Zeitpunkt“ entschieden werde.
[6] Es bezog in die Unterhaltsbemessungsgrundlage auch den Geldunterhaltsanspruch der Mutter nach § 94 Abs 3 ABGB gegen ihren Ehegatten ein. Dass die Ehegatten während des Unterhaltsverfahrens hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung derMutter einen „Ehepakt“ abschlossen, lasse den Anschein erwachsen, dass die Mutter ihre Kinder nicht an ihren (besseren) Lebensverhältnissen teilhaben lassen wolle, was als Unterhaltsflucht zu bezeichnen sei. Im Sinne der Anspannung sei der Geldunterhaltsanspruch daher bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen. Da die Kinder beim Vater lebten, leiste dieser seinen Beitrag durch die Betreuung, sodass seine Einkommensverhältnisse nicht zu erheben seien. Allerdings sei es unbillig, die Mutter zu höheren Unterhaltsbeträgen zu verpflichten, als sie selbst an Einkommen erziele, weil es sonst indirekt zu einer Unterhaltsverpflichtung ihres Ehegatten gegenüber den Kindern käme, was dem „Rechtsverständnis der Bevölkerung“ widersprechen würde. Es sei daher angemessen, dass ihr ein eigener Betrag von rund 70 EUR und die Sonderzahlungen von ihrem Nettoeinkommen verbleiben.
[7] Das Rekursgerichtbestätigte diese Entscheidung. Aus dem „Ehepakt“ folge zwingend, dass dessen Zielsetzung allein in der Abwehr der verfahrensgegenständlichen Antragsbegehren der Kinder gegenüber der Mutter auf Erhöhung der bestehenden Geldunterhaltsverpflichtung liege. Unter Einbeziehung des zugestandenen Naturalunterhaltsbezugs in einem nach der unstrittig gebliebenen höheren finanziellen Leistungsfähigkeit des Ehegatten entsprechenden Umfang sei die mit der angefochtenen Entscheidung festgelegte Erhöhung des Kindesunterhalts auf jeden Fall angemessen. Durch den geleisteten Naturalunterhalt finde der erhöhte Kindesunterhalt noch angemessen in ihrem Eigeneinkommen Deckung. Auf die Frage, inwieweit die Mutter eine Verpflichtung treffe, einen Geldunterhaltsanspruch gegen ihren Ehegatten durchzusetzen, brauche nicht eingegangen zu werden. Sie könne jedoch nicht auf ein höheres Einkommen angespannt werden, sondern verfüge nur über dieses und den Naturalunterhalt. Letzterer sei für die Bedürfnisbefriedigung der Mutter zweckgebunden, sodass sie nicht angehalten werden könne, im Hinblick auf den ohnehin gewährten Naturalunterhalt gegen den Ehegatten einen Geldunterhalt zu begehren.
[8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, wieweit ein Unterhaltspflichtiger im Rahmen seiner Anspannungsobliegenheit verpflichtet sei, seine rechtlichen Möglichkeiten auszunutzen, im Hinblick auf die ihn allein treffende Geldunterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind gegen den Willen seines Ehepartners den ihm gewährten Naturalunterhalt in Geldunterhalt umzuwandeln.
[9] Gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung richtet sich der (richtig) ordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Erhöhungsbegehren zur Gänze, in eventu für Zeiträume bis 25. 4. 2019, abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Gegen den abweisenden Teil der Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigenmit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Unterhaltsantrag zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Revisionsrekurs der Mutter ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts – mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.
[12] Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und berechtigt.
I. Zum Revisionsrekurs der Mutter
[13] I.1. Die Mutter steht in ihrem Rechtsmittel auf dem Standpunkt, dass ein Geldunterhaltsanspruch nach § 94 Abs 3 S 1 ABGB nur einem einkommenslosen Ehegatten zustehe, ihr Verzicht auf Geldunterhalt im „Ehepakt“ eine zulässige Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten darstelle und ihr durch die Unterhaltsfestsetzung neben den Sonderzahlungen bloß ein „Taschengeld“ von ihrem Arbeitseinkommen verbleibe, das zur Deckung ihres Aufwands nicht ausreiche. Insgesamt werde indirekt ihr Ehegatte zur (Geld‑)Unterhaltsleistung verpflichtet.
[14] I.2.1. Die Mutter bestreitet nicht, dass der von ihr bislang gewährte Unterhalt den Regelbedarf der Kinder im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht deckte und somit grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Anspannung gegeben sind. Jedenfalls vor diesem Hintergrund ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung hinlänglich, dass ein fiktiver Geldunterhaltsanspruch des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem besser verdienendenEhegatten grundsätzlich als Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage für ein Kind heranzuziehen ist (4 Ob 67/21p [Pkt 4.1.]; 7 Ob 164/06b), und zwar auch für die Vergangenheit (4 Ob 67/21p [Pkt 4.2.]).
[15] I.2.2. Soweit die Antragsgegnerin unter Berufung auf Gitschthaler (Unterhaltsrecht4 Rz 302, 1235) die Rechtsansicht vertritt, dass ein Geldunterhaltsanspruch gemäß § 94 Abs 3 S 1 ABGB nur dem einkommenslosen Ehegatten zustehe, kommt es darauf im vorliegenden Fall nicht an. Auch Gitschthaler geht nämlich bei exorbitanten Einkommensunterschieden der Ehegatten tatsächlich von einem einkommenslosen Ehegatten aus (aaO Rz 1235). Im Einklang dazu bestätigte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 164/06b die Auffassung der (dort) Vorinstanzen, die einen auf § 94 Abs 3 ABGB gestützten Geldunterhaltsanspruch des einem Kind gegenüber unterhaltspflichtigen Ehegatten bei einem monatlichen Einkommen von 1.392 EUR gegen die mit 9.580 EUR besser verdienende Ehegattin bejahten. Dieser Fall ist hinsichtlich der heranzuziehenden Einkommen(‑sunterschiede) der Ehegatten mit dem vorliegenden gut vergleichbar, lässt sich doch aufgrund der Außerstreitstellungen rechnerisch ein heranzuziehendes Nettoeinkommen von zumindest 12.000 EUR ihres Ehegatten annehmen, das die Mutter auch im Revisionsrekurs beispielhaft nennt. Damitbesteht aber kein Anlass, an einem Geldunterhaltsanspruch der Mutter gegenüber ihrem Ehegatten nach § 94 Abs 3 ABGB zu zweifeln.
[16] I.3.1. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob die Mutter – wie sie im Revisionsrekurs vertritt – bis zum Unterhaltserhöhungsantrag der Kinder von einem konkreten, gegen ihren Ehegatten bestehenden Geldunterhaltsanspruch nach § 94 Abs 3 S 1 ABGB nichts wusste, weil bereits die (leicht) fahrlässige Herbeiführung eines Einkommensmangels durch Außerachtlassung pflichtgemäßer zumutbarer Einkommensbemühungen für eine Anspannung ausreicht (RS0047495 [T1, T2, T18, T24]; vgl auch RS0107086). Entgegen der Behauptung im Revisionsrekurs handelt es sich bei der Anspannung des Unterhaltspflichtigen durch Einbeziehung des fiktiven Geldunterhaltsanspruchs gegen seinen besser verdienenden Ehegatten auch nicht um eine „neue Judikaturlinie“. Ein pflichtbewusster und rechtschaffender Elternteil hätte bei der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem nunmehrigen Ehegatten vielmehr danach gestrebt, seine Kinder an seinen (besseren) Lebensverhältnissen teilhaben zu lassen.
[17] I.3.2. Der zwischen den Eheleuten – während des Verfahrens (!) – geschlossene „Ehepakt“, in dem die Mutter auf einen Geldunterhaltsanspruch gegen den Ehegatten verzichtete, ändert daran nichts, zumal das Rekursgericht auf Tatsachenebene davon ausging, dass die Zielsetzung des „Ehepakts“ allein in der Abwehr der verfahrensgegenständlichen Antragsbegehren lag. Dem Unterhaltspflichtigen ist grundsätzlich jedes Recht auf eine Vermeidungsstrategie abzusprechen, die ausschließlich dem Zweck dient, sich seiner Unterhaltspflichten zu entziehen (4 Ob 67/21p [Pkt 4.3.]). Welche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in diesem Zusammenhang noch zu beantworten sein sollten, lässt sich dem Revisionsrekurs nicht entnehmen.
[18] I.4. Zur Rechtsansicht der Mutter, dass indirekt ihr Ehegatte zur (Geld-)Unterhaltsleistung verpflichtet werde und dieser quasi die finanzielle Rolle eines Adoptivvaters der Kinder zu übernehmen habe, ist neuerlich auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach die unterhaltsrechtliche Beziehung zwischen den Ehegatten von derjenigen zwischen einem der Ehegatten und seinen Kindern zu unterscheiden ist (4 Ob 67/21p [Pkt 3.6.]; 1 Ob 288/04s): Der Ehegatte erbringt ausschließlich seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehegattin und erfüllt keine mittelbare Unterhaltspflicht für deren Kinder. Die Verwendung der Unterhaltsleistungen für den Kindesunterhalt berührt umgekehrt nur das Verhältnis zwischen der gemäß § 231 ABGB unterhaltspflichtigen Ehegattin und ihren Kindern, hat aber auf die Leistungspflicht des gegenüber dieser Ehegattin Unterhaltspflichtigen keinen Einfluss.
[19] I.5. Soweit die Mutter die Auffassung vertritt, dass ihr neben den Sonderzahlungen bloß ein monatliches „Taschengeld“ von 70 EUR verbleibe, das für ihre Aufwendungen nicht ausreiche und unter dem liege, was typischerweise bei Unterhaltszahlung den Kindern ausgezahlt würde, ist ihr zwar insofern zuzustimmen, dass die Bestimmungen der Exekutionsordnung (§§ 291b, 292b) als Orientierungshilfe bei der Ermittlung der Belastungsgrenze im Rahmen der Unterhaltsbemessung herangezogen werden (RS0047455; RS0017946). Abgesehen davon, dass auch dabei allgemeingültige Formeln oder Berechnungsmethoden für die Belastungsgrenze nicht aufgestellt werden können (vgl RS0047455 [T4, T15]), gilt dies nur bei regulären Verhältnissen, freilich aber nicht bei Anwendung des Anspannungsgrundsatzes (1 Ob 160/09z [verstärkter Senat]).
[20] I.6. Auf den Umstand, dass der Ehegatte der Mutter den Unterhalt zur Gänze in natura leistet, kommt es nicht entscheidend an. Würde er zum Teil Geldunterhalt leisten, wäre dieser Teil gleichermaßen in die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.
[21] I.7. Da sich somit die im Rechtsmittel der Mutter aufgeworfenen Fragen bereits aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung beantworten lassen, liegt eine Rechtsfrage von iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblicher Bedeutung nicht vor, weshalb der Revisionsrekurs zurückzuweisen war.
II. Zum Revisionsrekurs der Minderjährigen
[22] II.1. Die Minderjährigen machen zutreffend geltend, dass die Vorinstanzen bei der Unterhaltsbemessung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen sind, indem sie den bemessenen Unterhaltsanspruch mit dem tatsächlichen Eigeneinkommen (abzüglich eines „Taschengelds“) der Mutter begrenzten.
[23] II.2. Wie bereits zum Revisionsrekurs der Mutter ausgeführt, ist ein fiktiver Geldunterhaltsanspruch des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem besser verdienenden Ehegatten als Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage für ein Kind heranzuziehen. Diese Rechtsprechung gilt auch für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige überhaupt kein unterhaltsrelevantes Eigeneinkommen bezieht, sondern zur Gänze auf Naturalunterhaltsleistungen eines Ehegatten angewiesen ist (4 Ob 67/21p). Wenn daher Unterhaltspflichtige ohne irgendwelche finanziellen Mittel zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet werden können, muss dies genauso im vorliegenden Fall gelten. Eine Belastungsgrenze kommt in Anspannungsfällen – wie ebenfalls bereits zum Revisionsrekurs der Mutter ausgeführt – nicht in Betracht.
[24] II.3. Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die Mutter (nach den Grundsätzen des Anspannungsgrundsatzes) zur Unterhaltsleistung ohne die von den Vorinstanzen angenommene Begrenzung zu verpflichten. Die Mutter bekämpfte die Beurteilung des Erstgerichts nicht, das eine Anrechnung der Transferleistungen aufgrund der Höhe des Eigeneinkommens der Mutter grundsätzlich ablehnte, sodass auf diese Frage nicht weiter eingegangen werden muss. Gegen die von den Kindern begehrte Höhe der jeweiligen Unterhaltsbeträge (entsprechend dem sogenannten Unterhaltsstopp) oder die angesprochenen Zinsen wendete sich die Mutter ebenso wenig, sodass dem Antrag (soweit eine Erledigung nicht vom Erstgericht vorbehalten wurde) zur Gänze stattzugeben war.
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