OGH 6Ob321/98v

OGH6Ob321/98v28.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 22. Dezember 1997 verstorbenen Dipl.-Arch. Mag. Peter T*****, infolge Rekurses der bedingt erbserklärten Erbin Irene K*****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 22. Oktober 1998, GZ 43 R 676/98z-30, womit infolge Rekurses dieser Erbin der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 6. Juli 1998, GZ 7 A 6/98h-26 (in seinem Punkt 3.), aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 22. 12. 1997 verstorbene Erblasser hinterließ zwei fremdhändige Testamente. In demjenigen vom 12. 12. 1995 hatte er eine Kusine sowie drei juristische Personen zu je 1/4 zu Erben seines gesamten Vermögens eingesetzt. Dieses Testament ist vom Erblasser und drei Testamentszeugen unterschrieben (zu ON 9). Mit dem ebenfalls in Maschinschrift geschriebenen, vom Erblasser unterschriebenen Testament vom 14. 12. 1997 hatte er seine Gattin auf den Pflichtteil gesetzt, der Kusine ein Legat von 500.000 S vermacht und Irene K***** zur Alleinerbin seines gesamten Vermögens eingesetzt (zu ON 4). Dieses Testament ist von drei Zeugen gefertigt. Einer der Zeugen ist der Sohn der eingesetzten Alleinerbin. Beide Testamente wurden kundgemacht. Alle in den beiden Testamenten eingesetzten Erben gaben Erbserklärungen ab, die zu Gericht angenommen wurden (ON 15 und 26).

Am 29. 5. 1998 gab eine Zeugin (eine Krankenschwester des Spitals, in dem sich der Erblasser vor seinem Tod aufhielt) vor dem Verlassenschaftsgericht zu Protokoll, daß sie bei der (zweiten) Testamentserrichtung ("ca. am 14. 12. 1997") anwesend gewesen sei. Der Erblasser habe bestätigt, daß das ihm vorgelesene, vom Sohn der eingesetzten Alleinerbin geschriebene Testament sein letzter Wille sei. Die Zeugin bezog sich auf eine entsprechende Aufforderung des Gerichtskommissärs und fertigte das ihr vorgelegte Originaltestament vom 14. 12. 1997 als Zeugin (ON 24).

Das Erstgericht verteilte aufgrund der widerstreitenden Erbserklärungen die Parteienrollen für den Erbrechtsstreit und trug der aufgrund des Testaments vom 14. 12. 1997 bedingt erbserklärten Alleinerbin auf, gegen die übrigen erbserklärten Erben binnen sechs Wochen die Erbrechtsklage einzubringen.

Das fremdhändige Testament vom 14. 12. 1997 stelle den schwächeren Erbrechtstitel dar, weil einer der drei Testamentszeugen der Sohn der eingesetzten Alleinerbin und daher kein fähiger Zeuge im Sinne des § 594 ABGB sei. Zur Frage, ob dieser Mangel durch eine nach dem Tod des Erblassers erfolgte Fertigung des Testamens durch eine weitere Zeugin saniert sei, lägen unterschiedliche Lehrmeinungen vor. Nach der Lehrmeinung Sperls (in JBl 1972, 545) könne das Testament auch nachträglich vom Zeugen gefertigt werden. Der Beurkundungsakt bedeute lediglich die Erfüllung einer aufschiebenden Rechtsbedingung für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei dieser Ansicht jedoch entgegenzuhalten, daß das Gesetz grundsätzlich zum Schutz des Erblassers für das fremdhändige Testament zwingende Formvorschriften vorsehe, die Gültigkeitserfordernisse darstellten. Zum Todeszeitpunkt sei aber das Testament vom 14. 12. 1997 seiner äußeren Form nach nicht gehörig errichtet gewesen, weil die Unterschrift eines dritten fähigen Zeugen gefehlt habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der aufgrund des Testaments vom 14. 12. 1997 erbserklärten Erbin Folge und hob den angefochtenen Beschluß(punkt 3.) zur Verfahrensergänzung auf. Es führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen folgendes aus:

Es lägen zwei fremdhändige Testamente im Sinne des § 579 ABGB vor. Das Testament vom 12. 12. 1995 sei der äußeren Form nach eine gültige letztwillige Verfügung. Auch das Testament vom 14. 12. 1997 sei mit Maschine geschrieben und vom Erblasser und drei Zeugen unterfertigt worden. Der Sohn der eingesetzten Alleinerbin sei aber kein fähiger Zeuge nach § 594 ABGB. Es sei zu prüfen, ob die nach dem Tod des Erblassers erfolgte Fertigung des fremdhändigen Testaments durch eine weitere Zeugin für die Formgültigkeit ausreiche. Nach den Lehrmeinungen von Koziol/Welser, Ehrenzweig und Weiß in Klang ABGB2 müsse die Fertigung eines fremdhändig geschriebenen Testaments durch einen Testamentszeugen noch vor dem Tod des Erblassers erfolgen. Nach dem Tod könne nicht mehr von einer Einheit des Testieraktes ausgegangen werden. Der Lehrmeinung Sperls sei nicht zu folgen. Die weitere Zeugin habe das Testament erst am 29. 5. 1998 unterfertigt. Dieser Testierakt sei vollkommen losgelöst vom Testierereignis. Die äußere Form eines fremdhändigen Testaments könne nicht von der Willenserklärung des Erblassers losgelöst werden. Die vom Erstgericht vorgenommene Verteilung der Prozeßrollen sei zutreffend. Es seien aber noch Erhebungen zur Frage notwendig, ob das Testament vom 14. 12. 1997 in ein formgültiges mündliches Testament umgedeutet werden könne. Formungültige schriftliche Testamente könnten als mündliche Anordnung gültig sein, wenn drei gleichzeitig anwesende Zeugen den Inhalt des letzten Willens aus dem Mund des Testators gehört hätten. Es sei nicht erforderlich, daß der Testator auch ein mündliches Testament gewollt habe. Nach den Feststellungen und dem Akteninhalt sei der Erblasser zur eigenhändigen Verfassung einer Urkunde nicht mehr fähig gewesen. Die vom Sohn der eingesetzten Alleinerbin verfaßte Urkunde sei dem Erblasser in Anwesenheit zweier Zeugen vorgelesen worden. Es sei noch zu klären, ob bei der Verlesung gleichzeitig drei fähige Zeugen zugegen gewesen seien. Darüber hinaus sei auch noch zu prüfen, ob der Erblasser allenfalls aus physischen Gründen die ihm vorgelesene Urkunde selbst lesen hätte können. Wenn seine Sehkraft geschwächt gewesen wäre, kämen die strengen Formvorschriften des § 581 ABGB zur Anwendung. Von einem mündlichen Testament könne nur ausgegangen werden, wenn der Erblasser gegenüber drei fähigen Zeugen seinen letzten Willen deutlich erklärt hätte. Die Bejahung eines Vorschlags einer anderen Person reiche nicht aus.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß der Rekurs gegen seinen Beschluß zulässig sei. Die Klärung der Frage der Umdeutung des formungültigen schriftlichen Testaments vom 14. 12. 1997 in ein formgültiges mündliches Testament sei nur dann erforderlich, wenn feststehe, daß das fremdhändige Testament vom 14. 12. 1997 wegen der Verneinung der Einheit des Testiertakts bei der nachträglichen Unterschriftsleistung einer Zeugin ungültig sei. Hiezu liege keine oberstgerichtliche Judikatur vor.

Mit ihrem "ordentlichen Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) beantragt die bedingt erbserklärte Alleinerbin die Abänderung dahin, daß den aufgrund des Testaments vom 12. 12. 1995 bedingt erbserklärten Erben die Klägerrolle zugewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht erkannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Gültigkeitsvoraussetzungen eines fremdhändigen (allographen) Privattestaments regelt § 579 ABGB:

1. Der von einer anderen Person niedergeschriebene schriftliche Aufsatz muß vom Erblasser eigenhändig unterfertigt sein;

2. der Erblasser muß vor drei fähigen Zeugen, wovon zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, ausdrücklich erklären, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte;

3. die Zeugen müssen den Aufsatz mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz unterschreiben.

Ein Wissen der Zeugen über den Inhalt des Testaments (des Aufsatzes) ist nicht erforderlich (§ 579 letzter Satz ABGB).

Bei der Beurteilung des vorliegenden allographen Testaments vom 14. 12. 1997 ist entscheidungswesentlich, ob die zum Todeszeitpunkt fehlende Unterschrift der dritten fähigen Testamentszeugin als nicht sanierbarer Formmangel zu qualifizieren ist, sodaß ein ungültiges Testament vorläge, oder ob der Mangel nachträglich behoben werden konnte, weil diese Zeugenunterschrift - im Sinne der von der Rekurswerberin zitierten und zum Schwerpunkt ihrer Rekursausführungen gemachten Lehrmeinung Sperls (JBl 1972, 545) - nur eine aufschiebende Rechtsbedingung für die Rechtswirksamkeit einer im übrigen formgültigen letztwilligen Verfügung darstellt. Sperl vertritt die Auffassung, daß bei den zweiaktigen öffentlichen und privaten Testamentsformen zwei getrennte Rechtshandlungen mit jeweils eigenen Formvorschriften vorlägen. Die Erklärung des letzten Willens als einseitiges Rechtsgeschäft sei vom Beurkundungsakt streng zu trennen. Der konstitutive formgebundene Beurkundungsakt sei eine aufschiebende Rechtsbedingung für die Wirksamkeit der Erklärung des letzten Willens. Zum Zeitpunkt des Todes müsse nur der formgerechte Erklärungsakt eines testierfähigen Erblassers vorliegen. Der Beurkundungsakt bedeute die Erfüllung der aufschiebenden Bedingung. Er könne auch nach dem Tod erfolgen. Das Gesetz verlange weder eine unitas actus (zeitliche Einheit des Testieraktes) noch bestimme es eine Frist für die Vornahme der Beurkundung. Nach Sperl begründen sowohl die nachträgliche (nach dem Tod des Erblassers) Errichtung eines Gerichtsprotokolls (§ 588 ABGB) bei einem öffentlichen Testament (§ 569 ABGB) als auch die nachträgliche Unterschriftsleistung eines Testamentszeugen beim fremdhändigen Privattestament (§ 579 ABGB) die Wirksamkeit der letztwilligen Erklärung. Im Ergebnis vertritt zwar auch Kralik (in Ehrenzweig II/2 135 f) die Auffassung, daß die Zeugenunterschrift nicht unbedingt vor dem Tod des Erblassers erfolgen muß, aber nur für den besonderen Fall eines unmittelbar nach der Erklärung des Erblassers und vor der Unterschriftsleistung des anwesenden Testamentszeugen eintretenden Todes. Kralik fordert also im Gegensatz zu Sperl die zeitliche und auch örtliche Einheit des Testierakts und meint sogar, daß ein Zeuge zwischen der Erklärung des Erblassers und der Unterschrift das Zimmer nicht verlassen dürfe. Die Zeugenunterschriften auf der Urkunde seien in so unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Erklärung des Erblassers beizusetzen, daß ein Austausch der Urkunden nicht möglich sei.

In anderen Lehrmeinungen wird die Auffassung vertreten, daß die Testamentszeugen zwar nicht in Gegenwart des Erblassers, wohl aber vor seinem Tod unterschreiben müßten, weil sonst zum Todeszeitpunkt kein gültiges Testament vorliege (Koziol/Welser, Grundriß II10 338;

Welser in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 579; Weiß in Klang III 314;

Ehrenzweig II/2, 434). Das Rekursgericht ist dieser in der Lehre überwiegend vertretenen Ansicht gefolgt. Der erkennende Senat hat dazu folgendes erwogen:

Die Bindung letztwilliger Verfügungen an strenge Formen verfolgt im wesentlichen zwei Zwecke: Einerseits soll dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewußt gemacht werden, andererseits sollen Streitigkeiten nach seinem Tod möglichst vermieden werden (Koziol aaO 336; EvBl 1992/36 uva). Die Einhaltung der Form soll den Beweis über den wahren Willen des Erblassers sicherstellen. Die Testamentsform gehört nicht zum subjektiven, sondern zum objektiven Tatbestand des letztwilligen Rechtsgeschäfts (NZ 1987, 70). Der Beweisfunktion dienen insbesondere auch die Unterschriftsgebote. Dies gilt in gleichem Maße für die Unterschrift des Erblassers wie auch für die der Zeugen. Auch Sperl bezweifelt nicht, daß die Zeugenunterschrift zur Testamentsform gehört, will aber diesen Teil der für die Testamentserrichtung gültigen Formvorschriften von der einseitigen letztwilligen Willenserklärung lösen und spaltet die Testamentserrichtung in zwei Teile, den einseitigen Willensakt des Erblassers und den Beurkundungsakt. Diese methodische Vorgangsweise und Begründung ist dogmatisch durchaus vertretbar, widerspricht aber der Beweisfunktion der Formvorschriften. Die Vorschrift des § 579 ABGB ist systematisch eine die äußere Form der Erklärung des letzten Willens regelnde Bestimmung. Ein allographes Testament bedarf der Mitwirkung von Zeugen. Anders kann ein fremdhändiges, vom Erblassers nur zu unterschreibendes Testament nicht errichtet werden. Es ist zwar richtig, daß das Gesetz nicht festlegt, wann die Zeugen den Aufsatz unterschreiben müssen, es kann aber unterstellt werden, daß der Gesetzgeber den Fall im Auge hatte, daß die Unterschriftsleistung der Zeugen unmittelbar auf die Erklärung des Erblassers folgt, daß der zu unterschreibende Aufsatz seinen letzten Willen darstellt. Nur eine zeitliche Nähe zur Erklärung des Erblassers stellt sicher, daß der Zeuge den vom Erblasser gewollten Aufsatz und nicht etwa einen später unterschobenen unterschreibt. Die Mitwirkung von Zeugen und die ihnen obliegende Beurkundungspflicht gehören nach der Gesetzessystematik und dem Gesetzeszweck zur äußeren Form der Erklärung des letzten Willens (§ 577 ABGB). Auch die Unterschriftsleistung ist ein von dieser Erklärung nicht völlig losgelöster reiner Beurkundungsakt. Die Rechtsprechung verlangt für die Gültigkeit des allographen Testaments die Einheit des Testieraktes, die auch dann noch als gewahrt angesehen wird, wenn bis zur Unterschrift des nachträglich beigezogenen dritten Zeugen das Testament in der Zwischenzeit nicht verändert worden war (EvBl 1973/314; 6 Ob 540/77; 6 Ob 710/77). Auch die von der Rekurswerberin zitierte Lehrmeinung (Eccher in Schwimann, ABGB2 Rz 6 zu § 579 ABGB) vertritt diese Auffassung und kann nicht dafür ins Treffen geführt werden, daß die Unterschriftsleistung des Zeugen sogar noch nach dem Tod des Erblassers erfolgen könne. Das Erfordernis der zeitlichen Nähe des Beurkundungsaktes zur einseitigen letztwilligen Erklärung des Testators ergibt sich aus dem Zusammenhang der einzelnen im § 579 ABGB normierten Vorschriften. Die beigezogenen Zeugen müssen den Inhalt der letztwilligen Anordnung nicht kennen. Es muß ihnen aber bewußt sein, daß die von ihnen zu fertigende Urkunde (der Aufsatz) die vom Erblasser gewollte letztwillige Verfügung ist. Diese Kenntnis wird ihnen durch die Erklärung des Erblassers verschafft. Schon daraus ergibt sich zwangsläufig der zeitliche und räumliche Zusammenhang der einzelnen Akte der Testamentserrichtung. Bei einer in beliebiger Zeit - wie hier mehrere Monate nach dem Tod des Erblassers - nachholbaren Unterschrift eines Testamentszeugen entstünde zwangsläufig die Gefahr der Unterschiebung einer anderen Urkunde. Solchen Gefahren will der Gesetzgeber mit seinen strengen Formvorschriften begegnen. Es ist daher der Lehrmeinung von Koziol und Welser zu folgen, daß die Form nicht von der Willenserklärung getrennt werden kann, deren Schutz sie dient (aaO 338). Ob eine unmittelbar nach dem Tod des Erblassers geleistete Zeugenunterschrift zur Wahrung des Grundsatzes der Einheit des Testieraktes ausreicht, muß hier nicht entschieden werden. Bei dem vorliegenden längeren Zeitraum ist die Nachholung der Zeugenunterschrift jedenfalls verspätet.

Zu den übrigen, von der Rekurswerberin nicht relevierten Rechtsfragen (insbesondere zur möglichen Konversion eines formungültigen schriftlichen Testaments in ein mündliches Testament) kann auf die Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden.

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